Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 7 – Finale: Abenteuerlichen Höhen und Tiefen

7. September 2022

Hui ist Urlaub anstrengend! Die letzte Nacht kann man knicken, die war völlig unnötig weil quasi kaum vorhanden. Um 4:50 Uhr fallen wir aus dem Bett. Dabei sind wir vor gerade mal vier Stunden erst reingefallen. Draußen ist es noch immer stockdunkel. Logisch. Was man für Abenteuer doch alles in Kauf nimmt. Pronto ein Käffchen in die Blutbahn katapultieren, das notwendige Geraffel packen und los geht’s.

Mit dem Boot in den Sonnenaufgang

10. März 2022 – Vor unserer Unterkunft hält ein dunkler Kombi. Wie mit Ben, unserem Vermieter besprochen, werden wir pünktlich um 5:25 Uhr an unserer Villa abgeholt. Er hat kurzfristig für Janine und mich zwei Plätze bei Dolphin Warrior organisiert und uns eingebucht. Gespannt sitzen wir im Auto, während wir von Chef Navin und seiner Frau zum nahegelegenen Bootsanlegeplatz in La Gaulette gefahren werden. Dort besteigen wir das Boot und warten, unter dem Sternenhimmel sitzend, auf den Rest der Truppe. Guter Zeitpunkt die Brechpille einzuwerfen! Alles andere wäre grob fahrlässig und wie eine schriftliche Zustimmung auf mein Todesurteil und dem anschließend qualvollen Dahinsiechen. Janine und ich zimmern uns die Reisetabletten ein und warten, dass sie das tun, wofür sie erfunden wurden.

Le Morne Brabant in der Morgendämmerung

Neun Teilnehmer, wir sind vollzählig und können endlich los. Kapitän Navin und sein Boots-Chauffeur brettern uns im Affenzahn zum Sonnenaufgang raus aufs offene Meer. Bin schon ganz kribbelig vor Aufregung und Vorfreude. Werden wir Delfine zu Gesicht bekommen? Kritisch fühle ich in meine Magengegend und bin höchst zufrieden, ich sehe die Wellen, spüre sie aber nicht. Unterhalb vom Hals liegt alles lahm. Herrlich, auf das Zeug ist einfach Verlass. Das hat mir bei den übelsten Fährfahrten zwischen den Galapagosinseln schon mehrfach das Leben gerettet.

Wir müssen gar nicht lange warten, bis sich die ersten Delfine zeigen. Die Tränendrüse eskaliert unkontrolliert und vor Ergriffenheit schießt Pipi in die Augen. Es berührt und bewegt mich, als würde ich das allererste Mal Delfine sehen. Es gibt Momente im Leben, die nutzen sich niemals ab. Die verlieren niemals an Bedeutung und Wert. Die sind auch nach dem zehnten, vierzigsten, hundertsten Mal noch so intensiv und besonders, wie beim ersten Mal. Und es gibt Augenblicke, die jedes verfluchte Mal eine Gänsehaut über deinen ganzen Körper jagen, dich nach Luft schnappen lassen, dich staunend und fassungslos stehen lassen. So geht es mir beispielsweise immer, wenn ich auf dem Gipfel eines Berges stehe und realisiere, wie klein ich bin. Was für ein unscheinbares Nichts wir Menschen auf diesem Planeten sind. Das Meer verdeutlicht einem dies auch ungefiltert. Nichts ist so roh, so pur, so faszinierend, hart, grausam, gewaltig und gleichzeitig so wunderbar wie die Natur, in der wir uns bewegen.

Schnorcheln mit Delfinen

Navin erklärt die Unterschiede der beiden Delfinarten, auf die wir hier treffen. Die Spinner-Delfine, die spiralenförmig aus dem Wasser springen und üblicherweise in kleineren Gruppen von 10 oder 15 Tieren schwimmen. Und die größeren Flaschennasen-Delfine (bekannt als Flipper), die in Gruppen von über 100 Tieren auftauchen können. Wir erhalten eine kurze Einweisung, ziehen die Flossen über und dübeln die Schnorchelmaske auf die Glubscher. Auf dem Bootsrand sitzend, mit angehobenen Flossen, warten wir aufgeregt auf das Kommando. „Wait, wait“ bremst Navin die Truppe, seine Augen unablässig beobachtend auf das Wasser gerichtet. Plötzlich geht alles ganz schnell: „Go, go! Now, go!“ ruft er und wir springen über Bord.

Ich bin selbst völlig verblüfft, dass es mich keinerlei Überwindung kostet, in den dunklen, unbekannten Abgrund unter mir zu springen. Scheinbar wurde der Kopf zusammen mit dem Magen von den Tabletten ins Off geschossen. Oder er ist zu dieser Uhrzeit noch gar nicht angeschaltet. Umso besser. Wenn ich mich an die letzte Aktion auf Galapagos erinnere (da waren allerdings Haie drunter), fand ich das recht bedrohlich und haderte sehr (den Bericht findet man hier zum Nachlesen). Jetzt kann ich es kaum erwarten, mich im Ozean zu versenken. Das Wasser ist selbst hier draußen unfassbar warm! Um das Boot zischten gerade etliche Delfine, hoffentlich sind sie noch da. Es dauert einen Moment, bis sich die Augen an das tiefe Blau gewöhnt haben, das alles rundum zu verschlucken scheint. In meine Ohren dringen diese typisch pfeifenden Delfingeräusche und dann nehme ich Bewegungen unter mir wahr. Vor unbändiger Freude quietsche ich in meine Maske. Der Kopf kapiert gar nicht die unwirkliche Situation. Schnorcheln mit Delfinen, mitten im Nirgendwo! Euphorisch tauche ich auf und suche Janine. Sie klammert sich an der Leiter des Bootes fest und scheint in Panik zu sein. Sie hat unter ihrer Schnorchelmaske keine Luft mehr bekommen. Navin zieht sie am Handgelenk ins Boot hinein. Auch wir schwimmen zurück und steigen wieder ein.

Navin sucht die nächste Delfingruppe, die prompt erscheint. Wieder Flossen und Maske an, auf die Reling hiefen und bei dem Wellengeschaukel ordentlich festhalten. Das Kommando „go, go“ erlaubt uns zu springen. Navin hat sich Janine gekrallt, hält sie an der Hand und schwimmt mit ihr durch die Wellen. Ich folge eilig paddelnd, so ganz geheuer ist mir der Ozean ohne jemanden in unmittelbarer Nähe nämlich nicht. Zudem ist die Schwimmerei in den Wellen mega anstrengend. Navin deutet in die Tiefe. Als ich untertauche, sehe ich nur zahllose neonblaue Leuchtpunkte. Eine Reflektion des Lichtes, vermute ich. Plötzlich bin ich inmitten eines Delfinschwarms. Es sind so unfassbar viele! So wunderschön und elegant, wie sie irre flink durch das Wasser tanzen.

Eintauchen in ein anderes Unterwasserwelt-Leben

Ich kämpfe mich durch die Strömung zurück zum Boot und schmeiße die Flossen hinein, um an der rutschigen Leiter hinaufklettern zu können. Völlig außer Atem falle ich auf den Sitz. Das ganze Prozedere wiederholen wir weitere Male. Kardiotraining vom Feinsten. Eine Stunde Spinning ist Kindergarten dagegen, witzele ich. Eine Frau aus unserer Truppe erklärt, dass es sich bei diesen blauen Leuchtpunkten unter Wasser um Plankton handelt. Hier gäbe es sehr viel davon, meint sie und erzählt weiter, dass es bei Berührung auf der Haut wie Brennesseln bitzele. Jetzt weiß ich endlich, was es mit dem komischen Neonzeugs auf sich hat und beim nächsten Schnorchelgang spüre ich das bitzeln tatsächlich auch.

Janine ist trotz Reisetabletten übelst seekrank geworden. Für sie hat sich das Schnorcheln erledigt. Es geht ihr richtig schlecht, man sieht in ihrem blassen Gesicht, wie sehr sie leidet. Für uns geht es eine weitere Runde in die blaue Unterwasserwelt und sofort bin ich umringt von Delfinen. Navin begleitet mich durchs Wasser. Große Erleichterung, denn sobald ich untertauche, verliere ich komplett die Orientierung und habe Schiss, mich unbemerkt von der Gruppe zu entfernen. Und die Tatsache, dass ich so ziemlich alle blutrünstigen Hai-Filme gesehen habe, trägt nicht zum Wellnessfeeling bei. Spielerisch schwimmen die Delfine vor mir her und gewähren mir Begleitung. Ganz nah unter mir zischen unzählige Flipper vorbei! Ich flippe endgültig aus vor Freude, als ich ein Delfinbaby sehe. Als ich glucksend vor Glück auftauche, grinst Navin, er reckt den Daumen in die Luft und schwimmt mit mir zum Boot. Janine hat es völlig zerlegt, mit geschlossenen Augen krallt sie sich machtlos an der Reling fest. Das Boot schaukelt ordentlich hin und her, noch schlimmer wackelt es, wenn es steht. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als durchzuhalten.

Weihnachtsstimmung am Crystal Rock

Die Fahrt geht weiter zum fotogenen Crystal Rock. Ein kleiner Felsbrocken mitten im Ozean. Streng genommen ist es kein Felsen, sondern ein Korallenriff. Obendrauf abgestorben, unter Wasser jedoch voll intakt. Wir schippern gemütlich drumrum und bewundern lachend die goldene Weihnachtsgirlande, mit der das schwimmende Gestein geschmückt wurde! In einem Monat hängen dann vermutlich bunte Ostereier dran.

Der Crystal Rock, ein bliebtes Fotomotiv
Die schwimmende Weihnachtskoralle

In Strandnähe von Le Morne gibt’s die letzte Schnorchelrunde. Vom Boot aus entdecken wir einen riesigen Stachelrochen auf dem Meeresboden. Der Truppe (alle mit Taucherfahrung) isses hier nicht mehr spektakulär genug, dafür hüpft Janine mit mir ins Wasser. Sie hat sich etwas regeneriert und wird wenigstens zum Ende mit Unterwasservergnügen entschädigt. An Bord versorgt uns Navins Frau mit selbstgemachten Samoussas und einem leckeren Fruchtsaftcocktail mit hauseigenem Rum Arrangé. Die Brühe hat es in sich. Wirkt sofort, trotz unserem abendlich regelmäßigen „Rum-Gelungere“. Nicht wie mein klassischer Frühschoppen-Kaffee, den der nüchterne Kadaver am Morgen so gewohnt ist.

Letzte Schnorchelrunde in Strandnähe von Le Morne

Die Rückfahrt ist erneut ein bretternder Tiefflug übers Meer, dann werden wir zurück zur Unterkunft gefahren. Um 9:30 Uhr ist der Zauber vorbei. Janine küsst erleichtert den Boden und gelobigt inbrünstig, nie wieder mit einem Schiff in See zu stechen (Tretboote und Standup-Paddel ausgenommen). Als gefühlsechtes Andenken schmerzt ihr Handgelenk höllisch, seit sie ins Boot gezogen wurde und danach stundenlang an der Reling klammerte.

Nach so viel abenteuerlichem Frühsport braucht Frau erst mal Frühstück. Die Brech-Pillen entfalten jetzt vollständig ihre Nachwirkungen. Wir sind hundemüde. Dass ich von dem halben Glas Rumgemisch angezwitschert bin und Seegang im Kopf habe, macht nicht wacher. Wir hauen uns aufs Bett und dösen ein.

Von der Tiefe in die Höhe

11. März 2022 – Nach dem ereignisreichen Tag, konnten wir gestern Nacht tatsächlich relativ zeitig einschlafen. Um 4:00 Uhr brummt mein Handy. Ben schreibt, dass heute DER Tag ist. Was lange währt, endlich, nach mehreren Anläufen… ein Abenteuer jagt das nächste. Gestern ging es tief nach unten, heute geht es steil nach oben.

In aller Frühe (man könnte es auch mitten in der Nacht nennen) sammelt er mich vor der Unterkunft ein. Wir (es ist noch ein französisches Mädel dabei) fahren die wenigen Kilometer zum Parkplatz in Le Morne. Als wir um 5:30 Uhr Richtung Berg loslaufen, ist es noch immer stockdunkel. Wir folgen dem spärlichen Schein von Ben’s Handytaschenlampe und meiner Minifunzel, die ich schnell anschalte, nachdem es das zweite Mal unter meinem Fuß fieß geknackt hat. Als ich auf den Boden leuchte, erklärt sich meine Trefferquote. Große muschelartige Schnecken bevölkern den feuchten Boden.

Weit vor Sonnenaufgang geht es auf Bergtour

Es war zu erwarten, dass Ben ein ordentliches Tempo vorlegt. Für ihn ist der Aufstieg zum Le Morne quasi sowas wie der morgendliche Gang zum Bäcker. Mehrmals wöchentlich rennt er seinen Hausberg rauf. Wir Mädels versuchen motiviert Schritt zu halten. Allmählich dämmert mir, warum Ben auf den frühen Aufbruch pochte. Da die Sonne noch nicht da ist, sind die Temperaturen zwar noch moderat, aber dennoch schon kuschelig. Und die Luftfeuchtigkeit ist heftig. Der Weg steigt an, das erste Stück kenne ich bereits von meiner Laufrunde kürzlich. Die Suppe strömt aus allen Poren, während wir dem leichtfüßigen Ben hinterherhecheln. Der Geruch des Waldes wird plötzlich ganz intensiv. Wir drei sind allein auf weiter Flur. Die Morgendämmerung setzt ein und schon bald brauchen wir kein Licht mehr.

Le Morne Brabant, der Berg ruft

Am ersten Aussichtspunkt erwacht der Himmel leise und gewährt uns einen friedvollen Blick über die Weiten des Meeres. Ben drängt weiter. Über einen breiten Weg stapfen wir bergauf, während unser einheimischer Guide eine Beere vom Baum pflückt und mich fragt, ob ich „Glue“ kenne. Noch während ich den Kopf schüttel, habe ich eine schleimige Pampe auf dem Finger. „Das wird als Kleber benutzt“, amüsiert sich Ben, während ich irritiert meine zusammengeklebten Finger betrachte. Schon hat er die nächste Pflanze am Start. Ben rupft Blätter ab, zerreibt sie und hält sie uns unter die Nase. Ein wunderbares Pfefferaroma bahnt sich seinen Weg über meine Geruchsrezeptoren. Überall um uns herum wächst roter Pfeffer, der hier richtig gut und richtig teuer ist.

Auf dem Zwischenplateau erreichen wir das Warnschild. Ab hier gefährliches Klettern! Und Erklärungen, was alles zu befolgen ist. Der Trümmer von Berg thront vor uns, zum Greifen nahe. Die Fingerchen kribbeln schon! Ben kündigt an, wir würden nun etwas langsamer laufen. Aha. Wir merken davon irgendwie nichts. Nachdem wir ein Tor passiert haben, heißt es Hand anlegen für die Kletterpassagen. Kilometermäßig weit ist der gesamte Weg nach oben nicht, doch insbesondere die leichten Klettereien sind teils sehr steil und abschüssig. Wir steigen durch eine eine Rinne aufwärts, in der Wasser runterläuft. Ben lotst uns dran vorbei, besser durch matschige Passagen, statt über rutschig-nassen Felsen. Hier bieten zumindest Bäume etwas Halt. Der folgende Anstieg ist das schwerste Stück. „Good exercise,“ lächelt unser Bergführer.

Es wird ernst
Le Morne Brabant, der Berg ruft
Hinter dem Tor wird der Trail allmählich steiler und abschüssiger
Über die Felsen kraxeln wir Ben hinterher

Ein Blick auf die Uhr sagt, dass wir seit einer gute Stunde unterwegs sind. Mit einem Pärchen habe er neulich bis hierher zweieinhalb Stunden gebraucht, plaudert er munter. Nun verstehe ich, warum wir so viele Tage auf die passenden Wetterbedingungen gewartet haben. Bei Regen wollte ich hier nicht in der steinigen Rinne stehen. Meter für Meter klettern wir weiter nach oben, der Ausblick wird immer grandioser. Ich fasse nicht, dass ich endlich diesen Berg besteige! Etwas überrascht über „so viel Kletterei“ bin ich allerdings. Alles nicht wirklich schwer, dennoch würde ein falscher Tritt an an der falschen Stelle unschön enden. Der Aufstieg ist ja eher selten das Problem. Den gleichen Weg geht es allerdings zurück und das könnte stellenweise knifflig werden.

Die Kletterei liegt hinter uns. Ein schmaler Pfad führt um eine Kurve. „Ich lasse dir den Vortritt, geh du vor zum Gipfelkreuz“, nickt Ben mir zu. Moment – sind wir etwa da?! Ein breites Honigkuchenpferdgrinsen fräst sich in mein Gesicht (und bleibt dort für den Rest des Tages reingetackert). Ich weiß, das klingt schrecklich pathetisch, aber als ich um die Kurve gehe und auf das stählerne Gipfelkreuz blicke, bleibt mir vor Demut und Respekt die Luft weg. Ein grandioser Moment. Es ist 6:50 Uhr, wir stehen hoch über dem Indischen Ozean, die ersten Sonnenstrahlen kitzeln uns und das Gefühl ist nicht annähernd in Worte zu fassen. Ich bin schlichtweg emotional überwältigt.

Zwischen den Felsen durch…
… um die Kurve
… zum Gipfel. Pure Glückseligkeit

Während Ben höher auf die schmale Felsnadel nebenan klettert, machen wir Mädels Fotos als gäbe es kein Morgen mehr. Wir verbringen ausgiebig Zeit auf dem Gipfel, Ben weiß unheimlich viel über die Umgebung, erklärt uns die Farbzusammenhänge im Meer mit den Korallen und die umliegenden Inseln. Selbst La Réunion ist an guten Tagen von hier zu sehen. Sogar den Crystal Rock, die schwimmende Weihnachtskoralle, entdecken wir. Genauso die Boote an den Delfin Hotspots draußen. Der ausragende Viewpoint mit dem Felsen bei Bel Hombre, Chamarel mit den Wäldern, die ganzen Strände, alles breitet sich vor unseren Augen aus. Allein das Farbenspiel am Himmel, die große Wolke, die auf uns zusteuert und sich genauso schnell hinter uns wieder in Nichts auflöst und puren Sonnenschein zurücklässt, traumhaft. Weitere Gipfelstürmer kommen an. Einer davon ist ein Bekannter von Ben, dessen Rekord bei 17 Besteigungen des Le Morne Brabant HINTEREINANDER liegt! Es gibt schon krasse Leute…

Le Morne Brabant, einer meiner schönsten Gipfel!
Ben hat sich den Spitzenaussichtsplatz gesichert
Der größte Lohn, Naturmomente in ihrer reinsten Form
Blick auf die kleine Ile aux Bénitiers, in unmittelbarer Nähe des Crystal Rock

Von weit unten kommt eine Horde Menschen. Ach du scheiße! Hochbetrieb wie am Himalaya. Gut, dass Ben uns mitten in der Nacht aus dem Bett geschmissen und uns so das Privileg verschafft hat, die Ersten auf dem Gipfel zu sein. Unbezahlbare Augenblicke der Einsamkeit und absoluten Stille nur für uns! Jetzt heißt es heil runterkommen.

Zeit für den Abstieg, ein letzter Blick zurück

Beim Abstieg (es ist noch nicht mal 8 Uhr) brennt die Sonne bereits gnadenlos. Der Rückweg dauert tatsächlich länger als der Aufstieg. Wir geraten in die Rushhour und müssen warten, bis eine nicht enden wollende Gruppe stöhnender und schwitzender Menschen an uns vorbeigeschnauft ist. Wenn die bereits hier schon kämpfen… das schwere Stück liegt erst vor ihnen. Gegen 9 Uhr erreichen wir das Auto. Durchgeschwitzt, randvoll mit Endorphinen und stolz wie Bolle.

Geschafft! Wir sind vom Berg runter
In der Mitte klettert man die Rinne nach oben

Die aufgezeichnete Strecke der Besteigung des Le Morne findet ihr hier: https://www.komoot.de/tour/705393965?ref=aso

Gipfelglück und Wasserspaß – Le Morne all inclusive

Nachdem Janine zum Frühstück meinen Reinhold-Messner-Expeditionsbericht serviert bekam, wird der Tages-Masterplan ausgetüftelt: Hardcore-Chillen in der ausgeprägtesten Disziplin. Wo könnte man das besser als am einladenden Strand von Le Morne? Wir schmeißen unser Bade- und Entertainmentkrempel ins stinkende Spaßmobil (warum’s stinkt wird hier erklärt) und düsen zum Beach.

Wir sind noch immer erstaunt, wie wenig hier los ist. Überfüllte Strände sucht man vergebens (nichts läge uns ferner als das). Wir stürzen in die Fluten und schnorcheln ewig. Fischlis gucken ist furchtbar unterhaltsam. So unterhaltsam, dass man gar nicht mitbekommt, wenn die Sonne den Rücken zu Grillfleisch zerbrutzelt. Ist ja nicht so, als hätte ich mir nicht genau dafür zuhause ein T-Shirt mit eingebautem 50er UV-Schutz gekauft. Jahaaa, das wird natürlich geschont, damit es sich nicht so schnell abnutzt. Weil das daheim schließlich im permanenten Einsatz ist, wenn ich mich unablässig auf dem Rhein und Neckar in Meeresbiologie fortbilde. Deshalb liegt das gute Stück nun ordentlich im Appartement im Schrank. Ironie des Lebens. Morgen ist der Rücken braun, rede ich mir selber meine Blödheit schön und parke den Kadaver für den Rest des Tages ausschließlich im Schatten. Ansonsten war das heute ein rundum verdammt toller Tag! Und endlich ist der Haken am Le Morne Brabant gemacht!

Hier gibt’s sogar fliegende Surfer
So sieht das Paradies aus

Der verborgene Wasserfall von Le Gris-Gris

12. März 2022 – Die Rum- und Getränkevorräte wurden am Abend feierlich leergetrunken, die sind Koffer gepackt. Heute heißt es Abschied nehmen von der heimeligen Bachelor-Villa, dem Pingo-Studio. Wir verlassen La Gaulette einen Tag früher als geplant, um in Mahébourg etwas mehr Zeit zu haben. Auch von Ben haben wir uns bereits verabschiedet.

Rum-Reste-Cocktail am letzten Abend in La Gaulette

Die Stinkeschleuder ist beladen. Mit einer gewissen Melancholie im Kofferraum, nehmen wir die Küstenstraße Richtung Le Gris-Gris. Dort ist ein kleiner Zwischenstop geplant. Beim rumjammernden Felsen (la Roche qui pleure), an der Küstenspitze waren wir ja bereits. Moment, hat grad jemand was von Rum gesagt?

Da wir von unserer überaus inselkundigen Bekanntschaft (dem Einheimischen, den wir vor Tagen am Strand kennenlernten) über einen versteckten Wasserfall in der Nähe des Roche qui pleure informiert wurden, verfügen wir über heiß begehrtes Insiderwissen für Nicht-Touristen. Guter Draht zu den Locals zahlt sich aus. Die Wegbeschreibung hat er uns erklärend in den Sand gemalt und wir (mehr oder weniger) in einer nicht Rum-geschädigten Hirnwindung abgespeichert. Der Wasserfall liegt auf unserem Weg, den lassen wir uns natürlich nicht entgehen und können ihn mit einer kleinen Wanderung verbinden. Über die Richtung philosophierend, stiefeln wir zu den erwähnten Zuckerrohrfeldern und hören nach einer Weile tatsächlich im Wald ein Rauschen. Wir haben ihn gefunden! Ein toller Wasserfall mit Dschungelatmosphäre, ganz für uns allein.

Der „geheime“ Wasserfall
Der Weg führt seitlich vorbei zu einer Matschrinne
Mit Hilfe von Wurzeln steigen wir in die Schlucht hinab

Der Weg führt auf der gegenüberliegenden Seite weiter. Also Treter aus und das Flußbett oberhalb durchqueren. Wir folgen dem Pfad einige Meter und steigen eine wurzelige Matschrinne zum Wasserfall hinab. Erneut müssen wir die Schuhe ausziehen, um die Seite zu wechseln. Es geht nur ein kurzes Stück weiter durch die Schlucht, dann beginnt an einem zweiten, kleineren Wasserfall das Spiel ein drittes Mal. Latschen aus, Seitenwechsel, Füße trocknen, Schuhe an. Nach wenigen hundert Metern stehen wir abermals vor einem knietiefen Flusslauf, den es zu überqueren gilt. Hmpf, wir sind mehr mit an- und ausziehen von Schuhen und Strümpfen beschäftigt, als wir vorankommen. Wenn das so weiter geht, fallen die Mauken bald ab. Barfuß wollen wir auf dem teils stark zugewucherten, kaum erkennbaren Boden allerdings nicht laufen. Hoffentlich müssen wir nicht den gleichen Weg zurück.

Am zweiten Wasserfall wird erneut das Flussbett überquert

Die Landschaft, der Fluss und die Wasserfälle entschädigen für alle Mühen, es ist traumhaft schön. Alles ist knallegrün, wild und ungezähmt verwachsen, dazu das beruhigende Rauschen des Wassers. Allmählich müssten wir am Meer ankommen und optimalerweise sollte dort auch ein Weg hinauf- und zurückführen. In der Ferne hören wir leise Stimmen. Scheinbar sind hinter dem ganzen Gestrüpp irgendwo Menschen. Dann muss es auch einen Weg geben.

Zigmal werden die Seiten gewechselt
Und erneut passieren wir den Fluss
Wir sind tatsächlich am Meer rausgekommen!

Wir bahnen uns durch die Pampa voran und plötzlich ist Meer in Sicht! Über schwarze Steine und jede Menge Treibholz balancieren wir am Ozean entlang und spotten rum, dass hoffentlich nicht Ebbe ist, und binnen der nächsten Sekunden prompt die Flut kommt (sehr realisitische und konkrete Todesvorstellungen) und uns fortreißt. Erleichtert finden wir den Pfad, der von der Meeresebene aufs Festland hinauf führt. Ein dickes Tau, das einige Meter oberhalb an einer Holzleiter endet, hilft beim Anstieg. Mit ihrem zunehmend schmerzenden Handgelenk zieht sich Janine nach oben.

Der rettende Weg zu sicheren Gefilden
Kräftig zupacken bei Raufkraxeln
Abenteuerspielplatz-Wanderung
Roche qui pleure, der weinende Felsen
Atemberaubende Bucht bei Le Gris-Gris

Mit kleinem Abstecher zum Roche qui pleure, über bekannte Pfade vorbei am Nonnenkloster (unser Unterschlupf neulich, als es in Strömen regnete), beenden wir nach rund fünf Kilometern voller Begeisterung die Wasserfall-Erlebnistour.

Mahébourg, die letzte Etappe

12. März 2022 – Am frühen Mittag erreichen wir Mahébourg. Dank Teamwork während der Autofahrt. Da Linksverkehr herrscht und der Fahrer (Janine) auf der rechten Seite sitzt, befindet sich das Schaltgetriebe ebenfalls auf der linken Seite. Janines Handgelenk lässt eine Schaltbewegung nicht mehr zu. Wie gut, dass wir drei uns non-verbal verstehen; Janine tritt die Kupplung, die Karre quietscht sich ins Koma und ich schalte (liegt ja sowieso auf meiner richtigen Seite). Funktioniert prima!

Wir checken im bewährten Orient Hostel ein und ziehen los. Die Mission lautet Frühstücks-Roti, oder eher Mittagessen-Roti.

Balkon-Ausblick, zurück im familiären Orient Hostel
In Mahébourgs Ufernähe liegt die kleine Insel Mouchoir Rouge

Ich zeige Janine den am Rande der Stadt gelegenen bunten Shri Vinayagar Seedalamen Kovil Tempel und starte meinen 187. Versuch, endlich das Nationalmuseum zur Öffnungszeit zu besuchen. Wir liegen hervorragend in der Zeit, dennoch schickt man uns hinfort. Warum nur stehe ich hier jedes Mal vor verschlossenen Toren? Heute ist Nationalfeiertag! Das war uns nicht bekannt, erklärt im Nachhinein aber einiges. Zum Beispiel, warum die Markthalle und der Supermarkt geschlossen sind.

Der hübsche Shri Vinayagar Seedalamen Kovil Tempel

Gut, dann Spontan-Plan B, auf zum Strand nach Blue Bay. Nach der Hitze des Tages ein Cooldown am populären Beach, diese Idee haben am Feiertag noch weitere zwei, drei Leute. Der Strand ist brechend voll, die Badebucht nicht minder. Alles tümmelt sich im Wasser, es ist trubelig und laut.

Am Abend ziehen wir auf Futtersuche durch die umliegenden Straßen. Die Möglichkeiten sind derart vielfältig, dass man die Qual der Wahl hat. Wir landen in einer hippen Raggae-Dreadlock-Lokalität. Und versacken. So richtig. Unter lauter Locals, mittendrin statt nur dabei. Für richtig leckeres Essen und drei gar köstliche Cocktails zahlen wir unfassbar wenig. Gekrönt wird der kulinarische Donnerschlag von der Großzügigkeit des Tresen-Chefs, der uns weitere Cocktails aufs Haus nachkippt. Alle Bemühungen, unsere Trinklaune zu bezahlen, werden kategorisch abgelehnt. Sowas hab ich noch nie erlebt! Wenn die denken, die können die deutschen Mädels abfüllen, haben die die Rechnung allerdings ohne uns gemacht, ha!

Nebenbei lernen wir eine wichtige Tropen-Überlebensstrategie: Siehst du nicht was unterm Tisch passiert, dann mal lieber hoch die Latschen! Kakerlaken und Riesenspinne rennen unter den Tischen und zwischen den Füßen der Gäste rum. Als ich mit aufgerissenen Augen der ponygroßen Spinne nachstarre, während diese auf den Flipflop eines Gastes zurennt… lassen wir das! Meine Füße berühren erst wieder den Boden, als wir aufbrechen.

Was werden wir betüdelt! Genaugenommen Janine, ich bin eher Dranhängsel. Unter (sehr) männlichem Geleitschutz schlendern wir zum Hostel und bekommen obendrein als Abschiedsgeschenk eine große Flasche des geschätzen Rums! Machen wir doch einen derart bedürftigen Eindruck? Janine bekommt zum Rum vom adretten Mauritius-Adonis eine freundliche und nahezu seriöse Kidnapping-Anfrage für die Nacht, welche sie höflich lächelnd abgelehnt. Ist ja nicht so, als hätte sie vom Hostel-Meister heute nicht schon nen Heiratsantrag bekommen… Selbst Schuld, wenn ich Sand mit an den Strand nehme, resümiere ich gönnend. Immerhin textet mich mein Stinkschüsselvermieter des Vertrauens regelmäßig mit „unterhaltsamen“ Nachrichten zu, sonst müsste ich nicht nur im Rum, sondern auch in völligen Minderwertigkeitskomplexen ertrinken. In unsere ilustre nächtliche Gassenrunde reiht sich spontan der ordentlich angetüdelte Nachbar mit ein. Der hat definitiv mehr intus als wir! Was sind die Männers hier mitteilsam!

Markthalle, Museum und Donnerwetter

13. März 2022 – Apropos mitteilsam; auch diese Nacht endet viel zu zeitig. In Mahébourg schwätzt man nämlich sehr früh, sehr gern und sehr laut. Auch am heiligen Sonntag. Tja, wer spät ins Bett geht darf früh aufstehen.

Der Morgen startet geschäftig. Wir quälen uns durch den verhassten, niederträchtigen Flug-Online-Checkin und geben dem lusteligen Autovermieter des Vertrauens das fahrende Blech zurück. Danach ziehen wir durch Mahébourg. Nach dem vergangenen durstigen Abend ist dem Kadaver nach scharfem Roti. Und ich brauche noch ein Opfer, dem ich mein Rückflugticket aufdrücken kann. Habe nämlich nicht vor, den Heimflug anzutreten.

Anstehen für die begehrten Rotis

Der heutige finale Versuch, Eintritt ins Historische Marinemuseum zu erhalten, ist von Erfolg gekrönt! Die Pforten sind geöffnet! In einem hübschen alten Kolonialhaus, dem Château Gheude, befindet sich das Museum. Es erzählt über das französische Kolonialreich, die Sklaven und verfügt über etliche Artefakte. Soviel zur Bildung des Tages.

Das Historische Marinemuseum
Im Park des Historischen Marinemuseums
Streifzug durch die Straßen von Mahébourg
Jackfruits wachsen an Bäumen mitten in der Stadt
Weihnachtsschmuck steht hoch im Kurs

Das Wetter ist nix halbes und nix ganzes, wolkig, trist, pisswarm und gewittrig. Nach rund acht Kilometern rumgeflatsche (ohne Rum) wollen wir dem Strand noch tschüss sagen. Schlechte Idee. Auf dem Fußmarsch gen Meer fängt es an kräftig zu donnern, es stürmt und kühlt erheblich runter. Man scheint uns den Abschied leicht machen zu wollen. Mehr als im Hostel Kaffee trinken und dem Regen zusehen ist nicht drin. Wir sitzen – im wahrsten Sinne des Wortes – auf gepackten Koffern. Das Taxi zum Flughafen holt uns morgen früh um 6:15 Uhr ab. Eine weitere kurze Nacht also, der rote Faden der Reise. Mein Heimflugticket konnte ich leider niemandem schmackhaften machen. Und ich mag auch nicht zurück…

Übrigens: Die uns geschenkte Flasche Rum haben wir selbstverständlich nicht getrunken. Okay, wir hatten keinen Saft zum mixen 😉 Die haben wir in der Hostel-Küche für die Allgemeinheit zurückgelassen. In Deutschland wurden Janines Schmerzen im Handgelenk immer schlimmer. Als sie schließlich zum Arzt ging, stellte sich heraus, dass ihr Handgelenk gebrochen ist. Das war ein Schock und hielt sie noch etliche Wochen auf Trab. Mauritius hallt auch nach vielen Monaten noch nach. Fast täglich flitzen Erinnerungsfetzen dieser intensiven Reise durch den Kopf.

Jede Reise hat ein Ende, au revoir Mauitius! Es war intensiv!

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Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 6: Urlaub all inklusive – Wanderungen, Warnmeldungen und Regenzeit mit raining men

4. August 2022

5. März 2022 – Nichtstun! Heute SIND wir einfach nur mal, ganz nach der LOS-Formel: Planlos, ziellos, willenlos, anspruchslos. Das Wetter tickt ähnlich. Stichwort Regenzeit! Der Himmel droht schon Unberechenbarkeit an. Deshalb bleiben wir mim Boppes vorerst in unserer Bachelorvilla, chillen auf der Terrasse, trinken Kaffee, lesen. Bis der Bewegungsdrang sein Veto einlegt und der Schweinehund gassi laufen will. Janine nutzt die Gelegenheit für eine Fotosession durch La Gaulette während ich die Laufschuhe lüfte und ein autenthisches Mauritius in völlig untouristischen Seitenstraßen entdecke. Hühner rennen mir gackernd vor die Füße, aus einem offenen Fenster schallert karibische Musik, Hunde verteidigen kläffend ihr Revier, kleine Kinder kommen neugierig angerannt, fragen nach meinem Namen und zeigen ihre Spielsachen und Turnkünste.

Laufrunde durch Seitengassen von La Gaulette

Am Nachmittag fahren wir nach Le Morne und machen es uns am Strand und Meer gemütlich. Die Sonne zeigt sich nicht, es tropft nur kurz, scheinbar hat endlich wer den Himmel repariert, nach den letzten Tagen. Wir bleiben trocken.

Der Berg ruft! Le Morne Brabant
Bewölkt aber warm, relaxen am Strand vor den Luxusressorts in Le Morne

Nicht nur die Regenzeit, auch die überwiegend schlaflosen Nächte ziehen sich wie ein roter Faden durch den Mauritius-Trip. Nach einer knappen Stunde Schlaf steht schweißtreibende Moskitojagd auf dem nächtlichen Animationsprogramm. Trefferquote hoch, die Bude ist voll von den Drecksviechern. Man ölt ja schon vor sich hin, wenn man in Totenstarre auf dem Bett liegt. Nach sportlicher Blutsaugerjagd sieht man aus, wie in den Pool gefallen. Jetzt ist der Kadaver im Hallo-Wach-Modus und will gar nicht mehr schlafen.

Auf dem Macchabee-Trail im Black River Gorges Nationalpark

6. März 2022 – Weniger Nacht, mehr vom Tag! Heute laufen wir die Macchabee-Wanderung der To-Do-Liste. Der Himmel sieht ganz okay aus, hat sogar hellblaue Flecken. Das gab’s seit Tagen nicht. Also keine Zeit verdödeln, packen und aufi! Unser rotes Spaßmobil kann nicht nur dolle stinken, es hat weiteres Entertainment gegen Urlaubslangeweile parat. Kredenzt Lichter und Symbole in diversen Farben. Motorkontrollleuchte, Wassermeldung… oder ist das vielleicht die Warnung vor bald einsetzendem Regen? Ich tacker dem Drecksbixvermieter meines Vertrauens gleich nen Whatsapp-Hilfegesuch in die Pipeline. Wie gut, dass der mir nach unserer erquicklichen Mietwagen-Schlüsselübergabe auch seine Handynummer überlassen hat. Mal gespannt, was der Fachmann rät.

Bis die Antwort kommt, fahren wir schon mal los. Der Black River Gorges Nationalpark ist rund 14 Kilometer entfernt. Am Eingang lädt eine schöne Picknick-Area mit Tischen und Stühlen zum Verweilen ein. Durch das riesige Areal laufen noch zahlreiche andere ausgeschilderte Trails. Wir haben die Tour sicherheitshalber bei Komoot geladen und lassen uns lotsen. Hochmotoviert starten wir auf dem Macchabee-Trail.

Am Eingang des Black River Gorges National Park gibt es etliche Trails zur Auswahl

Ein Bach schlängelt sich plätschernd durch den Wald und quert mehrmals den Weg. Wir ziehen die Schlappen aus, um durchs knöchelhohe Wasser zu waten. Müssen ja nicht gleich zu Beginn schon wieder die Brühe im Schuh haben. Zumal Janine diese am Morgen mühevoll trockengeföhnt hatte. Die urigen Macchabee-Bäume und ihre riesigen Wurzeln sind der Wahnsinn. Große Termitenbauten kleben in den Ästen. Die laute Geräuschkulisse der Zikaden lässt phasenweise jeden Tinnitus alt aussehen!

Bachläufe auf Weg wirken gegen glühende Socken
Berauschend für Augen und Ohren

Recht schnell wird es recht steil. Der breite Weg führt über rutschig-schmierige Pflastersteine nach oben. Die Brühe läuft in Strömen aus allen Poren. Das Handy brummt. Aha, Monsieur Stinkschüsselvermietung antwortet. Verkündet, ich hätte ihn geweckt. Soso. Dann erklärt er, die Lampe im Auto leuchte wegen der Klimaanlage. Auto will Wasser. Über das Problem der Motorkontrollwarnung schweigt er geflissentlich. Mehr interessiert ihn hingegen, ob wir unseren Urlaub genießen. Wir lustwandeln im Wald rum, teile ich mit. Er warnt, wir sollten bloß nicht verschütt gehen, die Polizei bräuchte sonntags hier durchaus länger. Kennt der uns?! Das Kerlchen ist schon ein drolliger Vogel.

Am ersten Panorama-Ausguck beschließen wir kurzerhand, die Tour etwas anzupassen. Endlich regnet es, darauf ist Verlass! Reines schwitzen unterfordert ja völlig (Ironie off). Wir entscheiden uns für einen steilen, wurzeligen Abzweig und quälen uns mit hohen Schritten stufenartig durch die Pampe. Von oben begießt uns der Himmel, die Latschen sehen auch wieder aus wie Sau, die Beine sind verdreckt bis zur Kniescheibe, die Moskitos feiern Oktoberfest-Anstich. Bei all dem Regen und Schweiß bleibt kein Repellent haften. Der Aufstieg durch den Dschungel scheint kein Ende zu nehmen.

Ausblicke, die Lust auf mehr machen

Irgendwann erreichen wir den Ausstieg, die Sonne lacht. Geht doch! Zeit für eine Rast. Wir drapieren unsere verstochenen Leiber auf einem Holzbänkchen am Hochplateau und knabbern unser Käsebaguette. Ein Drittel der Strecke haben wir.

Rastplatz mit mega Aussicht
Belohnung für Körper und Seele nach dem Aufstieg im Regen
Verbabbt, vermatscht, verstochen und verdammt glücklich
View Point auf dem Macchabee Trail

Da wir nun schon oben sind, könnten wir auch gleich den Wasserfall mitnehmen, so die neueste geniale Eingebung. Leider hat unser spontaner Masterplan nicht vorgesehen, dass man erst alles absteigt, danach oberhalb des Wasserfalls ankommt (den man dummerweise kaum sieht), um dann wiederum alles raufzuochsen. Eine Machete wäre enorm hilfreich, so könnte man sich zumindest den Aufstieg durchs garstig dichte und stechende Gestrüpp freihacken. Wir wollten Wildnis, jetzt haben wir Wildnis. Kurze Verschnaufpausen werden unverzeihlich und gnadenlos von Terrorblutsaugern ausgenutzt. Ein Schlag auf die Plagegeister und die Hand ist blutgetränkt. Willkommen in der grünen Hölle. Wir kämpfen uns weiter, bis wir endlich wieder oben sind. Komoot verkündet nach zurückgelegten 11 Kilometern und rund 600 Höhenmetern, dass die Beine nur noch 4 Kilometer bergab zum Feierabend haben. Halleluja!

Abwechslungsreiche Wegführung
Oberhalb des Wasserfalls, viel davon zu sehen ist leider nicht
Es geht quer durch die Wildnis wieder nach oben
Die Wegfindung ist nicht immer eindeutig

Wir erreichen die Abzweigung, die auf unseren Rückweg führt. Der Schock brettert in Buchstaben ins Hirn wie eine Abrissbirne. Ungläubig starren wir das Verbotsschild an „Trail closed.“ Man teilt AN DIESER STELLE mit, dass der Rückweg gesperrt ist? Ein Hinweis auf der Wanderwegkarte, AM EINGANG, wär doch ne super Idee gewesen. Ich suche die versteckte Kamera vom Ranger, der sich in seiner Hütte grad totlacht. Es ist 14 Uhr, der Park schließt um 18 Uhr (30 Minuten vorher müssen wir draußen sein) und wir haben endlos lang für wenige Kilometer gebraucht, weil die Wege so rutschig und teils stark zugewachsen waren. Okay, wir haben auch ein paar Fotos gemacht. Was nun? Den gesperrten Weg risikieren und schlimmstenfalls umdrehen mit der Gefahr, dann mit noch knapperer Zeit weiter laufen zu müssen? Uns graust der Gedanke, die 11 Kilometer und den steilen, nassen Abstieg zurückzugehen. Auch der Akku des Handys geht steil bergab. Der muss halten, wir brauchen die Karte zur Orientierung. Immer diese Indiana-Jones-Crocodile Hunter-Exkursionen. Könnts net mal schön langweilig sein? Es hilft alles nix, wir kehren resigniert um.

Gesperrter Trail zwingt uns auf Umwegen zurück

Unterwegs können wir glücklicherweise drei Wanderstrecken miteinander kombinieren und müssen nicht komplett das gleiche Gezockel zurück. Auf dem letzten Kilometer hören wir lautes Gequieke. Wir suchen die Bäume nach Affen ab und sehen den Himmel über uns übersäht von Flughunden. Auch die Bäume hängen voll mit den Kerlchen. Wir gönnen uns eine letzte kurze Pause, nochmal durchschnaufen, wir haben fast kein Wasser mehr. Der Handy-Akku ist so gut wie leer. Die extrem hohe Luftfeuchtigkeit und die Hitze geben zusätzlich Zunder, Janine kämpft gegen ihren Kreislauf an. Um 17:10 Uhr erreichen wir erleichtert den Start des Trails. Punktlandung. Statt der geplanten 13 stecken 19 Kilometer und rund 700 Höhenmeter in den Beinen. Zuzüglich 1469 Moskitostiche im restlichen Körper. Gefühlsechtes Wandern! Die massakrierten Kadaver schreien nach Dusche, Kaffee, Füße hochlegen und Futter.

Mauritus lustige Männerwelt

7. März 2022 – Letzte Nacht gab es sehr unterhaltsame Konversation mit Le Monsieur de la voiture, dem Autovermieter meines Vertrauens, der nur ein „hallo“ schrieb. Zwei Stunden später fragte ich mal irritert nach. Eine weitere Stunde drauf teilte er mit, dass er nachdenken musste. Hmm, das scheint bisweilen wohl zu dauern. Seine fachkundige Eingebung zur Motorkontrollwarnleuchte: „Öl nachfüllen.“ Er schicke uns morgen jemand. Da ich mir meine Reisebegleitung wohl überlegt aussuche, habe ich mit Janine die ultimative Geheimwaffe für alle (Überlebens-)lagen dabei. KFZ – ihr wissenschaftliches Spezialgebiet. Gleich mal gecheckt, Ölstand passt. Ebenso das Kühlwasser. Entsprechende Info an Le Monsieur, dass das nicht das Problem sei. Er bietet erneut an, jemanden zu schicken und resümiert: „Hat die Karre Öl, könnt ihr auch fahren.“ Ich schreibe, dass wir bloß klären wollten, dass die Schüssel „sicher und gesund“ ist. Meine Sorge wird mit lachenden Smileys und der Rezitierung meiner Worte „healthy and safe – haha that killed me“ honoriert und nicht unbedingt zerstreut. Meine ironische Feststellung, er sei sehr lustig, kontert er stolz mit: „Nicht nur lustig.“ Ach? Um weiter auszuführen, dass er „gern Spaß hat.“ Eieiei, danke Kopfkino. Man könnte sich ja bei Gelegenheit auf ein Bier treffen, so sein mitternächtlicher Vorschlag. Girlfriend in Germany, is klar, feix ich mir eins und schmeiße das Handy in die Ecke.

Am Morgen gebietet die Höflichkeit doch eine Reaktion (obwohl ich kein Bier mag), er is ja ein Netter: Sonntagmorgen zur Mietwagen-Abgabe, gepflegter Frühschoppen, schieße ich aus der Hüfte und werde erneut ausgelacht. Das sei zwar früh, aber warum nicht, stimmt Mietwagen-Bachelor prompt zu. Ups! So schnell ist der Zweitwohnsitz auf Mauritius geklärt, haha. Janine schreibt unterdessen mit dem Mauritius-Saarländer, den wir kürzlich am Strand kennenlernten. Welch unterhaltsamer Tagesbeginn! Sie hat seine Avancen bedauerlicherweise sofort im Keim erstickt. Ich werde wohl alleine hier bleiben müssen.

Schnorchelfreuden in Flic en Flac

Heute ist Strandtag! Und kein Regen. Flott die Koffeeingrundversorgung sichergestellt und mit der Warnsymbol-Leuchtschleuder ins 25 Kilometer entfernte Flic en Flac getuckert. Weißer Sand, Sonne, Meer, Erholung, Urlauuub! Schnorchelmaske auf und Unterwasser-TV gucken: Bunte Fische, Skalare, Seegurken, Kugelfische, versteinerte Figuren und jede Menge Seeigel. Flic en Flac ist auch recht hübsch. Allerdings touristisch deutlich aufgemotzter. Viele Futterbuden, Bars, Verkaufsstände. Nach ausgiebigem Geplansche gönnen wir uns ein Roti mit Meerblick und ein köstliches Kaltgetränk. Die Regenzeit nimmt sich heute ne Auszeit.

Der Strand in Flic en Flac, zu unserer Reisezeit nicht gerade überlaufen
Mittagssnack und Lieblingsessen: lecker scharfes Roti
Fische guggen und im Meer planschen

Geplatzte Bergträume und verstörende Alpträume

8. März 2022 – Um 4 Uhr nachts schreibt mich Ben, der Vermieter unserer Unterkunft, an. Er wollte heute früh um 5 Uhr mit mir den Le Morne Brabant besteigen. Das planen wir seit Tagen, aber nie passt das Wetter. Jetzt textet er, weil es die Nacht so geregnet hat, sei es zu kritisch. So ein Mist! Als ich wieder einschlafe, träume ich, für einen Serienmord verantwortlich zu sein, den ich unbeabsichtigt geplant habe und deswegen acht Monate ins Gefängnis muss (mein beklopptes Unterbewusstsein ist da sehr präzise). Mein Fluchtplan, mich erst nach Hamburg (warum auch immer) abzusetzen, um von dort ins Ausland zu fliehen, scheitert mangels Zügen (da wär’s wieder, mein Deutsche Bahn-Dilemma). Im Traum habe ich auch nicht genügend warme Klamotten dabei, da ich gerade von Mauritius kam. Mein Priorität, erst heimlich (wegen den Morden) kurz zum umpacken nach Hause zu fahren (in dem Fall zu meinen Eltern, da ich dort allem Irrsinn nach wohne), verdeutlicht, wie sehr mir Kälte widerstrebt! Fatalerweise wartet im Hof der Nachbarn bereits ein Impfbus (Corona war zuviel des Guten, mein Kopp is ernsthaft kränk) und die Feuerwehr, die aber in Echt die getarnte Kripo ist und es auf mich abgesehen hat. Sogar meine Eltern haben mich verpfiffen! Als man mir mitteilt, ich werde nun meiner Freiheit beraubt, wache ich zum Glück auf.

Tamarind Falls – 7 Cascade

Da die Bergtour wieder gecancelt wurde, fahren wir zu den Tamarind Wasserfällen. 40 Minuten in der Stinkschüssel nach Henrietta, zum Start der Tour. Die Sperrung der Verbindungsstraße und die damit verbundenen Umwege sind echt nervig. Es ist bereits 11 Uhr, bis wir endlich einen Parkplatz finden. Hier bekommen wir bereits einen Eindruck davon, was uns erwartet. 11 große Wasserfälle, die durch eine tiefe Schlucht in der Inselmitte führen. Vom Flugzeug aus konnte man das faszinierende Naturwunder sogar sehen. Ein Typ aufm Moped verfolgt und belabert uns vehement, will unser Guide sein. Unsere Ablehnung, seine Motivation! Erst völlige Ignoranz führt zum Erfolg.

Es dauert eine ganze Weile, bis wir den Einstieg zu den oberen Wasserfällen endlich finden. Zu den ersten drei kann man von oben hinabsteigen. Dann wirds knifflig. Man muss klettern und eine Schlüsselstelle in steilem Gelände bewältigen. Danach geht es nur noch mit Equipment tiefer (so die Recherche). Oder man läuft gleich von der anderen Seite zu den unteren Wasserfällen. Die Wege sind – wie üblich – weder markiert noch befestigt. Dafür umso rutschiger. Schlammschlacht kennen wir ja. An Ästen von Guavenbäumen und Wurzeln rutschen wir zum ersten Wasserfall. Selbst dieser Ausblick ist absolut überwältigend! Der Abstieg zum zweiten ist gar nicht weit, aber recht steil und die Erde ist glattgetreten wie eine Eisfläche. In dem großen Bassin kann man unter dem Wasserfall baden. Pünktlich mit unserer Ankunft zieht der Himmel wieder zu. Wir haben uns gerade auf den schwarzen Basaltfelsen niedergelassen und unser Brötchen ausgepackt, da fängt es an zu schütten. Ist ja Regenzeit auf Mauritius! Wir suchen Unterschlupf in der Höhle.

Oberhalb des ersten Wasserfalles, von hier kann man zu den Tamarind Falls runtersteigen
Atemberaubend und unfassbar schön
Die Gumpen der Wasserfälle laden zum Baden ein
Voller Demut vor diesen Naturwundern

Die Vorfreude auf den nun noch rutschigeren Rückweg wächst. Kaum hört es auf zu regnen, zeigt sich der Himmel wieder in hellem Blau. Auf weitere Abstiege verzichten wir trotzdem. Der Aufstieg geht flotter und besser als erwartet. Da noch viel Tag übrig ist, säubern wir erst mal die eingeschlammten Schuhe und tunken Füße. Gumpen-Kneip-Kur mit prächtigstem Panorama, könnt man mal der Krankenkasse als Präventivmaßnahme vorschlagen! Es dauert gar nicht lange, da wirds auch wieder trüb über uns. In der Ferne donnerts. The same procedure as every day… Wir packen die gekühlten Mauken in die Treter und wackeln das letzte Stück Hang hinauf. Die Moskitos eskalieren vor Verzückung über unsere Anwesenheit und schreien Karamba, während sie das Besteck wetzen.

Noch einmal Innehalten und alles aufsaugen, bevor wir zurückgehen
Natur Pool mit überdimensionaler Massagedüse
Stechmücken, Matschwege, Aufstiege – alles wie immer

Raus aus der Wallachei ist der Trampelpfad zurück zur Straße teils so arschglatt, dass es mir auf kerzengeradem Weg die Füße wegzieht und mich gepflegt im Zuckerrohrfeld niederstreckt. Könnt einem wenigstens jemand Cachaça und Limetten zum Zuckerrohr reichen, wenn man schon am Boden liegt?

Wir genießen die letzten atemberaubenden Ausblicke auf die mächtigen Wasserfälle und plaudern mit einem Tourguide, der uns auf dem Weg zum Auto begegnet. Er zeigt uns Fotos und Videos der Wasserfälle zu Zeiten des Zyklons kürzlich. Was da an unbändigen Wassermassen die Schlucht runterdonnerte ist nicht zu fassen. Wir kommen gerade noch trockenen Fußes zum Auto, dann platscht die Sintflut von oben auf uns runter.

Die riesigen Tamarind Falls sind sogar vom Flieger aus zu sehen

Eine gute halbe Stunde warten wir im Auto, dass es aufhört. Vergebens, wir kapitulieren. Mein Hirn ist im Urlaubsmodus und lehnt denken ab. So navigiere ich Janine Richtung La Gaulette (naheliegend), zur gesperrten Verbindungsstraße (leider blöd), die wir bislang stets umfahren haben. Der Fehler rächt sich. Jetzt sind wir gezwungen, wieder über die unsägliche Serpentinenstraße heimzufahren. Hier in der Nähe war vor Tagen der grauenvolle Horrorunfall. Wieder Regen ohne Ende, wieder beschissenste Straßenverhältnisse. Janine sitzt angespannt hinter dem Steuer, ich versuche zu beruhigen, innerlich selbst am zittern und mit einem kotzüblen Gefühl. Die ganzen Bilder kommen hoch. Und als ob das nicht reicht, steht in der Kurve vor uns ein Polizeiauto mit zwei Beamten und einer Frau daneben. Im Graben liegt ein schwarzes Auto, das sich gedreht hat und auf dem Dach. Verdammte scheiße! Weg von dieser verfluchten Straße. Im Gurkentempo kriechen wir sorgenvoll zur Küstenstraße hinab. Erst da lässt die Anspannung allmählich nach.

Ilot Sancho

Auf dem Heimweg fahren wir an der Ilot Sancho vorbei. Einer kleinen vorgelagerten Insel direkt an der Küstenstraße, die bei Ebbe zu Fuß erreichbar ist. Genau das Richtige, um die Nerven zu beruhigen, wir wollten da eh noch hin. Google erklärt schlau: Eingebettet zwischen Rivière des Galets und St. Félix im Süden des Landes ist die Insel Sancho ein kleines Paradies. Sein Relief unterscheidet sich von den anderen Inseln von Mauritius und bietet einen atemberaubenden Blick auf die starken Wellen, die ständig über der Bucht von Jacotet brechen. Tatsächlich ist die Insel Sancho nur durch einen kleinen, etwa zwei Meter breiten Bach von ihr getrennt, den Sie bei Ebbe problemlos überqueren können, ohne nasse Knie zu bekommen. Janine hat die Latschen schneller aus, als ich gucken kann und stürmt zum gegenüberliegenden Ufer. Ihre Erstbegehung einer unbewohnten Insel. Grandios. Es nieselt übrigens noch immer. Regenzeit. Selbst bei der verlassenen einsamen Insel…

Kleine unbewohnte Insel, die Ilot Sancho

Regen, faule Nüsse und fremde Männer oder ein ganz normaler Morgen

9. März 2022 – Kokosnusswasser zum Frühstück ist eine tolle Idee und korrespondiert herrlich zu Kaffee, finden wir. Bei unserem Abend-Streifzug durch den hauseigenen Garten haben wir eine Kokosnuss gefunden. Praktischerweise haben wir auch nen Schraubenzieher organisiert und versuchen mit diesem und der Hilfe eines Steines die harte Nuss zu knacken, um an ihren kostbare Inhalt zu kommen. Damit sind wir erst mal beschäftigt. Sabbernd blicken wir auf die trübe Flüssigkeit, die aus der Schale rinnt. Vorsichtig nehmen wir eine Kostprobe. Brechreizerregend! Die Nuss ist faul. Angeekelt landet die mühsam erpresste Brühe im Ausguss und die Nuss vor der Tür.

Eigentlich wollten wir heute mim Bus nach Curepipe tuckern, bissi einkaufen, Markthalleschlendern, aber das Wetter ist einfach zu schön. Das schreit nach Strand. Ich schwinge mich in die Laufklamotten, schon mit Bikini drunter um sofort danach in den warmen Fluten zu versinken. Tasche gepackt, Autoschlüssel gezückt und – äääähhhh, wo kommt denn der Regen her? Warum ist die Badewanne da oben schon wieder leck? Es schüttet ernsthaft EINEINHALB Stunden! Selbst von der Palme vor unserer Terrasse strömt wasserfallähnlich der Regen vom Stamm.

Regenzeit auf Mauritius, das kann durchaus heftig sein und dauern

Aber mit der Sintflut steht auch das Tagesentertainment vor der Tür: Es gibt Herrenbesuch im Tempel. Ein Bachelor hat sich zur Villa verirrt. Hilflos steht er vor den Pforten und ruft über die Mauer, als Janine an unserem Wäscheständer hantiert. Er sucht ein freies Zimmer. Bevor man länger durch La Gaulette schreit, lässt Janine ihn rein und kündigt an: „Ich bring uns mal nen fremden Mann ins Haus.“ Ein Blick auf das Prachtexemplar lässt nur eine Antwort zu: „Du hattest schon schlechtere Ideen!“ Janine kontert ungeniert: „Und auch schon schlechtere Männer.“ Verlegen lächelnd haucht der Besuchs-Bachelor seinen Dank und wählt sich in unser WLAN ein, um mit unserem Vermieter Ben, die mögliche Zimmerverfügbarkeit zu klären.

Solche Burschen lässt man nicht vor der Tür stehen, der darf auf unserem Balkon warten und wer so blaue Augen und weißes Zahnpastalächeln präsentiert, bekommt dazu ein gekühltes Wässerchen kredenzt. Er erzählt, dass er vor wenigen Tagen von La Réunion kam und aktuell mit einem Freund am Strand in Le Morne zeltet. Deswegen suchen sie nun ein Zimmer. Ben antwortet zwischenzeitlich, leider hat er nix mehr frei. Kurz flippt mir das Bett-Besucherritzchen durch die nicht jugendfreie Hirnwindung, während Janine sich besorgt nach dem Freund erkundigt. Der muss ja nicht vor der Tür im Auto warten. Der ist auf Wanderschaft, erklärt unser Bachelor und muss, nach einem spannenden Plausch über Reisen durch die Welt, dann auch los.

Le Morne Brabant, Berg am Strand

Die adrette Abwechslung geht, die Brutzelsonne kommt. Also ab ins rote Stinkmobil und endlich nach Le Morne zum Strand. Erst braucht die Kauleiste was. Kreolisches Baguette im Mund, Sand an den Füßen, Meeresrauschen im Ohr, Sonne im Gesicht. Zufrieden trabe ich eine Stunde später bei subtropischer Hitze zu einer kleinen Laufrunde los. Uff, schon warm, das wird ne harte Nummer. Nach wenigen Kilometern stoße ich auf ein Schild, das den Weg zum Le Morne Brabant ankündigt. Aha! Hier geht’s also zu meinem Schicksalsberg, da muss ich doch unbedingt mal nen kleinen Blick drauf werfen. Als ich in den Wald komme und der Weg ansteigt, bin ich angefixt. Schon die ersten 100 Höhenmeter präsentieren einen faszinierenden Weitblick über den kristallklaren, farbintensiven Indischen Ozean. Der wird mit jeder weiteren Steigung überwältigender. Eine unfassbare Schönheit, die niemals für Kopf und Augen zur Normalität wird.

Verpflegung am Strand; kreolische Küche und Süßkram
Der Weg zum Le Morne Brabant
Schweißtreibend aber eine meiner schönsten Laufstrecken ever!
Was sich den Augen bietet bekommt das Hirn kaum verarbeitet
Mitten drin im Paradies

Obwohl es schon relativ spät ist, sind einige Wanderer unterwegs nach oben. Hätte ich das gewusst! Jetzt schaff ich es nicht mehr rauf. Außerdem habe ich keinen Tropfen Wasser dabei. Ich laufe hinauf bis zu dem Punkt, an dem Schilder vor den Gefahren der nun folgenden Kletterpassagen warnen. Trotz Sonnenschein nieselt es (ganz was neues). Von Innen bin ich hingegen trockener als die Atacama Wüste, Durst! Die Laufuhr zeigt knapp 7 Kilometer an. Schweren Herzens drehe ich um, bevor Janine Suchtrupps losschickt.

Der Berg zum Greifen nah
Bittere Vernunftsentscheidung; bis hierhin und nicht weiter – für heute

Schweißüberströmt und mit Tomatenkopf wackel ich am Strand ein. Guck an, da liegt der Mauritius-Saarländer neben Janine. Scheinbar kommen mit der Regenzeit auch „raining men.“ Ich hänge mir zu allererst die Wasserflasche an die vertrocknete Kehle und kühle den Kadaver in den Fluten auf Normaltemperatur runter. Es ist so herrlich, ich will aus der erfrischenden Fischbadewanne gar nicht mehr raus. Pure Glückseligkeit, wie wir hier zu sagen pflegen! Den Strand genießen, die passende Musik und die lustigen Gespräche mit dem Zufallsbesuch tragen ihr übriges dazu bei.

Es gibt Tage, die sind einfach absolut perfekt. Tage, an denen alles so leicht und im Einklang ist und so völlig unbeschwert.

Das perfekte Strandglück in Le Morne
Bester Sundown in La Gaulette mit Blick auf den Le Morne Brabant

Das Erlebnis-Programm für den Folgetag steht ebenfalls schon. Dazu demnächst mehr, nur soviel sei verraten; um 5 Uhr wird die Nacht zu Ende sein. Wer den Anfang verpasst hat, hier geht es zum Start der Reise.

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Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 5: Hitze in Port Louis, buntes Marktreiben und heulender Felsen

12. Juli 2022

Woran merkt man, dass Sommer ist? Es bleibt auch warm, wenn die Sonne längst weg ist. Ich liebe diese warmen Nächte, auch wenn sie wenig schlafförderlich sind, da man (ich) ewig draußen sitzt und nicht ins Bett mag und früher aufsteht, weil es draußen einfach zu toll ist, um länger liegen zu bleiben.

2. März 2022 – Heute werden wir die Hauptstadt von Mauritius besuchen. Die ist von unserer Unterkunft in La Gaulette knapp 50 Kilometer entfernt. Das Auto bleibt stehen. Wir werden den öffentlichen Bus nehmen, der direkt vor unserer Tür abfährt.

Ein Tag in Port Louis

Kaffee trinken, Geraffel packen und auf geht’s. Tatsächlich brauchen wir – also der Bus – knapp zwei Stunden. Erst tuckern wir nach Bambou, wo wir umsteigen müssen, um weiter nach Port Louis zu kommen. Als Janine und ich uns dem Zentrum nähern und den Trubel auf den Straßen sehen, ist klar, es war die beste Entscheidung, das Auto stehen zu lassen.

Port Louis erschlägt uns! Die Hitze steht zwischen den riesigen Häusern. Der Asphalt flimmert. Das Atmen mit der Maske im Gesicht wird zur olympischen Disziplin. Wir schieben uns zwischen den Fahrzeugen durch und müssen aufpassen, dass uns nicht ein Roller oder Auto über die Flipflops brettert. Vielleicht würden platte Zehen aber optisch gut zu den völlig zerstochenen Beinen passen. Schönheitspreise sind „untenrum“ derzeit definitiv nicht abzuräumen. Desolater Kadaverzustand!

Unser erster Weg führt uns aus dem Gewusel in den Trubel der Markthalle. Neben Schatten gibt’s hier mächtig was für Auge und Nase! Früchte in Hülle und Fülle, unzählige Gemüsesorten, Salate in allen Farben und Größen. Allein die Gewürzstände sind der Oberknaller! Unterschiedlichste Currysorten, duftende Vanille, würziger Pfeffer. An den Ständen fliegt die Schippe in den Gewürzkorb und man hält uns das geruchsintensive Pulver unter die Nase. Unbeschreiblich! Wir kaufen scharfe Chilis, ein irre duftendes Currypulver, Kreuzkümmel. Und schlucken, nachdem wir den Preis freundlich lächelnd um die Ohren gezimmert bekommen. Sei’s drum, Qualität kostet eben (oder die dummen Touris wurden abgezockt).

Frische Früchte so viel das Herz begehrt
Gewürze in allen Farben und für alle Geschmäcker
Markthalle in Port Louis

Ein Stand mit frischen Früchten führt uns in Versuchung. Das schreit nach Frühstück. Wir stellen uns zwei Schüsseln mit bunt gemischtem Obst zusammen, setzen uns auf eine Steintreppe in der Markthalle und lassen das quirlige Treiben zufrieden kauend auf uns wirken. Weiter geht es in den zweiten Stock, wo Souvenirs und anderer Nippes verkauft wird. Ich liebe solche Märkte. Auch wenn es recht nervig ist, dass an jedem Stand die Verkäufer sofort aufspringen und uns ein Gartenhaus ans Ohr blubbern. Tausendfach hören wir: „Hello, have a look, looking is free.“

Nach dem Markterlebnis schlagen wir uns weiter durch das Straßenchaos zur Le Caudan Waterfront. Vorbei an einem riesigen Einkaufzentrum, Kunsthandwerkständen, Luxusläden, alles sehr edel und gehoben. Die Flaniermeile am Wasser ist schick und stylisch und lädt mit ihren ganzen Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. Hier finden wir endlich Ruhe vor dem Verkehrslärm. Viel los ist trotzdem. Wir gönnen uns einen geeisten Kaffee und starten die letzte Mission, zurück in die Innenstadt, Chinatown. Das hektische Viertel stellt sich als Enttäuschung heraus, wir haben mehr erwartet. Das Highlight ist die Jummah Moschee, ein Bauwerk von 1850. Indische, kreolische und islamische Architektur treffen hier aufeinander und bilden das religiöse Zentrum für Mauritius‘ Mohammedaner. Nach freundlicher Aufforderung treten wir ein und sehen den Männern bei ihren Waschzeremonien und Beten zu.

An der Waterfront wirds bunt
Flanieren im Schutz der Schirme
Das Tor zu China Town, links die Jummah Moschee
Der ruhige Innenhof der Jummah Moschee, ein Platz für die Gläubigen
Streetart in Port Louis

Allgemein betrachtet bleiben Flair und Charisma in Port Louis für mein Empfinden auf der Strecke. Die Stadt ist ein Moloch! Aber es gehört dazu, die Hauptstadt mal gesehen zu haben. Auch wegen der Markthalle hat sich der Besuch schon gelohnt.

Nach einigen Stunden sind wir innerlich und äußerlich weichgekocht und wollen nur noch aus der lärmenden Stadt. Auf unserem Weg zum Bus machen wir erneut einen Abstecher zur Markthalle und stärken uns mit dem traditionellen täglichen Roti.

Yeahr, pünktlich zur Rushhour steigen wir in den Bus. Nur so hat man deutlich länger von der Fahrt. In der Nachmittagshitze schmelzen wir beim Warten auf den Anschlussbus. Alle Busse die ankommen, fahren nicht in unsere Richtung. Keiner weiß, wann der richtige Bus kommt. So überbrücken wir die Zeit mit Singen von kreativ-poetischem Liedgut (aufgrund Hitze und mürber Warterei lyrisch nicht ganz gewaltfrei, dafür sehr befreiend). Irgendwann kommt unser Bus. Die Weiterfahrt ist wie immer ein Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Die brechend volle Schüssel ist locker 40 Jahre alt und der Anhalten-Drücker besteht aus einer dünnen Strippe, die an irgendeinen Klingelknopf geklöppelt wurde. Ich lach mich halb ins Koma, als Janine grinsend auf die Konstruktion deutet.

Ausgeklügelte Technik im Public Bus; Strippe zum Halten-Signal

Wassermassen an den Alexandra Falls – Cascade de 500 pieds

3. März 2022 – Falls ich es in den vorigen Berichten noch nicht erwähnte, hier ist Regenzeit. Am Morgen macht uns das Wetter gepflegt einen Strich durch die ursprüngliche Wanderplanung. Zu kritisch bei Regen.

Also pronto nen Plan B geschnitzt und nach spartanischem Frühstück in unserer roten Ranzbüchse ins Hinterland zum Black River Georges Nationalpark. Wenn schon nass, dann gern mit Wasserfall. Als wir am Parkplatz in Savanne ankommen, nieselt es noch leicht. Kommt vor in der Regenzeit. Recht häufig. Und mitunter ziemlich doll! Stört uns nicht, is ja warm. Sollte eh unsere geringste Sorge des Tages sein.

Auf dem Weg zu den Alexandra Falls und Cascade de 500 pieds

Wir folgen dem Trail zu den Alexandra Falls und Cascade de 500 pieds. Mächtig schön hier, trotz Regen! Am Aussichtspunkt, nicht weit weg vom Parkplatz, sieht man nur den kleinen Wasserfall. Um zum Großen zu kommen, geht es durch die Walachei. Erste Herausforderung: Wir müssen einen Bachlauf überqueren, der wegen des Regens schon gut Wasser hat. Nach anfänglichem Rumgepienze ziehen wir die Treter aus und eiern flockig (mehr oder weniger) über die rutschigen Steine. Schuhe wieder an die Mauken und weiter. Die knorrigen Bäume rundum sind toll, die ganze Umgebung geheimnisvoll. Nieselregen und Nebel verleihen dem Wald eine mystische Atmosphäre. Im Tal gegenüber hängt der Dunst in den Bäumen, die Stimmung könnte nicht passender sein.

Erster Blick auf die Wasserfälle
Urige Bäume im verwunschenen Black River Gorges National Park
Der Hinweg ist etwas matschig, zurück wird hiervon kaum mehr was übrig sein
Gelegentlich sind kleine Bäche zu überqueren
Die Schuhe können anbleiben, sogar der Regen hat kurz aufgehört
Auch wenn Nebel die Sicht beschränkt, der Ausblick verzaubert
Faszinierende Vegetation

Weit ist der Trail zum Wasserfall nicht. Wir müssen allerdings weitere Bachläufe überqueren, bald leiern die Schnürsenkel aus, bei all dem an- und ausgeziehe. Der Regen wird stärker, der Pfad matschiger. Über ungleichmäßige Steinstufen kraxeln wir die Schlucht runter, drauf bedacht, nicht in dem braunen Brabbel und den Wurzeln auszurutschen. Inzwischen schüttet es richtig. Die Suppe läuft überall an uns hinab.

Ein Pärchen kommt uns entgegen und erklärt: „Noch ungefähr zehn Minuten, dann müsst ihr einen Fluss überqueren. Das Wasser ist schon recht tief, passt wegen der Strömung auf. Lohnt sich auf alle Fälle! Danach kommt der Wasserfall mit Natur-Infinitypool.“ Nass sind wir eh, also weiter. Als wir besagten Fluss erreichen, werden wir skeptisch. Er ist verdammt hoch, die Steine liegen tief im Wasser. Kein idyllisches Plätschern eines seichten Gebirgsbächleins. Aus dem Himmel kippen die Wassermassen auf uns nieder. Ständig läuft der Regen vom Kopf in die Augen, man sieht kaum noch was. Aber vor dem Wasserfall ins Wasser fallen ist keine Option. Zu viel teure Technik im Rucksack! Vor uns springt souverän eine Deutsche durch den Fluss, die sehr outdoortauglich aussieht. Sie sieht uns hadern und kommt zurück um uns zu helfen. Mit vereinten Kräften schaffen wir es, an den übers Wasser hängenden Ästen über die Steine zur anderen Seite zu balancieren. Es folgt ein weiterer Anstieg, bevor das Gelände steil abfällt. Und dann erreichen wir das Ziel! Hallelujah!

Das Ziel, der Cascade de 500 pieds war alle Matsch- und Regenmühen wert!
Wir fühlen uns so klein in dieser mächtigen Naturkulisse

Eine harmlose Wanderung wird zum Abenteuer

Plötzlich ist ganz schnell Schluss mit lustig! Der Donner, der uns seit einigen Minuten begleitet, wird lauter. Gewitter im Anmarsch. Im Mordstempo! Es blitzt und sofort kracht es unerbittlich über uns. Mir stellen sich alle Haare zu Berge. Mein einziger Gedanke: Vollgas! Der Weg sieht übel aus. Alles ist überschwemmt von brauner Brühe, kleine Flüsse laufen uns entgegen. Der Himmel kracht erneut. Jetzt isser wohl ganz kaputt! Janine und ich tauschen einvernehmliche Blicke, dann rennen wir los. An der ersten Bachüberquerung sind – im Gegensatz zum Hinweg – nun die Steine nicht mehr zu sehen. Ich rufe die Wanderer vor uns und bitte den Typ um Hilfe. Er zieht uns dankenswerterweise zur anderen Seite rüber. Das wär geschafft. Ab zum Auto.

Ein letztes Foto vom Weg, bevor das Unwetter kommt und alles wegschwimmt

Zurück in sicheren Gefilden, befinden wir uns spontan wieder im Schabernackmodus. In tropfenden Wanderhosen und Bikinioberteil legen wir einen Regentanz mit Sing-Session am Parkplatz ein. Soviel Zeit muss sein! Man sollte in seinem Leben EINMAL im Regen getanzt haben. Von oben sind noch immer die Schleusen offen, das hört bestimmt nie wieder auf. Im Auto finde ich mein Strandbadetuch und den Notfall-Bikini. Erst mal die aufgeweichte Schrumpelhaut trockenlegen. Janine sackt in ihrer patschnassen Hose auf den Fahrersitz. Während die Welt um uns weiter ertrinkt, warten wir im Auto.

Die sehr kurze (dafür umso abenteuerlichere) Strecke zum Wasserfall und viele weitere Fotos unserer Tour findet ihr unter dem folgenden Link bei komoot: https://www.komoot.de/tour/689669236?ref=aso

Nach einer halben Stunde lässt der Regen etwas nach, wir fahren los. In engen Serpentinen geht es abwärts, da sollte man im Idealfall was sehen. Das Schicksal nimmt unterdessen seinen dramatischen Lauf. Niemals hätten wir geahnt, mit welcher Tragödie dieser Tag uns konfrontiert.

Vor uns zockelt gemächlich eine Zugmaschine mit großem Anhänger. Aquaplaning auf der Straße. Wir tuckern langsam hinterher. Überholen wäre nicht möglich, wollen wir auch nicht, kein Grund zur Eile. Das Geschoss vor uns fährt schneller. Wir erhöhen den Sicherheitsabstand. Mittlerweile befindet sich das Gefährt in der Straßenmitte, mit erschreckend hohem Tempo. „Was zur Hölle soll Scheiß?“ murmele ich fassungslos, als der Fahrer in Schlangenlinien die enge Straße runterschießt. Ich kapiere die Situation gerade überhaupt nicht. Das Gehirn ist nicht in der Lage zu begreifen, was sich da vor den Augen abspielt. Noch weniger, als der Hänger unkontrolliert zu schleudern beginnt. Der Kopf malt Horrorszenarien aus, die der Verstand rational mit „ach was, das KANN nicht passieren“ abbügelt. Ein Trugschluss…

Das Fahrzeug fährt im Affenzahn geradeaus in die Kurve und kracht samt Hänger mit voller Wucht gegen einen massiven Holz-Strommasten. Gelähmt vor Schock sitzen wir im Auto und sehen machtlos zu. Bis uns in Zeitlupe der vordere Strommasten entgegenkommt. Unglaublich, was binnen Sekundenbruchteilen im Gehirn abläuft und wie viel Informationen abgespult werden. Entsetzt starren wir den Masten an, der halb über der Straße vor uns hängenbleibt. Alles ist völlig surreal und dringt gar nicht zu mir durch. Janine schmeißt mir den Autoschlüssel entgegen, schreit „wähl den Notruf“ und rennt im strömenden Regen zur Unfallstelle. Ich kenne nicht einmal die hiesige Notrufnummer, wird mir klar. Barfuß und nur mit Bikini bekleidet, laufe ich zu dem Auto hinter mir, trommele an die Fahrerscheibe und gestikuliere dem Mann, anzurufen. Er hat bereits das Handy am Ohr und nickt. Ich renne die Straße runter. Registriere die Ölflecken, die regenbogenfarben auf dem Asphalt leuchten, während der Kopf parallel warnt, nicht mit nackten Füßen in die Scherben zu treten, die überall rumliegen. Ich sehe das blanke Entsetzen in Janines Gesicht, die bei dem Fahrer steht, der rücklings auf der Straße liegt. Blut. Verzweiflung. Und dann ein Moment der Hoffnung, als er sein Bein bewegt. Er lebt! Umso verstörender, als ich den Blutstrom registriere, der unter seinem Kopf auf die Straße fließt. Es kommen weitere Männer zur Hilfe. Mein Blick fällt auf das Fahrzeug, dass im Graben in der Kurve liegt, der umgekippte Hänger. Der Fahrer wurde mit der Windschutzscheibe aus dem Auto auf den Asphalt geschleudert. Die ganze Situation ist so krank! Es schüttet noch immer wie aus Eimern, ohne Schuhe an den Füßen und nur im Bikini fange ich an, die zerbrochenen Scherben und schweren Steine von der Straße wegzuräumen, Platz zu schaffen für einen Rettungswagen, sollte einer kommen. Ein Mann läuft auf mich zu, ruft hektisch was auf Französisch und deutet zum Strommast.

Von oben fahren Autos an uns und dem Verunfallten vorbei, der noch immer auf der Straße liegt. Einheimische knien neben ihm, halten einen Regenschirm über ihn. Ich begreife noch immer nicht. Janine kommt, sagt, dass von unten gerade die ganze Straße gesperrt wird und wir nicht mehr wegkämen, wenn wir jetzt nicht fahren. Da die Hauptverkehrsstraße ins Hinterland vollgesperrt ist, ist dies momentan tatsächlich unsere einzige Möglichkeit nach La Gaulette zurückzukommen. Wir wissen nicht was wir tun sollen, ob wir gehen können. Wir können allerdings auch keine Hilfe beitragen. Ich starre wieder auf den Strommast, der bedrohlich vor unserem Auto hängt. So viel Chaos im Kopf. Nass und völlig fertig steigen wir ein. Die Autos, die hinter uns hielten fahren nacheinander vorbei. Von unten kommt bereits Gegenverkehr. Wir fühlen uns beschissen, als auch wir wegfahren. Im Auto erzählt Janine, am ganzen Körper zitternd, dass sie versucht habe, mit dem Mann zu reden, ihn zu beruhigen. Er war nicht ansprechbar. Ich will nicht daran denken, dass er das nicht überleben wird. Wir sind schon eine ganze Weile unterwegs, als uns ein Polizeiauto entgegenkommt. Ob es tatsächlich zu dem Unfall fährt, wissen wir nicht. Von einem Rettungswagen ist weit und breit nichts zu sehen. Unterwegs wurden bereits Steine und Erdklumpen der Hänge auf die kurvige Straße gespült. Der Regen hört nicht auf. Zitternd umfahren wir die Brocken, die Teile der Straße nahezu unpassierbar machen. Die Angst begleitet uns bis zu unserer Unterkunft.

Als wir aussteigen nehme ich Janine in den Arm und drücke sie an mich. Ich bekomme die Bilder nicht aus meinem Kopf. Sehe diesen Menschen auf der Straße liegen, sein Gesicht, all das Blut, sehe meine nackten Füße in den Ölpfützen, den geschockten Blick von Janine… „Wir leben noch“, flüstere ich. „Was eben passiert ist, ist unfassbar schrecklich. Ich schäme mich, das in diesem Zusammenhang zu sagen, aber wir hatten wahnsinniges Glück. Das hätte auch für uns anders ausgehen können, aber wir leben noch.“ Janine nickt, drückt mich zitternd. Eine heiße Dusche, einen starken Kaffee und ein langes Gespräch später, sind wir gefasster. Haben die Situation beredet, immer und immer alles durchgekaut, uns gegenseitig erzählt, was wir gesehen haben, was uns ängstigte. Der Film im Kopf bleibt, läuft im Hintergrund in Endlossschleife. Es bleibt aber auch die Dankbarkeit für unsere Leben. Und das Bewusstsein, wie schnell es von einer auf die andere Sekunde zu Ende sein kann. Der heutige Tag hat einiges in uns verändert, eine große Traurigkeit hinterlassen und wird noch sehr lange nachhallen. Das Leben läuft ungefragt weiter, es gibt keine Stop- oder Pausetaste. Wir leben weiter und machen weiter. Es ändert nichts an dem IST, ob wir lachen, weinen oder verzweifeln. Fröhlich und ausgelassen geht heute nicht, zu viele Gedanken kreisen durchs Hirn. Die Frage, ob der Mann überlebt hat, beantwortet uns niemand…

Noch mehr Wasser – Rochester Fall

4. März – Der gestrige Abend ging mit langen Gesprächen und Rommeezocken bis tief in die Nacht. Um 2 Uhr beschlich Janine plötzlich das dringende – mir unerklärliche – Bedürfnis, sehr ausführlich über den Unterschied zwischen „sure“ und „of course“ zu philosophieren. Möglicherweise hatte der Rum da seine Promille im Spiel. Entsprechend spät kommen wir heute früh in die Pötte. Die Trekkingschuhe sind eh noch nass, Survivalwandern ist daher nicht drin. Ne leichte Tour zu den Rochester Falls hingegen schon.

Lange Sommernächte, lange Gespräche

Unser Auto stinkt, als würde seit Wochen ein toter Iltis drin gammeln. Obwohl wir am Morgen alle Türen zum (vergeblichen) Trocknen aufgerissen hatten. Wir tuckern Richtung Souillac nach Surinam (auf bewässerten Sitzen) und suchen an der Straße das handgeschriebene Schild, das zu den Rochester Falls lotsen soll. Wir werden fündig und folgen der Beschilderung bis in die Zuckerrohrfelder. Riesige Pfützen stehen zwischen den Feldern. Sollte es etwa geregnet haben?!

Regenpfützen in Swimmingpool-Ausmaßen

Wir laufen einen knappen Kilometer und erreichen den Wasserfall. Zwei einheimische Männer stehen mit ihrem Pickup am Ufer. Hochengagiert kommt der eine Local zu uns und zeigt uns eine Strippe, die oberhalb des Wasserfalls über den Fluss gespannt ist. Er bequatscht uns so lange, bis wir ihm ins Wasser folgen. Wir stehen mal wieder knietief mit Sack und Pack auf arschglatten Steinen, während die Strömung an den Beinen zerrt und uns fast aus dem Gleichgewicht bringt. Keine fünf Meter weiter tost der Wasserfall rund zehn Meter in die Tiefe. In der Mitte wird der Fluss noch tiefer, wir wollen nicht weiter. Helferlein mag unser „No“ nicht hören, blubbert mehr als der Wasserfall und streckt fordernd seine stützene Hand aus.

Sein jüngerer Begleiter klettert unterdessen munter in die Krone eines hohen Baumes und stürzt sich mit Harakiri-Salto kopfüber den Wasserfall runter. Wir stehen sprachlos im Wasser, als sein Körper an uns in die Tiefe vorbeifliegt. Diese Akrobatik macht er in Endlosschleife; Felsen raufklettern, äffchenähnlich den Baum hinauf und Bruchpilot in den Tümpel. Macht er offensichtlich nicht zum ersten Mal. Und wir Weicheier fiepen oben im Fluss rum. Aber nach der Aktion gestern reicht es uns einfach. Gucken ist genug Abenteuer heute. Unser Animateur hat irgendwann auch kapiert, dass unser „no“ doch nicht „heijo, na klar“ heißt, und entlässt uns unverständlich zurück ans Ufer.

Bereit zum Absprung aus der Baumkrone
Rochester Falls, viele kommen zum baden hierher

Die Rochester Falls sind ein beliebtes Touri-Ziel. Von allen Seiten kommen weitere Leute. Allmählich wird’s voll. Die beiden Wasserfallbeauftragten haben alle Hände voll zu tun, jetzt wo wir nicht mehr im Fokus sind (wobei Le Monsieur noch einige Male probiert, uns ins Wasser zu quatschen) und kredenzen den Besuchern Trinkkokosnüsse, Obstteller und stürzen weiter vom Baum. Wir lümmeln noch kurz am Ufer rum, lassen uns von Moskitos zerstechen und ziehen von Dannen.

Fazit: Ganz nett wenn man in der Ecke ist, uns hat der Rochester Fall aber nicht so gepackt. Mauritius hat wesentlich lohnendere Ziele!

La roche qui pleure – der Jammerfelsen

Nächster Programmpunkt! Wir fahren weiter nach Le Gris-Gris, zum „la roche qui pleure.“ Der heulende Felsen. Oder wie ich ihn nenne, der Mimimi-Gesteins-Pienzer. Pienzt aber gar nicht, als wir kommen. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass hier grad Regenzeit ist? Jahaaa, unglaublich! Als wir unsere stinkende Zauberschüssel am Parkplatz abstellen, regnet es wundersamer Weise aber nicht. Dafür hat’s viel Wind. Ne steife aber warme Brise im Haar und sensationelle Weitblicke belohnen unseren Fußmarsch oberhalb der Küste zum Heul-Brocken. Wir lauschen gespannt und hören – nichts! Nur lautes Wellentosen. Der Felsen schweigt. Weder Geheule noch Gejammer. Dafür nieselt es endlich. Wir laufen weiter, es regnet leicht. Im Schutz der Bäume latschen wir im Wald weiter. Die Tropfen werden dicker. Das kennen wir schon! Gleich kommt wieder die Badewanne von oben. Ein Blick gen Himmel bestätigt: „Flieht, ihr Narren!“ Wir rennen und zeitgleich zieht der Chef oben den Stöpsel seiner Welt-Badewanne. Wir kommen halbdurchweicht unter dem Vordach eines Klosters an und richten uns erstmal häuslich ein. Wenns mal wieder länger dauert…

Ocean-Vibes in Le Gris-Gris
La roche qui pleure, der weinende Felsen
Tagtäglich aufs Neue beeindruckt
Die Küste lädt zum Wandern ein

Während wir antrocknen und sich das Meer von oben statt von unten über Mauritius ergießt, ergötzen sich hungrige Moskitos an unserem Body-Buffet. Ich klatsche jede platt, die ich kriege. Mit Blutstropfen an den Fingern – Mahnmal meines erfolgreichen Kreuzzuges – linse ich scheinheilig in die Gebetshalle hinter mir und auf das Abbild einer Nonne in Öl. Also Ölfarbe, nicht Olivenöl. Unbeeindruckt verübe ich weiter Vendetta an den Drecksviechern. Scheiß aufs Karma! Die Halle füllt sich mit religiösen Pilgern, auf französisch wird eine Messe verlesen. Die lustige Ironie mal wieder. Das Heidekind hätt keinen geeigneteren Trockenplatz finden können. Übrigens bedeutet Regenzeit, der Regen hat Zeit! Nämlich 20 Minuten und 546 Seiten im Gebetsbuch lang.

Regenzeit oder wenn das Meer von oben kommt…

Als die Sonne endlich rauskommt, beginnt rundum alles zu dampfen! Könnt mal eben jemand das Honig-Salz-Peeling zum Saunaaufguss reichen? Wir eilen zurück zum Auto, bevor der nächste Regen kommt. Die Kiste stinkt leider noch immer… kann nicht trocknen, bei 100% Luftfeuchtigkeit.

Es gibt sie noch, die Sonne!
Die nasse Stinkeschüssel
Weiterfahrt nach Bel Ombre

Wir machen zum Abschluss einen Abstecher zum Strand von Bel Ombre und verdüdeln dort den späten Nachmittag bevor wir zurück nach La Gaulette düsen, um den Tag ausklingen zu lassen.

Kleine Joggingrunde am Strand von Bel Ombre
Tagesausklang auf unserem Balkon

Das Leben macht niemals Pause und kann auch im Paradies mit voller Härte zuschlagen, was uns auf schreckliche Weise wieder ins Gedächtnis getrümmert wurde. Wundervolle Bilder im Kopf mussten Bildern des Schreckens und dem Gefühl der Hilflosigkeit Platz machen. Dennoch geht es weiter. Immer… Noch mehr Wanderungen, noch mehr atemberaubende Natur und neue Abenteuer hält Mauritius für uns parat. Mehr davon erzähle ich euch schon bald im nächsten Bericht.

Dieser Beitrag kann unbeauftragte und unbezahlte Werbung enthalten. Als unbeauftragte Werbung gilt die Erwähnung oder Empfehlung von Produkten, Marken und Leistungen jeglicher Art.

Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 4: Pure Glückseligkeit, Wasserfälle und Siebenfarbene Erde

18. Juni 2022

Ab sofort wird im Doppelpack weitergereist. Quasi geballtes Entertainment. Wer den Anschluss verpasst hat, kann die erste Mauritius-Woche hier unter Teil 1, den Teil 2 hier und Teil 3 hier nochmals nachlesen.

28. Februar 2022 – Yippieh, Gesellschaft! Meine äußerst geschätzte, überaus kompatible und langjährig bewährte Reisegefährtin, the one and only Janine, ist im Landeanflug und wird in Kürze bei mir im Hostel in Mahébourg ankommen. Das nenn ich wahre Freundschaft, wenn Herzensmenschen um die halbe Welt fliegen, um mit dir zu reisen! Okay, das Domizil ist ebenfalls ziemlich bestechend.

Ab heute sind wir auch mobil und somit flexibler unterwegs. Die helfend bemühten Männers vom Hostel haben uns nämlich einen Mietwagen organisiert. Über die Locals hier wesentlich günstiger, als von Deutschland aus. Pünktlich um 10 Uhr kommt der Autoverleih-Jüngling mit der kleinen roten Schüssel angedüst und macht die Einführung und Übergabe. Welch erheiterndes Unterfangen. Wir hocken im Auto und beömmeln uns wegen diverser Ulkigkeiten (er erzählt von seiner Freundin in Bayern), als ein Taxi vorfährt und Janine ausliefert. Nach ausgiebigem Freudentaumel und Begrüßungsrausch beenden wir noch schnell die Mietwagenübergabe (inklusive Handynummer des fluffigen Auto-Dealers) und ernennen Janine offiziell als Fahrerin. Im Hostel ausgecheckt, unser Gepäck ins Auto geschmissen und ab nach La Gaulette. Dort haben wir eine vorzeigbare Ferienwohnung gebucht, in der wir ab heute für die kommenden zwei Wochen residieren werden.

Straßenverkehrsordnung à la Mauritius

Mauritius ist gerade mal ca. 61 Kilometer lang und 46 Kilometer breit. Klingt nach sehr kurzen Distanzen, die man schnell zurücklegt. Ganz so einfach isses allerdings nicht. Selbst für wenige Kilometer braucht man Zeit. Viele Straßen sind schmal, ins Hinterland hinein sehr serpentinenreich und steil und die Fahrten sind oftmals eine Herausforderung. Sei es, weil es schüttet wie aus Eimern und man kaum noch was sieht, Hänge sich auflösen und auf die Straßen rutschen, die Fahrzeuge nicht unbedingt im allergeilsten Zustand sind (eher Gefahr als Gefährt), Hunde gemütlich über die Fahrbahn trotteln oder irgendwo mal wieder irgendwer willkürlich mitten im Weg stehenbleibt. Auch zum Plaudern oder um einen Snack einzukaufen, bleibt man gerne mal auf der Straße mit der Kiste stehen. Dafür wird oft und viel gehupt; um Verkehrsteilnehmer zu warnen, um Unmut kundzutun, um Passanten, die mangels Bürgersteigen am Straßenrand rumlatschen auf sich aufmerksam zu machen oder weil Hupen zum guten Ton gehört.

Auf dem Weg nach La Gaulette entlang der Küste, im Hintergrund der Berg Le Morne

Wir müssen zuerst das Spaßmobil betanken. Also im Linksverkehr zur nächsten Tanke und die Schüssel füllen lassen. Macht man hier nämlich nicht selbst. Von Mahébourg zu unserem Domizil, dem „Pingo Studio“, nach La Gaulette sind es rund 65 Kilometer. Wir brauchen dafür tatsächlich fast eineinhalb Stunden, was nicht an der souveränen Fahrweise von Navigator-Janine liegt (ich unterstütze selbstredend tatkräftig, indem ich nervende Piepgeräusche von mir gebe, sobald sie zu nah zur linken Straßenseite driftet). Die Hauptverbindungsstraße von der linken zur rechten Inselseite ist gesperrt, daher dürfen wir über die Küstenstraße einmal komplett „untenrum“ gurken. Landschaftlich hübsch, aber im ungewohnten Linksverkehr, nicht vorhandener Servolenkung und diverser widriger Umstände ein mühsames Unterfangen.

Wohntraum in La Gaulette

Ben, der Eigentümer des Apartements, begrüßt uns freundlich vor der Tür. Die Begehung bestätigt sofort, die Fotos haben nicht gelogen. Das Pingo-Studio ist ein überaus sauberes, heimeliges Schmuckstück. Wir haben eine Küche mit Gasherd, großem Kühlschrank, Klimaanlage, ein sehr geräumiges Bad und eine schöne Terrasse mit Meerblick und vielen Palmen. Wir fühlen uns sofort pudelwohl. Das Auto parkt in der eigenen Einfahrt des Grundstücks, das ganze Haus ist mit Rolltor und Mauer von der Straße rundum sicher abgeschirmt. Auf dem Grundstück stehen riesige Palmen, drei weitere Wohnungen gehören zu dem Haus. Vorerst sind wir aber alleine. Voll die Bachelor-Villa, nur ohne Bachelor und ohne Zickenkrieg. Herrlich!

Unsere Unterkunft in La Gaulette, Pingo Studio
Der Blick von unserem Balkon ist unbezahlbar
Und drumrum ist auch viel Platz
Auf gesunder Einkaufstour in La Gaulette

Wir packen aus und stellen erst mal die kulinarische und getränketechnische Versorgung der kommenden Tage sicher, indem wir den nahegelegenen Supermarkt plündern und lecki Wassermelone am Straßenobststand kaufen. Wie schnell doch ein so großer Kühlschrank voll ist, wenn man allerlei Sorten Säfte, Wasser und Rum reinpackt. Lokalen selbstverständlich. Wegen der Nachhaltigkeit und man sollte als guter Tourist ja auch die traditionellen Wirtschaftszweige und alteingesessenen Industrien fördern. Wo wir grad bei Tradition sind; die wird mit dem obligatorischen Mittags-Roti aufrecht erhalten.

Salz auf der Haut und Sand zwischen den Zehen

Strandfein gemacht, Geraffel gepackt und mit dem roten Spaßmobil zum benachbarten Strand Le Morne gedüst. Es ist schon früher Nachmittag und Janine hat einen langen Flug in den Knochen. Heut wird nur noch gechillt, Sandkörner zwischen den Zehen zerrieben, im Meer geplantscht und mit offenem Mund auf den wahnsinns Trümmer von Berg (den Le Morne, mein neues Projekt) geglotzt. Ist das schön hier! Die Sonne brutzelt, das Meer glitzert, das Wasser ist badewannenwarm und kristallklar und wir vergnügen uns auf höchstem Euphorielevel darin rum. Janine fasst den Zustand höchst treffend mit zwei Wörtern zusammen: PURE GLÜCKSELIGKEIT! Das ist es in der Tat und wird zum Reisemotto!

Schwer beeindruckt stehe ich vom Le Morne Brabant. Da will ich rauf!
Endlos langer Sandstrand bei Le Morne

Wandernd auf Entdeckungstour

1. März 2022 – Nachdem wir am Abend äußerst selbstlos und ergiebig die lokale Rumindustrie unterstützten und ich ein kleines Bob Marley-Gedächtnis-OpenAir auf unserem Balkon vor undankbarem, weil nicht vorhandenem Publikum gegeben habe, kommt der Schlaf erneut zu kurz. Um sieben Uhr kräht der innere Hahn und sucht den frühen Wurm, oder wie auch immer. Den ertränk ich gleich mal im Kaffee.

Morgenkaffee zwischen Palmen

Bei subtropischer Hitze, enormer Luftfeuchtigkeit und strahlendem Sonnenschein traben wir in La Gaulette los. Zunächst geht es durch die Straßen, dann biegt ein langer, steiler Weg ab. Anstieg durch die opulente Vegetation. Grün soweit das Auge reicht. Während wir uns den feuchten Wald raufwurschdeln, aus allen Poren flutend, zerstören uns die Moskitos komplett. Ignorieren völlig das Repellent, das über Sonnenmilch und unter Schweiß den Körper stinkend verbabbt hat. Was stimmt mit den Drecksviechern nicht?! In sowas will doch keiner seinen Rüssel reintunken! Unsere Beine sehen aus, als hätten sie hochgradige Beulenpest. Dafür entschädigt wieder einmal der grandiose Weitblick über den leuchtend blauen Ozean. Aufstiegsmühen zahlen sich immer aus.

Auf Wanderschaft die Schönheiten der Insel erkunden
Je höher wir kommen, desto herrlicher wird der Blick
Wolken hängen in der Krone des Le Morne

Jetzt wird’s bunt – Naturspektakel Siebenfarbige Erde

Munter lassen wir uns nichtsahnend von komoot weiterlotsen und kommen ganz überraschend zu DER Attraktion von Chamarel: Der siebenfarbigen Erde (hier Terres de Sept Coleurs genannt). Die stand auch auf der To-Do-Liste, dass wir den Punkt heute abhaken würden, hatten wir nicht auf dem Schirm. Am Kassenhäußchen zahlen wir den Eintritt, der gleichzeitig auch für den bekannten Wasserfall von Chamarel gilt, der hier auch in der Nähe ist. Ein Ticket bekommen wir nicht, weil hier bloß die Eintrittskontrolle sei und die Tickets einige Kilometer entfernt – wo auch immer – gekauft werden müssten. Blöd, ohne Auto. Aus reiner Guthaftigkeit kommt man uns entgegen, indem man uns hier unbürokratisch abkassiert und Zutritt gewährt. Die etwas mürrische Dame verspricht, die Einlass-Stelle am Wasserfall anzufunken, damit man uns dort ohne Ticket reinlässt. Na dann, wenn’s so läuft… mangels besserer Alternative lassen wir uns auf den Deal ein.

Siebenfarbige Erde
Faszinierendes Farbenspiel

Wir betreten das Areal und staunen nicht schlecht. Hinter einer Umzäunung liegen bunte aufgeschüttete Sandhügel, so der laienhafte Animateur (ich). Das klügere Wikipedia erklärt, dass die Hügellandschaft – wie ganz Mauritius – vulkanischen Ursprung hat und die Farben durch die Umwandlung von Basaltlava in Tonminerale kommen. Die tropische Verwitterung hat die wasserlöslichen Bestandteile weggespült und das übriggebliebene Lavagestein in einer beeindruckenden Farbpalette von rötlich-braun, schwarz, violettblau bis blaugrün erschaffen. Sieht wirklich toll aus. Ein kleines Schildkrötengehege mit Riesenschildkröten gibt es auch noch, ist aber unspektakulär. Wir ziehen weiter zum nächsten Highlight unserer Surprise-Wandertour.

In Chamarel rauscht ein Wasserfall

Nach zwei, drei weiteren Kilometern erreichen wir das nächste Naturschauspiel von Chamarel: Den großen Wasserfall. Das mit dem Einlass war auch gar kein Thema, es gab nämlich keine Kontrolle. Knappe 100 Meter stürzen die Wassermassen von einem riesigen Felsplateau mit unbändiger Wucht in die Tiefe! Sattgrüne Bäume umrahmen das grandiose Bild. Nah ran kommen wir nicht, können den Wasserfall aber von zwei guten Aussichtsplattformen gegenüberliegend bewundern. Kleiner Spoiler: Das wird nicht unser letzter Wasserfall bleiben, davon hat’s auf Mauritius nämlich unzählige!

Chamarel Wasserfall

Auf dem weiteren Weg durch den Geopark passieren wir zu eine Kaffeeplantage. Ach das wär was, wenn ich die Beißerchen in die grünen Bohnen tackern tät und mein Kadaver in der Lage wäre, diese postwendend in das duftende Lieblingsgebräu umzuwandeln! Kann er bedauerlicherweise nicht, Kaffee muss warten. Vor uns liegen noch rund 10 Kilometer. Kommt aber mal wieder anders als geplant. Hab ich schon erwähnt, dass Pläne völlig überbewertet werden?

Weiter durch das Bergdörfchen treffen wir auf einen Roti-Stand. Die Chance wird genutzt, wir lassen uns die pikanten Teigfladen für später einpacken. Sehr viel weiter kommen wir allerdings gar nicht, da die Hauptstraße zwischen Chamarel und La Gaulette wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Wussten wir. Als Wanderer kein Problem. Dachten wir. Nachdem wir den kuschlig glühenden Asphalt ein gutes Stück bergab geflatscht sind (die Straßensperrung ignorierend), informiert uns ein umkehrender Autofahrer, dass auch Fußgänger nicht durchkommen. Wir tauschen ungläubige Blicke. Wir sollen jetzt ALLES zurück? Ähh danke, nö! Ein weiteres Auto hält neben uns an. Das einheimische Paar guckt fragend. Wir weisen auf die Vollsperrung hin und schildern unsere missliche Lage. Die beiden sind auf dem Weg nach Port Louis und müssen dafür durch La Gaulette durch. Wir könnten mitfahren, kein Problem. Überschwänglich dankend steigen wir ein und werden nach rund 30 minütiger Fahrt an unserem Auto ausgeladen. Unsere Wanderung endet nach gut 13 Kilometern somit zwar deutlich früher als erwartet aber zum Glück nicht so umwegweit wie kurz befürchtet. Was haben wir aber auch ein Dusel!

Jackfrüchte wachsen an Bäumen am Wegesrand

Wer sich für den genauen Wegeverlauf, weitere Fotos und die Koordinaten der Tour interessiert, findet sie unter den gemachten Touren bei komoot: https://www.komoot.de/tour/798597145?ref=aso

Meeresrauschen zum Tagesausklang

Es ist noch bissi Tag übrig und wie könnte man den nach Wanderfreuden besser nutzen als mit Füße im Sand? Ab ans Meer! Diesmal zum Strand unterhalb von Tamarin. Auf Mauritius ist heute Feiertag, entsprechend viel ist los. Mit unseren Wanderhosen und Trailschuhen entsprechen wir nicht dem klassischen Strandbild der Badenixen.

Am Strand bei Tamarin; es kündigt sich schon wieder Regen an

Wir werden darauf von einem Einheimischen angesprochen, der Guide für Wandertouren auf der Insel ist. Er erwähnt, dass er auch schon in Deutschland war. Ja ja, natürlich. Das erzählen sie ja alle. Immer. Die klassische Story über die Freundin in Deutschland. Tatsächlich zieht auch er die Deutschland-Ex-Freundinnen-Karte. Logo. Als er jedoch den Wohnort der Verflossenen nennt, wird die Geschichte spontan überzeugend: Saarbrücken! Der arme Tropf war von ganz Deutschland ausgerechnet im Saarland! By the way; ich als Saarlandflüchtling darf das sagen. Muss ihn prompt fragen, ob er Saarländisch kann. Kann er nicht, gibt er lachend zu. Dafür zeigt er Beweisfotos der Bierflasche einer heimischen Brauerei in einer St. Ingberter Kneipe. Der legendäre Saarland-Magnetismus, man entkommt ihm nicht einmal auf Mauritius 😉

Ich löchere ihn noch mit ein paar Fragen zu unseren anderen geplanten Touren, woraufhin er uns anbietet, uns morgen einer Tour zu den Tamarind Falls anschließen zu können. Man kann gerade nur tagesaktuell planen, die Regenzeit macht alles etwas knifflig. So tauschen wir Kontaktdaten aus, um uns am Morgen spontan kurzzuschließen, bevor er sich von uns verabschiedet. Auch wir machen uns auf den Weg zurück zum Auto, die nächste Regenfront steht schon am Himmel in den Startlöchern. Das wirklich Verlässliche hier ist der Regen. Und die Moskitos! Okay, der Rum auch.

Tagesausklang mit erfrischender Rum-Mixtur Marke Eigenbau

Was am nächsten Tag auf dem Programm steht, welch faszinierenden Naturwunder Mauritius noch so auf Lager hat und von einem tragischen Erlebnis, auf das wir lieber verzichtet hätten, erzähle ich euch bald schon im nächsten Teil.

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Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 3: Rettungs-Ranger für Notfälle und die Löwen-Besteigung

22. Mai 2022

Ohhhh prächtiges, wanderbares Mauritius! Du hast mein Herz im Gipfelsturm erobert!

26. Februar 2022 – Heut ist Wandertag! Latschen bis die Socken glühen, bei der subtropischen Hitze schon sitzend im Bus der Fall. Seit 5 Tagen treibe ich auf der Insel mein Unwesen. Nach beschwerlichem Anreise-Entertainment (hier der Bericht zum Nachlesen) waren die ersten Tage zwar weniger actionreich, dennoch sehr unterhaltsam (und noch mehr Lesefutter da).

Die güldene Morgenstund kredenzt kuschlige 28 Grad zum Kaffee. Betriebstemperatur, der Kadaver frohlockt. Bin gutgelaunt, hochmotiviert und voller Tatendrang!

Kaffee mit Meerblick und Sonne – so sollte jeder Tag starten

Ich konnte ein paar Stunden Schlaf ergattern und hatte tatsächlich eine Nacht, die den Namen verdient! Scheinbar hatten selbst die Moskitos keinen freien Platz mehr an meinem Körper-Buffet gefunden. Rasch das Notwendige zusammengepackt, Abstecher zum Markt um die Mittagspausen-Verpflegung sicherzustellen (Roti, what else) und direktomundo zum Busbahnhof.

Unterwegs im Valleé de Ferney – Open Ferney Trail

Der Bus schmeißt mich nach knapp 20 Minuten Fahrt am Eingang des Vallée de Ferney raus. Das private Landschaftsschutzgebiet ist über 3.100 Hektar groß und liegt, mit Blick auf die Bucht von Mahébourg, am Fuße des Löwenbergs, dem Montagne du Lion. Die letzten endemischen Wälder der Insel sind dort beheimatet. Soviel zum botanischen Teil.

Mit dem Bus zum Vallée de Ferney, im Hintergrund der Montagne du Lion
Eingang ins Wanderparadies

Eine Palmenallee umrahmt die Straße zum Bürogebäude mit der Rezeption. Bei einer freundlichen Mitarbeiterin zahle ich die Eintrittsgebühr (gut investierte 8,- Euro) und verkünde strahlend meine Mission „Hiking!“ Ich erkundige mich nach den möglichen Trails. Auf die Frage, ob ich den 20 Kilometer langen Open Ferney Trail laufen wolle und ob ich alleine unterwegs sei, nicke ich eifrig. Die nette Madame führt mich zur Schautafel vor der Tür und erläutert: Blaue Markierung 5 Kilometer Trail, gelbe 13 und rote 20 Kilometer. Hirn ausschalten und einfach den farbigen Holzpflöcken nachlaufen, super beschildert. So so. Aber wenn ich doch „lost“ gehe, frage ich skeptisch? Dann könne ich einfach bei ihr im Büro anrufen und ein Ranger eile zur Rettung. Mit dem Plan lässt sich’s arbeiten. Auch wenn mich die angegebenen 970 Höhenmeter bei den Temperaturen etwas zucken lassen.

Hier starten geniale Trails
Erst registrieren und Eintritt zahlen, dann auf ins Wandervergnügen
Die Trails sind idiotensicher markiert

Alla gut, nochmal alle aufs Klo, dann reiten wir los. Ich starte alles an Technik was ich besitze (Garmin und komoot) und stiefele entschlossen los. Im Kopf verteile ich parallel die Kilometer auf die Zeit und plane vorfreudig mein Futter-Roti dazwischen ein. Die Kulinarik soll auch in der Flora und Fauna nicht zu kurz kommen.

Einlaufen auf dem Open Ferney Trail
Gelber, blauer, roter Weg, ich folge der roten Markierung in Richtung graue Wolken…
während der Himmel hinter mir sonnig und blau ist
Grün in allen Varianten, so weit das Auge blickt

Ich kann wirklich nicht gebührend in Worte fassen, was sich meinen Augen, Ohren und der Nase auf den 20 Kilometern bietet! Immer wieder gibt es unterwegs Viewpoints, auf die man steigen kann. Gerne würde ich die Gerüche so erklären, dass ihr riecht was ich schreib. Von blumig-süßlich über kräuterig-würzig, erdig-muffelnd, es ist alles dabei. Untermalt wird dies von einer Geräuschkulisse, die sich ebenso kaum schildern lässt: Extrem lautes Zikadengezirpe, dann ad hoc Stille als lege der Tinnitus Pause ein. Durch den Dschungelurwaldvogelsound dringt irgendwann ein großes Geräusch aus dem Wald. Ja, es gibt „große“ Geräusche. Kleines Geräusch isses, wenn ein Vogel durch die Blätter flattert. Das hier klingt, als würde ein unsichtbares Mammut Limbo unter Baumstämmen tanzen. Gespannt spähe ich in die Wallachei, kann aber nichts herausfinden. Wenig später schrecke ich einen riesigen Rehbock (oder was auch immer das ist) auf, der sofort flüchtet. Vielleicht war er der Verursacher.

Zu Beginn führt der Trail an beschaulichen Hütten vorbei
Hier entlang führt nur die große Runde – Open Ferney Trail
Nach unzähligen tristen Winterwanderungen gibt’s endlich knallende Farben auf die Augen
Es raschelt im Gebüsch. Was könnte das sein?

Das Wetter ist maximal flexibel: Sengende Hitze, Wolken mit Wind, warme Regenschauer, dann wieder Sonne, ständig abwechselnd. Der Trail führt über sandbraune breite Pfade, kleine Bäche, durch tiefen Mappel und Pfützen, über Steine, durch Palmenhaine und Wiesen. Vielseitiger geht kaum! Damit’s nicht langweilig wird, kommen immer wieder knackige und schweißtreibende Anstiege. Irgendwo müssen die Höhenmeter ja herkommen.

Durch hüfthohes Gras stapfe ich die Wiese hinauf. Ich fühle mich wie ein Ackergaul, weil die Drecksfliegen ununterbrochen versuchen, mir in die Augen und Ohren zu fliegen, während die Sonne unermüdlich auf mich bruzelt. Ich bin eine wandelnde Getränkebar mit Flatratesaufen für Mücken. Boah ist das nervig. Wie soll man sich denn so auf die herrliche Gegend konzentrieren?! Schutzsuchend rudere ich mit verzweifelten Taiji-Bewegungen vorm Gesicht herum. Selbst für die Sonnenbrille isses zu heiß. Alles muss raus ausm Gesicht!

Aussichtspunkte mit viel Ausgugg in atemberaubende Landschaft

Und dann – nach einem eeeewigen Anstieg – der Lohn der Plackerei: MEER!!! Oberste Eskalationsstufe auf der Richterskala der ungefilterten Freude! Wer würde auch Meer erwarten, auf einer Insel…

Meer finden und ausflippen vor Freude
Pures Wanderglück, was will Frau Me(e)hr?!

Super Zeitmanagement, trotz ausgiebigen Fotosessions komme ich passabel voran. Um 16:30 Uhr muss ich nämlich zurück sein, der Park schließt um 17 Uhr. So ein Mist, warum habe ich nicht den Ranger vorbesichtigt?! Vielleicht hätte es sich ja gelohnt, sich doch mal kurz zu verirren und vom braungebrannten, ansehnlichen Mauritiushelden in Nationalparkwanderuniform (sabber) retten zu lassen. Ärgerlich, meine Fahrlässigkeit. Allerdings müsste Retter-Ranger auf Dummheit stehen, um bei ihm zu landen. Wer sich bei diesen idiotensicheren Markierungen verläuft, ist wahrlich die personifizierte Lebensunfähigkeit! Der Ranger ist bestimmt alt, fürchterlich usselich und hat nen Bierbauch, rede ich mir meine Inaugenscheinnehm-Schludrigkeit schön, während ich mir zufrieden nach 16 Kilometern das verdiente und überaus schmackhafte Roti einverleibe.

Weltbeste Wanderverpflegung, lecker scharfes Roti

Am Ende brauche ich für den Trail keine 5 Stunden, obwohl ich teils ziemlich langsam bin, weil es entweder sau steil oder sehr rutschig ist. Oder das Gras zu hoch (muss mich grad selbst auslachen, bei all dem mimimi). Und ich muss dauernd stehen bleiben, um ganz irre viel das grandiose Panorama in mich aufzusaugen! Das Leben beginnt dort, wo die Zeit egal ist.

Man kann sich nicht sattsehen
20 grandiose Kilometer, die kaum abwechslungsreicher sein könnten

Die Höhenmeter fallen mit knapp 600 (sagt zumindest Garmin) deutlich geringer aus als erwartet. Technisch schwer (wie angepriesen) ist der Trail definitiv nicht, konditionell anspruchsvoll und nicht ganz unanstregend hingegen schon. Und sehr, sehr abwechslungsreich. Die Temperaturen und die enorm hohe Luftfeuchtigkeit sind nicht zu unterschätzen. Es gibt unterwegs keine Versorgungsmöglichkeiten, weswegen man ausreichend Flüssigkeit (und Roti) mitnehmen muss.

Die letzten Kilometer laufen alle 3 Trails wieder zusammen

Verstochen, verschlammt, Sonnenmilch-Moskitospray-schweißverbabbt und die Strümpfe voller Kletten, stehe ich randvoll mit Endorphinen an der Rezeption. „Finished? You did the 20 Kilometer?“ strahlt mich die Park-Frau von heute Morgen an. Yes, I did it sowas von! Könnt ich grad vielleicht mal eben nen Blick auf den Ranger, ääähhh, lassen wir das.

Zurück am Verwaltungsgebäude
Vermatscht und voller Kletten

Ich streife noch kurz durch den Botanischen Garten nebenan und schlendere zur Haltestelle an der Hauptstraße. Der Bus kommt wohl alle 15-20 Minuten. Ich bin kaum da, kommt er schon angetuckert. Kurzes lässiges Winken (bin mittlerweile Profi-Busmitfahrerin) und er sammelt mich ein. Keine viertel Stunde später hock ich, glücklich ausgetobt, mit einem erfrischenden Ananas-Kokos-Getränk in Mahébourg. Wenn’s läuft, läufts.

Kurzer Abstecher durch den Botanischen Garten
Bushaltestelle unter Palmen, da wartet man doch gerne

Die genaue Strecke mit vielen weiteren Fotos habe ich bei komoot getrackt. Wer es sich ansehen möchte findet hier die weitere Infos: https://www.komoot.de/tour/683839710?ref=aso

Sänk yuh for träwweling wiss public bus und Frühstück, die wichtigste Mahlhzeit des Tages

27. Februar 2022 – Letzte Nacht hat es ewig gedonnert und kräftig geschüttet. Uuuhhh, ich liebe Sommernachtgewitter!

Für heute steht der Montagne du Lion auf dem Plan. Seinen Namen hat der Berg, weil er aussieht wie ein liegender Löwe mit felsigem Kopf. Er gehört zum Grand Port Range Gebirge und liegt im Südosten, nicht weit weg von Mahébourg. Der Berg ist gerade mal 480 Meter hoch. Dennoch lautete die Empfehlung meines Hostel-Mann-für-alle-Fälle, um 6 Uhr zur Bergtour aufzubrechen. Kann mich so früh leider wegen massiver Bettanziehungskraft nicht aufraffen. Die Logik erschließt sich mir auch nicht ganz: Die gestrige Tour war fast viermal so weit mit mehr Höhenmetern. Vielleicht nicht ganz vergleichbar mit der Besteigung des Montagne du Lion, aber die Sonne hatte nicht minder geknallt. Alles eine Frage des Willens! Und ich will länger liegen. Dafür nehm ich schweißtreibendes UV-Gegrille in Kauf.

Die Empfehlung lautete streng genommen, den Lion nicht zu besteigen, weil es aktuell sehr matschig und absolut kein Vergnügen sei. Und wegen dem ganzen Matschgedöhns herrsche dort auch Moskito-Kriegsgebiet. Tatsächlich hat mich die Warnung grübeln lassen. Also Plan B, wieder eher „normal“ wandern. Ach, ich und Pläne… das will irgendwie nicht so recht passen. Der Löwe spukte mir schon daheim im Kopf rum und jetzt lechzen die Finger nach Felskontakt. Draufgeschissen! Ich fahr da mal hin und guck mir die Sache vor Ort an. Loslaufen, Eindruck verschaffen, notfalls kann man immer noch umdrehen. Es gibt nix zu verlieren.

Weil in der Ruhe bekanntlichermaßen die Kraft liegt, schiebe ich mir gemütlich Baguette mit Butter zwischen die Kiemen und kippe zwei anständige Pötte Kaffee hinterher. Minimalistisch Geraffel zusammenpacken und ab zum Bus. Bei Betreten des Busbahnhofs verabschieden sich wie durch Zauberhand Geduld und Ruhe. Ich will sofort los. Läuft aber nicht nach persönlicher Willkür. Nach einer gefühlten Unendlichkeit zockelt der Bus in Seelenruhe und Schrittgeschwindigkeit durch ganz Mahébourg. Der Fahrer braucht Frühstück. Er parkt mitten auf der Straße an einer Kreuzung, damit sein Kompagnon ihm am Straßenkiosk die kulinarische Bestellung organisiert.

Bloß keine Eile. Man kann auch an einer menschenleeren Haltestelle minutenlang parken und auf weitere vielleicht eintreffende Opfer, äh Fahrgäste warten. Niemand mag mit. Der Fahrer hat zwischenzeitlich fertig gespeist, die Kohlenhydrate sind in Energie umgewandelt. Hupe angeschmissen und ab dafür! Endlich. Jetzt schön das Pedal durchtreten, der Löwe ruft, ich muss da noch im Hellen hin.

Der Löwe brüllt – Besteigung des Montagne du Lion

Freundlicherweise werde ich auch heute wieder punktgenau rausgelassen, an der Polizeistation in Vieux Grand Port. Dem offiziellen Start der Tour. Der guten Ordnung halber trete ich in der Dienststelle an und gebe gesetzestreu Rapport über mein Vorhaben. Schadet nie, die Polizei zu involvieren. Spart später wertvolle Zeit beim Suchen, falls ich verschütt gehe. Ich lerne schließlich aus meinen Fehlern und nochmals passiert mir ein Fauxpas wie die verpasste Ranger-Rettung nicht! Die höfliche Polizistin freut sich für mich, intensiv interessiert ist sie allerdings nicht. Es wird zumindest nichts protokolliert. Sie zeigt hinter sich aus dem Fenster und erklärt, dort sei mein Weg.

Die Polizeistation in Vieux Grand Port, offizieller Start der Löwenbesteigung
Mitten durchs Leben der Einheimischen
Vorbei an ausrangierten Fahrzeugen
Der rote Pfeil weist den Weg durch die Zuckerrohrfelder

Eine schmale Teerstraße führt durch eine kleine, sehr ländliche Wohngegend, vorbei an ausgeschlachteten Fahrzeugen, Wellblechhütten und spartanischen Häusern. Souverän folge ich der roten Markierung. Anfangs nicht zu übersehen. Dann isse plötzlich weg und taucht nicht mehr auf. Ich hatte gelesen, dass die Tour mit lokalem Guide empfohlen wird, da die Markierung nicht durchgängig gegeben und die Wegeführung nicht immer eindeutig sei. Generell sei es aber alleine durchaus machbar, so die Männers meiner Hostelrezeption. Den Berg vor Augen, kämpfe ich mich durch die dichten Zuckerrohrfelder weiter auf dem vermeintlichen Weg. Ein prüfender Blick auf mapsme (funktioniert glücklicherweise offline) lässt erkennen, dass ich völlig vom Weg abgekommen bin. Nun wächst mir biologisch bestes Zuckerrohr über die Ohren und ich habe weder Rum noch Limetten, geschweige denn Eiswürfel für nen Caipirinha zur Hand. Das Leben kann so grausam sein. Nicht mal ne Machete hab ich einstecken. Meine Survivalfähigkeiten lassen zu wünschen übrig. Querfeldein arbeite ich mich durch das Dickicht, immer genau auf die Linie zulaufend, die im Handydisplay meinen Weg darstellt. Die Blätter zimmern mir ins Gesicht und zerkratzen meine Beine. Nach mühsamem Kampf taucht schließlich wieder die rote Markierung am Boden auf. Ich glänze nicht gerade mit Professionalität und die wirkliche Herausforderung kommt erst noch!

Das Zuckerrohr wächst mir über den Kopf und weder Rum noch Limetten zur Hand!

Der Pfad führt zum Rücken des Löwen und ich stoße auf Treppenstufen. Ich erinnere mich an die Beschreibung, dass es dort raufgeht. Um die 100 Stufen, genau genommen. Sieht spannend aus. Ist es auch. Es wird dschungeliger. Wieder mal keine Menschenseele in der Walachei unterwegs. Wie gestern. Lediglich in einziges Pärchen mit Führer (der mir zwinkernd „bon courage“ wünschte) kam mir zu Beginn auf dem Ferney Trail entgegen, ansonsten völlige Einsamkeit. Heute höre ich zumindest Stimmen. Also im Grunde wie daheim tagtäglich.

Endlich wieder die Markierung gefunden
Am Rücken des Löwen angekommen, 100 Treppenstufen führen auf den weiteren Pfad

Mir begegnen sicher noch Wanderer, die Besteigung ist ein Klassiker, mache ich mir Mut. Konsequent stiefel ich höher nach oben. Positiv überrascht, wie trocken der Boden ist. Noch. Es wird felsig und ein roter Pfeil zeigt unmissverständlich „do geht’s nuff“. Überraschenderweise beginnen bereits hier Kletterpassagen in leichtem Gelände (Kletterer würden es als „Gehgelände“ bezeichnen). Mit etwas Erfahrung kein Problem, aber ohne das Gefühl für Felsen und Schwindelfreiheit hätte ich mich schwer getan.

Es wird felsiger
Und dann beginnt die Kletterei
Immer weiter aufi und über einen Grat
Man gewinnt zusehends an Höhe

Nach einer Passage über einen felsigen Grat, eröffnet sich ein unfassbares Bild! Die grenzenlose Weite des Indischen Ozeans, unter mir die grüne Hölle aus Zuckerrohr, Palmen und Bäumen, durch die ich mich durchgewurschdeld habe. Bis zum Gipfel fehlt immer noch ein gutes Stück. Mapsme zeigt an, dass gerade mal ein Drittel der Besteigung geschafft ist. Ganz wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, ganz alleine zum Gipfel zu klettern. Das ist mir etwas zu heikel und so plane ich, nur bis zur Gabelung am östlichen Aussichtspunkt und von dort über den südöstlichen Trail die Rundtour zu laufen. Erwähnte ich schon, dass Pläne und ich…

Kaum als Weg erkennbar, mitten durch die Bäume und Büsche
Bei so viel Botanik kann die Wegefindung mühsam werden
Auch nach ordentlichem Aufstieg ist der Gipfel noch immer in weiter Ferne

Psychotraining im Dschungel

In der Ferne donnert es. Ich schraube mich weiter durch die Hitze in die Höhe. Die Kletterei wird von tropischem Dschungelabenteuer abgelöst. Der Pfad ist verschlammt und rutschig. An Bäumen und Wurzeln ziehe ich mich über den aufgeweichten Boden hoch. Also DAS laufe ich nicht mehr runter! Glücklicherweise gibt es ja den anderen Abstieg. Hunderte Moskitos umschwirren mich trinkgierig. Stehenbleiben ist das ultimative Todesurteil. Hektisch kippe ich eine neue Ladung Tropical-Repellent über mich. Wehe ein einziger Rüssel wird irgendwo in meine Gliedmaßen versenkt, drohe ich den Blutsaugern.

Nach über einer Stunde rumgedschungel hüpft mir leichtfüßig ein athletischer Trailrunner vor die Nase. Wir kommen ins Gespräch und er bestätigt mir, dass am Gipfel einige Leute seien. Große Erleichertung, ich bin nicht alleine. Mein Vorhaben, den südöstlichen Trail abzusteigen, sei technisch etwas schwieriger als der Weg hier, erklärt er mir. Ähh, das ist ungünstig. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Es donnert und ich will ihn nicht länger aufhalten, also weiter. Welch nette Begegnung.

Seltsames Gedudel dringt in meine Ohren. Klingt wie… eine Spieluhr? Mitten im Urwald, am Berg, im Nirgendwo? Ist ja wie in ’nem schlechten Horrorfilm! Ich warte, ob die Mörderpuppe Chucky hinter einer Palme auftaucht oder Clown Pennywise mit einen roten Luftballon vorbeifliegt. Das Kopfkino rattert munter Filme ab. Könnte auch bloß ein Eiswagen sein, dessen Melodie vom Tal heraufgetragen wird. Ich erinnere mich zumindest nicht, dass bei Freddy Krüger und Konsorten „Für Elise“ flötete. Davon lasse ich mich jedenfalls nicht aufhalten.

Ui, das ist aber steil hier! Keine schwere Kletterei aber ein durchaus anspruchsvoller Hike. Die Erklimmung des Felsens belohnt mit noch grandioserer Aussicht! Ein erneuter Navigations-Check verrät: Bääätsch!! Längst vorbei am Aussichtspunkt und bereits auf dem letzten Stück zum Gipfel! WAS?! Fast oben? Wie kann das sein?? Da war doch gar kein Abzweig! Mooooment, vorhin wunderte ich mich doch, dass an einer Bananenstaude jeweils auf Vorder- und Rückseite rote Farbe war. Das war also die Gabelung und der Punkt an dem ich abbiegen wollte.

Dschungelfeeling, tausende Moskitos und zunehmend matschigerer Boden

Ein junges Pärchen taucht hinter mir auf, Einheimische. Dankbar über die unerwartete Gesellschaft frage ich die beiden, ob ich mich ihnen beim Rückweg anschließen dürfte. Sie werden den selben Weg absteigen, ich könne gerne mit ihnen rauf und auch runter, bieten sie an, aber sie seien langsam. Erleichtert laufe ich weiter. Das letzte Wandstück taucht auf. Es geht steil den Felsen rauf, generell machbar, allerdings ist alles schmoddrig, nass und komplett rutschig. Ich lasse die beiden vorbei und beobachte, wie er sie von unten die schmierige Wand raufschiebt. Ich steige auf den ersten Absatz und hadere. „Komm, es sind nur noch 10 Minuten. Wenn sie hochkommt, kannst du auch,“ insistiert der neue Weggefährte. Die innere Stimme pienzt, der Bauch knurrt. Nicht aus Hunger. Es donnert wieder. Durch das Blätterdach sehe ich ein kleines Stück blaugrauen Himmel, dort hinten schüttet es. Hoch geht immer irgendwie, aber komme ich die Schlonze mit meinen normalen Laufschuhen da wieder am Stück runter? Das Gelände ist stellenweise recht abschüssig. Maßgeblich besser ist der Ausblick da oben nicht mehr, der war etwas tiefer schon überragend! Vernunft und Respekt (und etwas Muffe) siegen. Ich gehe nicht rauf, entscheide ich. Er nickt und erklärt, sie machen oben Rast und kommen danach zurück. Ich könne warten, mich ihnen anschließen oder einfach schon mal vorlaufen. Ich danke den beiden herzlich und mache mich langsam auf den Abstieg aus dem Dschungel. Aus einem trockenen Palmenstengel baue ich mir einen Wanderstock, mit dessen Hilfe ich die Matschbahn runterrutsche. Geht besser als erwartet.

Für den Rückweg baue ich mir MacGyver-mäßig einen Palmenstengel-Wanderstock

Als ich aus dem Urwald komme und das offene Plateau erreiche, entfaltet sich das atemberaubende Ozean-Panorama vor mir. Auch wenn ich nicht am Gipfel war, kam ich weiter als geglaubt. Alleine. Hätte ich heute morgen nicht gedacht. Ungefiltertes Glück und Stolz kribbeln im ganzen Körper. Es ist früh, 12:20 Uhr. Mittagspause! Genüsslich kaue ich mein Roti, den Blick auf die blaue Schönheit tief unter mir getackert. Ich kann kaum begreifen, wie unfassbar wundervoll alles um mich herum gerade ist.

Mit Meerblick schmeckt ohnehin köstliches Roti noch viel besser
Atemberaubend und unbeschreiblich großartig

Es donnert immer mehr. Besser keine Zeit mehr verlieren. Wenn es anfängt zu regnen, wird’s verdammt blöd am Fels. Ich steige bis zur Gabelung hinab und entscheide, doch lieber wieder den gleichen Weg zurück zu nehmen. Zumindest kenne ich den, das Risiko lässt sich eher einschätzen. Es war technisch nichts tückisches dabei, ich habe Zeit, mache ich mir klar. Nachdem es so gut durch den unangenehmen Dschungelmappel ging, wird die Abkletterei am kompakten Felsen ein regelrechtes Vergnügen. Beschwingt fängt die Stimme im Kopf an zu singen: „Awimbawey, awimbawey, awimbawey“, der imaginäre Chor schmettert dazwischen „Aaauuiieeeeehhhh iawimbauweeeeey, in the jungle, the mighty jungle, the lion sleeps tonight!“

Abstieg vom Löwen, begleitet vom Donner
Vom Berg wieder ausgespuckt, das Gewitter naht

Ich gebe Gas und brauche keine Stunde, bis mich der Montagne du Lion wieder unversehrt (die neuen 85 Moskitobeulen unberücksichtigt) ausgespuckt hat. Diesmal ohne die ausschweifende Panoramatour durch das Zuckerrohrfeld. Was für ein Abenteuer! Ich laufe einige Kilometer weiter durch den ganzen Ort Vieux Grand Port zum benachbarten Vallée de Ferney.

Streifzug durch Vieux Grand Port
Ruine im Ort, die Natur erobert sich zurück, was einst ihr gehörte
Bananenstauden am Straßenrand sind keine Seltenheit
Bambus, Ylang Ylang, das üppige Naturreservat ist riesig.
Im Hintergrund der Montagne du Lion

Während ich die Hauptstraße durch die Pampa entlanglatsche, kommt hinter mir der Bus an. Mein kurzes Winken hält ihn mitten auf der Straße an. Er lässt mich reinspringen und bringt mich zurück nach Mahébourg.

Montagne du Lion auf der Bucketlist: Haken dran!

Abendstimmung und Tagesausklang an der Waterfront Mahébourg

Auch diese Tour findet ihr mit vielen weiteren Fotos bei komoot: https://www.komoot.de/tour/685180420?ref=aso

Panoramablick auf die Küste, den Blue Bay Marine Park und die vorgelagerten Inseln

Die erste Woche Mauritius ist vorüber. Zwei weitere Wochen folgen. Ich bekomme Gesellschaft und siedele zum südwestlichen Teil der Insel um. Noch mehr Wanderungen, noch mehr Abenteuer. Bald schon kommt der nächste Teil. Hier kommst du nochmals zum Rückblick.

Dieser Beitrag kann unbeauftragte und unbezahlte Werbung enthalten. Als unbeauftragte Werbung gilt die Erwähnung oder Empfehlung von Produkten, Marken und Leistungen jeglicher Art.

COSTA RICA // Monteverde – Nebelwälder, Hängebrücken und der magic Ficus

7. bis 9. Februar 2018

(Beitrag vom 22.11.2020)

Costa Rica hat seit meiner Ankunft bereits etliche Highlights in Natur- und Tierform aus der Zauberkiste hüpfen lassen.

Nach dem Wohlfühlstart in Uvita (die „Ankommen- und Eingewöhnheimat“ der ersten Woche), den folgenden Übernachtungen im rastafari Montezuma, im chilligen Santa Teresa, dem unvergesslichen Schildkröten-Rescue-Camp von Camaronal, der Partymeile Playas del Coco und dem beschaulichen La Fortuna (das mit dem tollen Vulkan), bin ich jetzt in Monteverde aufgeschlagen.

Viva los mexicanos! Erwarte das Unerwartete

Sicherheitshalber habe ich mir schon gestern ein Bett im 4er Zimmer eines Dorms reserviert. Ich entschied mich für ein gemischtes Zimmer, davon ausgehend, dass es nicht voll belegt ist. Und falls doch, dann eben gemischt. Der Zufall lacht mal wieder Tränen über meine Blauäugigkeit und klatscht mir das Mix-Zimmer in allerfeinster Mischform untern Hintern. Die Mischung bin nämlich ICH. Die übrigen drei Betten sind mit holder Männlichkeit belegt. Nämlich von drei Mexikanern! Mein Plan ist kaputt, beschert mir dafür aber eine meiner lustigsten Begegnungen der Reise…

Angekommen im Hostel in Monteverde

Den angebrochenen Nachmittag verdödel ich mit einigen Leuten die ich in La Fortuna kennenlernte und die mit nach Monteverde gefahren sind.

Als ich am Abend zurück ins Dorm komme, werde ich freudig von den mexikanischen Zimmergefährten begrüßt. Die haben es sich mit drei Mitbewohnern im Aufenthaltsraum auf hochprozentigem Niveau gemütlich gemacht und bestehen nun auf meine Gesellschaft beim lustigen Kartenspiel. Eigentlich bin ich ziemlich erledigt und seit Tagen im Schlafdefizit, aber wer erinnert sich im Nachhinein schon an die Nächte, in denen man viel Schlaf bekommen hat?! Grinsend ergebe ich mich auf der Couch zwischen den Muchachos und lasse mir die Spielregeln erklären, während ein Glas vor mir erscheint, das großzügig gefüllt wird. Caramba!

Kartenabend mit den mexikanischen Zimmergefährten

Einige Stunden später: Ich habe unzählige Male mit den Fingerspitzen einen imaginären grünen Kobold von Rand meines Glases (Rum mit Cola) gehoben, dazu einen Spruch aufgesagt, getrunken und den Kobold wieder auf das Glas zurückgesetzt. Die Restvernunft ließ mich rechtzeitig die Bremse ziehen und so liege ich jetzt endlich im Bett. Zwei der amigos haben es ebenfalls in die enge Kajüte geschafft, in nicht ganz so souveränem Zustand. Es ist mitten in der Nacht und wir lachen uns ’nen Ast. „Mexikaner Drei“ hat sich zum Ausruhen in der kleinen Toilettenkabine zusammengefaltet. Liegt etwas ungeschickt vor der Tür, so dass die Jungs nicht reinkommen, um ihn in sein Bettchen zu tragen. Das befeuert unser Lachen noch mehr. Gegen halb 6 Uhr schaffen sie es tatsächlich, ihn aufzuwecken und in das Hochbett über mir zu katapultieren. Ich warne noch mit Grabesstimme: „Wehe der bricht auf mich!“ und ernte weiteres Gelächter als Antwort…

Selvatura Adventure Park – Abenteuerspielplatz im Regenwald

Nach knapp vier Stunden Wach-Schlaf lobpreise und huldige ich dem Frühstückskaffee voller Dankbarkeit. Meine Mexikaner ziehen am Morgen leider weiter, keine Ahnung, wie sie das in ihrem desolaten Zustand bewerkstelligen.

Zusammen mit Claudius (der Stuttgarter, den ich in La Fortuna kennenlernte) geht es am Morgen zum Selvatura Adventure Park nach Santa Elena. Ich hatte ihm von den Hängebrücken im Nebelwald vorgeschwärmt, so dass er kurzerhand seine Reiseroute unterbrach und mit nach Monteverde kam.

Am Eingang des Parks spuckt uns der Shuttlebus in die Nebelsuppe raus. Das Wetter könnte nicht stimmiger sein. Kühl, feucht, trüb, diesig. Alle Wetterattribute die ich nicht leiden kann. Aber hier ist es perfekt! Rund 30 Dollar (Park-Eintritt inklusive Busshuttle vom und zum Hostel) kostet uns der Spaß.

Direkt hinter dem Parkeingang befindet sich eine kleine Kolibri-Station. Wie üblich in Costa Rica kostet dieser extra Eintritt. Den sparen wir uns und gucken von draußen ins Gehege. Ein freundlicher Parkwächter winkt mich ran und bietet lächelnd an, uns schnell für ein paar Fotos reinzulassen. Wir nutzen das freundliche Angebot und können aus der Nähe bewundern, wie die filigranen Geschöpfe vor der Tränke in der Luft schweben und ihren Rüssel in die Honigmasse tunken.

Im Selvatura Park gibt es den Hummingbird and Butterfly Garden (Kolibris und Schmetterlinge), für Adrenalinjäger schier endlos lange Ziplines über die Baumwipfel und tolle Wege durch den Regenwald und über die Hängebrücken.

Übersicht Selvatura Park mit Hängebrücken

Die Hängebrücken Monteverde / Santa Elena

Darauf habe ich mich schon Zuhause total gefreut!

Wir starten auf den flachen Pfaden durch den mystischen Nebelwald. Natürlich ist das Reservat kein Geheimtipp und entsprechend touristisch frequentiert. Dennoch kann ich mir dieses Naturspektakel nicht entgehen lassen.

In der Region regnet es quasi das ganze Jahr hindurch. Entsprechend wachsen und gedeihen hier die Pflanzen, als wären sie mit Turbodünger zugedröhnt. Die Flora ist unbeschreiblich. Dichte Bäume, riesige Farne, Moose, Bromelien, unzählige Orchideenarten, Grün in allen Facetten, wohin das Auge blickt.

Zipliner im Regenwald

Inmitten des Nebelwaldes führen acht unterschiedlich hohe und lange Hängebrücken durch die Baumkronen. Ziemlich beeindruckend und atemberaubend schön. Überraschenderweise entdecken wir nicht viele Tiere. Schade, ich hatte so sehr auf ein Faultier gehofft. Aus der Ferne dringen die Jubelrufen der vorbeirauschenden Zipliner zu uns hinauf.

Hängebrücken Monteverde

Eineinhalb Stunden wandeln wir durch den urigen Dschungelwald, dann erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt. Uns bleibt noch ein wenig Zeit für einen Cappuccino, bevor uns der Shuttlebus zurück zum Hostel bringt.

Auf Reisen bleibt man nie allein

Um 7:15 Uhr bin ich mit Patrick im Frühstücksraum verabredet. Den rothaarigen, sommersprossigen Iren (hallo Klischee) lernte ich gestern abend im Hostel kennen. Ich erzählte ihm vom „magic Ficus Tree“, von dem ich gerade mit Claudius kam. Da wir erst kurz vor Sonnenuntergang im Wald ankamen und viel los war, wollte ich den Baum nicht mehr in Eile beklettern und habe das Abenteuer auf die Adventure-Löffelliste für den Folgetag gesetzt. Patrick war gleich interessiert und wir verabredeten uns.

Der Koffeein-Yieper hat mich aus dem Bett geschmissen. Ich bin zu früh. Mit der Kaffeetasse in der Hand wackel ich zu einer Engländerin, die alleine am Tisch sitzt und in ihren Reiseführer blättert. Ich setze mich zu ihr und während ich auf Patrick warte, erzähle ich ihr von unserem Plan, den Ficus zu erklimmen und danach den Trail „Cerro tres amigos“ zu wandern. Begeistert fragt sie, ob sie mit könne. Auch Patrick, verstrubbelt und müde, der sich mit Frühstück beladen zu uns setzt, ist einverstanden. Ich freue mich über die spontane Gesellschaft der beiden. Drei amigos auf dem Cerro tres amigos also.

Im Inneren der Würgefeige

Gestern brauchten wir eine ganze Weile, bis wir uns mit maps.me durch den Wald navigiert und den richtigen Baum gefunden hatten (wenn man vor lauter Bäumen im Wald DEN Baum nicht sieht). Dafür finde ich ihn heute umso schneller. Und im Gegensatz zu gestern (da herrschte Hochbetrieb) ist jetzt nur ein Paar mit seinen beiden Kindern da. Und die Affenschar, die in den Bäumen ringsum tobt. Grinsend betrachte ich die überraschten Blicke meiner beiden Begleiter.

Der Ficus ist wahrlich ein Naturphänomen! Und ein absolut lohnenswerter Besuch für den man – oh Wunder in Costa Rica – tatsächlich nichts zahlen muss.

Schätzungsweise 30 Meter ragt der Gigant in die Höhe. Was mir bis dahin gänzlich unbekannt ist, der Ficus zählt zur Gattung der Würgefeigen. Im Grunde ist er ein Parasit für seinen Wirtsbaum, den er sich förmlich einverleibt. So entsteht der Hohlraum im Inneren. Die Baumrinde und sein Innenleben sind einem kompakten hölzernen Klettergerüst gewichen, über das man bis zur Krone hochsteigen kann.

Luftige Kletterei im Ficus

Als begeisterte Sportkletterin hadere ich kurz bei dem Gedanken, völlig ungesichert wie dieser Märchen-Hans an der Zauberbohne gen Himmel zu kraxeln. Hinter Patrick krabbel ich in den Baum hinein. Na ja, im Grunde isses wie Treppensteigen. Hohe Treppen. Mit viel Luft unterm Hintern. Aber ich habe ja den irischen Schutzpatron dabei, der vor mir bereits hochmotiviert auf dem Weg nach oben ist. Dann mal los. Jeder Kletterer weiß: Runter kommt man immer…

Nach oben raus wird es immer schmaler und enger

Sprachlos kralle ich mich in der Baumkrone des „magic Ficus“ fest, von dem gigantischen Ausblick völlig geflasht. Auch Patrick grinst über beide Ohren und ist mächtig beeindruckt! Das Abklettern stellt sich als Kinderspiel heraus, alle Sorge war umsonst.

Hiking-Tour Cerro tres amigos mit oscarverdächtigem Spinnen-Kopfkino

Wir sind auf dem Weg zum höchsten Gipfel der Gegend, auf 1.840 Metern. Nicht nur wegen der strahlenden Sonne ein schweißtreibendes Unterfangen. Eine verdammt steile Straße zieht sich in die Unendlichkeit rauf und geht dann in einen rotbraunen erdigen Pfad über. Wir werden von drei Hunden begleitet, die uns die kompletten 14 Kilometer des Trails nicht von der Seite weichen.

Steiler als es aussieht, der Trail Cerro tres agimos
Am Gipfelplateau auf 1.840 m

Am Gipfelplateau angekommen, werden wir sogar mit einer ganz passablen Sicht belohnt. Wir möchten nicht den selben Weg zurück latschen und checken über Patrick’s Navigationssystem eine alternative Route aus. Das geht genau so lange gut, bis wir irgendwann im tiefsten Urwald stehen und uns eingestehen müssen, wir kommen hier ohne Machete nicht mehr weiter.

Noch ist der Weg gut erkennbar
Frontman Patrick und die Hunde dringen tiefer in den Urwald

Nach einer kurzen Rast sehen wir ein, es geht nicht weiter. Einstimmig entscheiden wir uns abzubrechen und den ganzen Weg zurück zu latschen.

Die Wanderschuhe schmatzen durch den Schlamm, während wir abwechselnd über dick bemooste Baumstämme krabbeln und unter sperrigen Ästen und Gestrüpp hindurchkriechen. Im dezenten Panikmodus scannen meine Augen die grüne Hölle ab. Der Tarantula-Radar steht auf empfindlichster Alarmbereitschaft. Bei jedem Stamm, über den ich mich hieve, wispert die garstige Stimme im Kopf: „Gar nicht so unwahrscheinlich, dass da gleich ne Vogelspinne rumhüpft. Hier wimmelts doch von den possierlichen Tierchen.“ Parallel dazu spielt das Kopfkino den passenden Trailer ab.

Wir kommen nicht weiter, Zeit umzukehren

Jedes neue Gestrüpp stellt mich vor herausfordernde Überwindungen. „Bitte keine Spinne, bitte keine Spinne“ pienze ich mich Schrittweise weiter. Nach dem Survivalerlebnis durchs Dickicht erreichen wir irgendwann wieder so etwas, das den Anschein eines Weges hat. Mein mimimi wurde erhört. Ich frohlocke und schallmeie vor Erleichterung.

Nach gut 4 Stunden und rund 900 Höhenmetern (einschließlich der Tour zum Ficus) sind wir zurück in der Zivilisation von Santa Elena. Auch den Hunden reicht es mit uns. Sie ziehen wieder von Dannen. Wir feiern unser Überleben mit hochgelegten Füßen bei einem verdienten Kaffee-Kuchen-Kränzchen in der Sonne. PURA VIDA!

Während sich meine Wandergefährten in Richtung Hotel aufmachen, stiefel ich weiter zur Touri-Info. Muss mich um meine Weiterreise (an der noch ein großes Fragezeichen klebt) und den Bustransfer kümmern und brauche qualifizierten Input. Noch ahne ich nicht, dass ich bereits in wenigen Stunden – um 4:15 Uhr, gähn – aufgeregt im Bus zur Landesgrenze sitze, auf dem mühsamen Weg nach Nicaragua. Ein überaus spontaner Kurz(ent)schluss und eigentlich entgegen meines Planes keinesfalls die Grenzen Costa Rica’s zu verlassen.

Ach… Pläne und Schlaf werden ja sowas von überbewertet!

Habt ihr auch schon unerwartete und völlig ungeplante Kurzentschlüsse getroffen? Etwas gemacht, was ihr nie von euch gedacht hättet und womit ihr euch selbst verblüfft habt? Und hat es sich im Nachgang als die richtige Entscheidung herausgestellt? Ich bin gespannt, welche Erfahrungen ihr gemacht habt und freue mich auf eure Erzählungen 🙂

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MYANMAR / Trekkingtour von Kalaw zum Inle-Lake

27. – 30. November 2018

(Beitrag vom 17.10.2020)

Ich sitze auf meinem Bett und starre auf den kleinen vollgestopften Rucksack auf dem Boden. Daneben steht sein großer Bruder, gefüllt mit meinem restlichen Reisebesitz. Die Entscheidung, welche 3-Tage-Survivalsachen in den 17 Liter-Knautschbeutel sollen, war schnell getroffen. Viel Auswahl gibt’s ja nicht und spartanisch kann ich inzwischen ganz gut. Auch wenn es schwerfällt, für die Kamera ist kein Platz, Handyfotos müssen reichen. Sie wandert mit dem Netbook zu den Sachen im Reiserucksack, der morgen auf eigene Tour geht.

Das nächste Abenteuer steht in mit scharrenden Hufen den Startlöchern…

Vorgestern habe ich mich bei einer Agentur in Kalaw für einen dreitägigen Trek angemeldet. Der Preis macht mich etwas skeptisch: Für umgerechnet schlappe 22,- Euronen werde ich vom Hostel zur Agentur und mein Reiserucksack zur nächsten Unterkunft befördert (ist bereits gebucht). Ein Guide bringt uns zu Fuß durchs Hinterland von Kalaw zum Inle-Lake. Frühstück, Lunch, Abendessen, Wasser, Übernachtung inklusive. Die erste Nacht bei einer Familie in einem abgeschiedenen Bergdorf, die zweite Nacht in einem Kloster (ein lang gehegter Traum und der Ausschlaggeber, die Tour bei Jungle King zu buchen)! Eine Bootsfahrt über den Inle-Lake gehört ebenfalls zum Programm. Wo also ist der verdammte Haken?!

Tag 1 – Ich latsch dann mal zum Inle-Lake

8:30 Uhr, ein Taxi bringt mich vom Hostel zu Jungle King. Mein Backpack bekommt ein Umhängeschild mit dem Namen meines nächsten Domizils und verschwindet auf einen Pickup. „Auf Wiedersehen“, hoffe ich gedanklich nachwinkend. Wir werden nach den unterschiedlichen Routen in Gruppen aufgeteilt und bekommen unsere Wanderführerin, Cindy. Der Glücksgriff schlechthin, wie sich herausstellen wird.

Wir sind eine kunterbunt gemischte Truppe von acht Leuten (Schweizer, Spanier, Kanadier, Deutsche). Schon nach wenigen Kilometern ist klar, die Gefährten (um mich an Tolkiens Vokabular zu bedienen) sind klasse und Cindy der Knaller. Das gewitzte Mädel ist Anfang zwanzig und wir sind sofort ihrer liebenswerten Art erlegen. Die ganze Zeit summt sie leise vor sich hin, albert rum und erklärt uns in super verständlichem Englisch alle möglichen Pflanzen und deren Wirkungen.

Am Mittag machen wir an einer Hütte Rast und werden mit einem kleinen Teller Suppe, etwas Obst und Nudeln mit Gemüse versorgt. Heute stehen 19 Kilometer an. Ganz gemütlich und völlig unanstrengend.

Auf dem Weg von Kalaw zum Inle-Lake
Blick hinunter zu den Terrassenreis-Feldern
Umgeben von blühendem Sesam
Frauen bei der Reisernte
Wir kommen an unzähligen Acker- und Feldflächen vorbei

Die Landschaft ist enorm schön. Wälder, knallgelb blühende Sesamfelder, weite Flächen mit grandiosem Fernblick. Von einem Hügel aus zeigt uns Cindy die terrassenförmigen Mountain-Reisfelder, wir treffen auf Bauersfrauen bei der Reisernte, kommen an Chili-Plantagen vorbei und passieren kleine Bergdörfer, in denen tatsächlich die Zeit stehengeblieben ist.

Unser Weg führt an einer Schule vorbei und die Kleinen flippen bei unserem Anblick völlig aus. Wir dürfen sogar in die Klassenzimmer und schreiben unsere Namen an die Tafel, während die Kinder aufgedreht lachend um uns herumspringen. Die Verständigung läuft über Lächeln, Gesten und Cindy. Englisch spricht hier niemand, wir sind in einer völlig anderen Welt gelandet.

Ein kleines Dorf im Hinterland zwischen Kalaw und dem Inle-Lake
Die Kinder sind alles andere als schüchtern. Neugierig umringen sie uns.

Nats, Naturgeister Myanmars

Auch über den spirituellen Glauben der Menschen und die „Nats“ erfahren wir einiges. Die Nats sind die guten und bösen Geister. Wir kommen zu einem Baum, an dem sich ein Schrein befindet. Cindy erklärt, dass die Bauern hier den Nats die größte Frucht ihrer Ernte opfern, verbunden mit der Bitte, im Gegenzug eine reiche Ernte zu erhalten. Motorradfahrer hupen drei Mal beim vorbeifahren, die Bitte an den Nat, dass ihnen nichts passieren möge, erzählt sie weiter. Die Menschen hier sind stark mit ihrem Glauben verbunden, was für uns vielleicht als schräg oder etwas lächerlich empfunden werden könnte. Ich finde es einfach bezaubernd.

Da es unterwegs keine Toiletten gibt, sind wir gezwungen, die Notdurft in der Wildnis zu verrichten. Kein Problem, beruhigt Cindy, bittet uns aber, uns nach dem Geschäft mit einem „sorry Nat“ bei den Waldgeistern zu entschuldigen. Dann sei kein Nat angepisst und alles in Butter. Ich werde wohl nie wieder bei Wanderungen ins Gestrüpp pinkeln, ohne „sorry Nat“ hinterherzuschmettern. Den Vogel schießt Cindy ab, als sie ein Blatt in einen Büffel-Kackehaufen steckt und auf meinen debilen Blick antwortet, dies sei ein Kuchen-Geschenk für den Nat. Wegen genau diesen Dingen reise ich, denke ich lachend.

Mit der Abenddämmerung erreichen wir das Bergdorf, in dem wir übernachten werden. Von einem ausgemergelten älteren Ehepaar werden wir freundlich lächelnd empfangen. Ich hatte zuvor bereits von der „spartanisch-rustikalen Ausstattung“ der Unterkünfte gelesen. Dennoch lacht sich die Realität mal wieder über meine Vorstellungen schlapp.

Einige Holzstufen führen ins Innere der Bambushütte. Dort gibt es eine Küche (definitiv nicht so wie ihr jetzt denkt) und einem Wohnraum. In dem liegen mehrere Matratzen und Decken auf dem Boden, unser Nachtlager. Mein Blick wandert durch den Raum, über Buddhafiguren und religiöse Gegenstände, sorgsam auf einem langen Brett drapiert, zu den dünnen Bambuswänden, durch deren Löcher ein kalter Wind in den Raum weht. Ich bin froh für meine Fleecejacke, die ich heute Nacht gewiss brauchen werde.

Unsere Unterkunft im Bergdorf
Dünne Wände, keine Fenster

Auch hier sind die Nats Bestandteil des alltäglichen Lebens. So werden wir gebeten, stets darauf zu achten, die Tür hinter uns zu schließen, damit der gute Spirit im Haus bleibt.

Zu Gast bei Einheimischen im Bergdorf

Unsere Gastgeber sitzen auf dem Boden des Küchenraumes an einer qualmenden Holzfeuerstelle. Wir kauern uns um die wärmenden Flammen und werden mit grünem Tee und einem köstlichen Tea-Leaf-Salad (ein scharf-pikanter, sehr öliger Salat aus Teeblättern und Nüssen) versorgt. Zusammen mit Cindy schnibbel ich, auf dem Boden knieend, die Zutaten für unser Abendessen, das sie anschließend auf dem offenen Feuer kocht. Leider können wir uns mit unseren Gastgebern nicht verständigen. Dafür ist ihr Lächeln umso herzlicher, mit dem sie uns zeigen, wir sind hier sehr willkommen. Leise unterhalten sie sich mit Cindy, die für uns übersetzt und über die Jahre zu einer Tochter für die beiden geworden ist. Die Hausherrin meint breit grinsend, wenn sie mit uns reden könne, würde sie gar nicht mehr aufhören. Wie gerne würde ich mit ihnen sprechen können, sie über ihr Leben fragen, bedauere ich.

Unsere Gastgeber in ihrer Küche bei der Zubereitung des Abendessens
Ein Blick in den Küchenraum. Die Wände in der ganzen Hütte sind dünn und luftig.

Abendessen gibt es nebenan. Meine brennenden Augen sind dankbar, dem beißenden Rauch zu entkommen. Wir sitzen auf unseren Matten an zwei sehr tiefen, runden Tischen und löffeln Suppe. Cindy bringt Teller, Besteck und einen großen Topf Reis. Dazu gibt es Salat aus grünen Tomaten mit Erdnussdressing, unterschiedliche Gemüsesorten, Fisch und Tofu. Eine köstliche Geschmacksexplosion fremdartiger Gewürze.

Ich frage mich, wo unsere Gastgeber schlafen, wenn wir ihren einzigen Raum belagern. Es gibt in der Hütte keinen Schrank, keinen Stuhl. Aber sie haben ein Dach über dem Kopf. Sie haben Essen und ein kleines Einkommen, durch das Nachtquartier, das sie uns geben. Vermutlich sind sie dadurch in einer weitaus privilegierteren Rolle, als die meisten Menschen hier. Die beiden sehen glücklich aus. Sie brauchen nicht mehr zum Leben. Nein, sie haben nicht mehr zum Leben. Wie sollen sie vermissen, was sie nicht kennen? Ist es letzten Endes nicht all das „Zuviel“ und der ganze überflüssige Kram, den man kauft aber nicht braucht, mit dem wir unser Leben zuschütten und unser wahres Glück und die Zufriedenheit darunter begraben? Warum fühlt man sich sonst so befreit, beim Entrümpeln und aussortieren?

Ich bin unbeschreiblich dankbar für diese spezielle Erfahrung und den Einblick in ein derartiges Leben. Es sind genau diese Momente, die mir immer wieder die Notwendigkeit bewusst machen, mich selbst, mein Umfeld und mein Leben mit den von mir gesetzten (manchmal falschen?) Prioritäten zu hinterfragen, zu überdenken und neu auszurichten. Blöderweise geht dieses Bewusstsein im Hamsterrad des Alltags viel zu häufig unter. Dabei sind diese Erfahrungen der Reinigungsfilter für mein (Über-)Leben, der meinen Füßen die Bodenhaftung gibt, mich erdet, den verschwommenen Blick wieder schärft und das Ungleichgewicht ausgleicht, wenn vermeintlich wichtige Banalitäten oder Ärgernisse die Waagschale zu kippen drohen.

Hier verteilt die Wirklichkeit knallharte Kinnhaken. Obwohl unser Nachtlager weder über Bett noch Stuhl verfügt, Strom gibt es für ein paar Stunden. In dem Wohnraum hängen zwei Glühlampen, betrieben über ein Aggregat. Um 21 Uhr wird alles abgeschaltet.

Die Toilette befindet sich etwas abseits der Hütte und besteht aus einem kleinen Bretterverschlag mit Plastikwanne und Abfluss. Wegen Groß-Spinnenalarm schleich ich heimlich ins Gebüsch und flüstere brav mein „sorry Nat“. Die Notdurft wird ab sofort vorerst auf ein Minimum reduziert. Zähne werden mit Stirnlampe draußen an einem Wassertrog geputzt. Unser Hausherr spült unterdessen, auf dem Boden des Außenbereichs hockend, das Geschirr in einer Schüssel. Fließendes Wasser gibt es nicht. Ich frage mich, wie ich all das hier zuhause erklären kann. Es fühlt sich an, als hätte man mich in eine andere Welt gebeamt. Ein Blick in den Sternenhimmel versichert mir aber, es ist der gleiche Planet. Allerdings leuchtet er hier anders. Die Milchstraße ergießt sich so breit und strahlend hell über meinem Kopf, dass mir die Spucke wegbleibt.

Mit einem Schüsselchen schöpfen wir uns gegenseitig Wasser aus dem Betonbecken, um Gesicht, Achseln und Hände zu waschen. Mehr baden ist nicht wegen zu kalt. Sei’s drumm, ich stink eh wie ein Räucheraal. Kostet dennoch Überwindung, in den verqualmten Klamotten zu schlafen. Kleidung ausziehen ist für die Frostbeule jedoch keine Option. Draufgesch***, das stärkt alles den Charakter!

Tag 2 – Ich latsch dann mal zum Inle-Lake

6:00 Uhr, helle Lichtstrahlen dringen durch die Schlitze der dünnen Wand und lassen den zarten Rauchschleier leuchten, der noch immer durch die Luft wabert. Die Nacht war eisig und und schlafdürftig.

Da wir alle in der Wanderkluft geschlafen haben, sind wir quasi beim Aufstehen schon abmarschfertig. Zuvor gibt es aber Frühstück. Die kleinen Tische werden wieder an unser Lager geschoben und vollgeladen: Frittierte Teigfladen, Avocadocreme, ein Kartoffelcurry, frische Papaya, Wassermelone. Definitiv zu viel für diese Uhrzeit. Etwas Wassermelone und Kaffee reichen völlig. Die braune Brühe will’s allerdings wissen, die ist speziell: Kaffeepulver in die Tasse kippen (Filter wird völlig überbewertet), heißes Wasser drauf und einen zähen, bappsüßen Milchbrei aus dem Tütchen reindrücken, umrühren, fertig. Die Koffeeinsucht kippts rein, der Überlebenswille treibts runter.

Opulentes Frühstück am Bett
Bei herrlichstem Wetter und schweißtreibenden Temperaturen in 3 Tagen zum Inle-Lake

Wasser ins Gesicht, Zähne schrubben, Unterwäschenwechsel und flott ein „sorry Nat“ in die Natur schmettern. Wir verabschieden uns herzlich dankend von unseren Gastgebern und ziehen los.

Wanderst du noch oder mampfst du schon wieder?

Nach rund zwei Stunden erreichen wir das nächste Dorf. Kaffeepause!! Danach lassen wir uns von Cindy durch das bunte Markttreiben schleusen. In Begleitung einer Einheimischen ist ein landestypischer Markt ganz großes Kino! Wir fressen uns mit Cindys kulinarischen Empfehlungen einmal quer durch. Sie kauft überall Leckereien zum probieren: Die beliebten „Lovers-Cake“ (eine fettig frittierte, pikante Teigtasche mit Gemüsefüllung), „Sticky Rice“ (Klebreis der in ein Zuckerrohr gepresst und darin gedämpft wird – babbisch aber höllenlecker!), süße, dreieckige Sesam-Reisteilchen, die in eine noch zuckerhaltigere Masse getunkt werden, Tofu mit Kraut und scharfer Koriandersauce… eine Schlemmerei sondergleichen!

Kaffeepause Myanmar-Style
Wir kosten die beliebten Lovers-Cake
Cindy zeigt uns, sichtlich erheitert, wie man Sticky-Rice isst
Landestypische Märkte, immer ein Erlebnis

Pappsatt kugeln wir weiter, vorbei an Chili-Plantagen, in deren Höfen die feuerroten Schoten großflächig zum Trocknen ausliegen. Da ich scharf fast genauso gut leiden kann wie Kaffee, kaufe ich einen Beutel Chilis und knote ihn an meinen randvollen Rucksack.

Scharfe Sache; Chiliplantagen soweit das Auge reicht

Man kommt hier tatsächlich in Mampfstress… Ist ja nicht so, als wäre der Kauleiste heute langweilig! Um 13 Uhr stoßen wir mitten im Nirgendwo auf ein paar Häuser und Cindy verkündet, es sei Mittagessenzeit. Mich fragt sie, ob ich ihr wieder helfen wolle und so machen wir uns in einer der Hütten an die Koch-Arbeit. Vier Männer sitzen drinnen um ein Feuer und rauchen. Während ich mich abrackere, Knoblauch mit einer verranzten Schere kleinzuschnibbeln, gebe ich den Herren zu ihrer großen Erheiterung ein paar Brocken Deutsch-Sprachkurs.

Mit erneut oder noch immer vollen Bäuchen ziehen wir am Mittag weiter. Man hätte mich ja mal vorwarnen können, dass das Motto nicht „sportliche Trekkingtour“ sondern „Schlemmertour Deluxe“ ist…

Wir kommen an einem Fluss vorbei. Das ist unsere Chance! Wer weiß, wann es die nächste Dusche gibt? Wir Mädels waschen uns erst mal das Räucheraroma aus den Haaren, während Cindy gleich komplett bekleidet in die Fluten springt. Kühlt beim Wandern in der Hitze besser, erklärt sie pragmatisch. Naheliegend, da sie bei den sommerlichen Temperaturen lange Kleider trägt.

Wir nutzen dankbar die erfrischende Waschmöglichkeit

Eine Nacht im buddhistischen Kloster

Es ist bereits stockdunkel, als wir um 18 Uhr nach gut 21 Kilometern das buddhistische Kloster erreichen. In dem großen, kargen Saal des Haupthauses sind Matratzen auf dem Dielenboden ausgelegt. Wir beziehen unser Lager und beobachten am anderen Ende des Saales die kleinen Novizen in ihren roten Roben, wie sie gebannt vor einem Fernseher sitzen. Momentan gibt es hier nur zwei Hauptmönche und die Novizen, erzählt Cindy.

Unser Quartier im Kloster

Mit Gefährte Johnny suche ich den „Waschraum“. Damit wir uns richtig verstehen: Der Waschraum besteht aus einem Gemäuer, das weder Türen noch ein Dach hat. Darin befindet sich ein länglicher Beton-Trog in dem (sofern wir das im kläglichen Schein unserer Stirnlampen erspähen können) semi-saubere Brühe steht. Wir sind uns einig, das Flusswaschen war ausreichend, auch wenn wir uns wieder klebrig und verschwitzt fühlen.

Zum Abendessen versammeln wir uns mit anderen Übernachtungsgästen auf einer langen überdachten Terrasse neben dem Haupthaus. Auch hier müssen wir, wie im Kloster selbstverständlich auch, die Schuhe davor ausziehen. Zumindest dürfen wir die Socken anbehalten. Das freut die frierenden Füße bei den mittlerweile wieder frischen Temperaturen.

Eine Nacht im buddhistischen Kloster

Nach einem reichhaltigen und leckeren Essen bleibt nicht mehr viel Zeit. Um 20 Uhr ist Schicht im Schacht, ähh Kloster. Dann geht das Licht aus. Scheinbar sind alle müde und verschwinden unter den Decken. „Hallo?! Ich geb dir schlafen um 20 Uhr! Normalerweise wär jetzt erst mal ’n Kaffee fällig!“ blafft mich mein Körper beleidigt an. Ich schnappe meinen Schreibkram und kauere mich abseits in dem stockdunklen Saal auf eine Holzstufe, um mit dem Licht der Stirnlampe niemanden zu stören. Gruselige Finsternis verschluckt mich.

Ich zucke zusammen, als plötzlich etwas auf mich zuspringt. Dann klettert ein Katzenbaby auf meinen Fuß. Ich hebe das kleine Flauschknäuel in meinen Schoß, wo es sich einkuschelt. Katzen sind eigentlich nicht so meins, aber Tierkinder sind einfach Seelenstreichler. Schockverliebt betrachte ich das kleine Wesen und erschrecke tierisch, als hinter mir etwas hektisch vorbeitippelt. Einige Novizen sind vorbeigerannt, einer bleibt neben mir stehen und sieht mich mit großen Augen an. Er heißt Toon (zumindest spricht er es so aus) und ist sieben Jahre alt. Er streckt mir seine kleine, eiskalte Hand entgegen und flüstert in englischer Sprache, er freue sich, mich kennenzulernen. Ich nenne ihm lächelnd meinen Namen und antworte, die Freude sei ganz meinerseits. Er streckt seine offene Hand aus und deutet mit der anderen auf seinen Mund. Er ist hungrig und hofft auf eine Essensspende. Traurig gestehe ich, dass ich nichts dabei habe, er nickt enttäuscht. Kaum ist er weg, stehen die nächsten 3 Novizen vor mir. Barfuß, mit nackten dünnen Ärmchen und Beinchen, nur ihre Robe um den Leib, ein geringer Schutz gegen die Kälte. Fasziniert starren sie auf mein Heft und wollen zusehen wie ich schreibe. Irgendwie ne verrückte Situation, mit Katzenbaby im Schoß, neugierigen Minimönchen, mitten in der tiefsten Pampa Myanmars, in einem uralten, stockdunklen buddhistischen Kloster. Das hätte ich mir so niemals nicht vorgestellt…

Tag 3 – Ich latsch dann mal zum Inle-Lake

Um 6:20 Uhr kriechen wir verknittert unter den Decken hervor und torkeln zum Frühstück. Die Nacht war ok, gegen 22 Uhr konnte ich tatsächlich einschlafen. Um 5 Uhr hörte ich die Novizen bereits durch den Saal flitzen.

Kurz nach 7 Uhr verlassen wir das Kloster. Die Sonne kämpft sich ihren Weg durch den dichten Morgennebel, der die Umgebung noch kühl und feucht einlullt. Eine wunderschöne und mystische Atmosphäre.

Aufbruch zur letzten Etappe an einem kalten nebligen Morgen
Viele Nachbarn gibt es hier nicht

Wir kommen an ein Zollhäuschen, an dem wir 15.000 Kyatt (rund 10,- Euro) zahlen. Die Eintrittsgebühren zur Inle-Region.

Rast machen wir an einem typisch burmesischen Kiosk, bei dem es über Autozubehör, Waschmittel, Knabberzeug, Süßigkram etc. auch Kaffee gibt. Wir setzen uns auf quietschbunte Plastikhöckerchen an die niedrigen Tische in der Sonne und trinken grünen Tee und Kaffee. Was freu ich mich darauf! Die Siffbrühe zum Waschen, die Matratzen im kalten Klostersaal, Bettruhe um 20 Uhr – alles halb so wild, aber der Kaffee heute früh… das war eher braunes Wasser.

Der Abwasch wird vorm Ladenlokal gemacht

Einiges was ich hier sehe und erlebe, verstehe ich nicht und so nutze ich die Gelegenheit, während unserer Wanderung Cindy über Buddhismus, die Nats und ihren Glauben zu fragen. Als wir unterwegs an einem weiteren Schrein vorbei kommen, stellt Cindy eine Flasche Wasser hin, die sie extra dafür mitgenommen hat. Für den guten Spirit, erklärt sie. Das Wasser symbolisiert Reinheit und Klarheit, die sich auch in ihrem Geist und Inneren widerspiegeln sollen. Nochmals nach den Nats gefragt, antwortet sie, dass uns diese überall umgeben. So glauben die Menschen beispielsweise an Baum-Nats, die in der Luft seien, die die Menschen schützen und ihnen das zurückgeben, was ihnen gespendet wird. Ein schöner Glaube…

Die heutige Etappe hat allerdings auch eine Challenge am Start! Nach einem kleinen Stopp an dem 800 Jahre alten Bodhi-Baum (ein riesen Teil, den einige der Truppe freudig erklimmen), setzt sich der Weg einige Kilometer unter immensen Spinnennetzen fort. Mit Schnappatmung stiere ich auf den Trampelpfad vor mir, der von weißen, dichten Spinnfäden überdacht ist. Muss ich erwähnen, dass auch zahlreiche überdimensionierte Prachtexemplare „zuhause“ sind?! Der absolute Horror! Lachend setzt mir Cindy ihren Strohhut auf und meint, ich solle einfach ne Weile weder nach rechts, links oder oben gucken. Für die ganz interessierten Insektenfreunde fischt sie anschaulich einen Spinnengigant aus dem Netz und lässt ihn auf der Hand krabbeln. Ich renne los.

Wir nähern uns dem Inle-See und die Landschaft verändert sich zusehends

Irgendwann gibt’s keine Netze mehr, der rote Sandboden und die kargen Sträucher weichen einem asphaltierten Weg, der uns vorbei an Acker- und Feldflächen führt. Die Farmersleute winken und grüßen uns aufgeschlossen, ganz anders als die sehr scheuen, zurückgezogenen indigenen Bergvölker.

Die erste Pagode, seit wir vor 3 Tagen in Kalaw gestartet sind
Kleine Nebenarme des Inle
Begeistert bestaunen die Kleinen ihr Foto auf dem Handy

Geschafft, angekommen am Inle-Lake

Nach 17 Kilometern sind wir fast am Ziel. Gegen 12:30 Uhr erreichen wir den Inle-Lake. Wir setzen uns in den Schatten einer chilligen Outdoor-Bar und stoßen mit kühlen Getränken gemeinsam auf die geniale Zeit und die grandiose Tour an. Cindy schleppt unterdessen mal wieder Unmengen Futter bei.

Angekommen – Darauf wird angestoßen

Das war’s dann wohl… Das letzte Stück müssen wir nicht mehr zu Fuß bewältigen. In einem Nebenarm des Inle-Lake wartet bereits ein langes, schmales Holzboot. Schweren Herzens verabschieden wir uns von Cindy. Für sie geht es nach Hause, für uns weiter.

Die Fahrt über den See ist toll! Über eine Stunde knattern wir an den Stelzen-Häusern, schwimmenden Gärten und den legendären Einbein-Ruderern vorbei, bis wir auf der anderen Seite in Nyaung Shwe anlegen. Hier trennen sich auch unsere Wege, zumindest was die Unterkünfte betrifft. Für den Abend verabrede ich mich mit der Truppe, dann mache mich auf die Suche nach meinem Hostel, in der Hoffnung, dass mein Rucksack seine Reise dorthin ebenfalls geschafft hat.

Eine Stunde dauert die Fahrt zur gegenüberliegenden Seite des Inle-Lake
Einbein-Ruderer auf dem Inle

Meine Unterkunft liegt etwas außerhalb und so bekomme ich auf dem Fußweg bereits erste Eindrücke der neuen Destination. Schön hier, allerdings bekanntermaßen auch deutlich touristischer.

Angekommen in Nyaung Shwe

Umso mehr freue ich mich, dass in meinem Hostel sehr wenig los ist. Beeindruckt stehe ich vor dem gepflegten, ruhigen „Inle Inn“ und werde sofort freundlich empfangen. Auch mein Gepäck ist da, yippieh! Mein Zimmer ist fantastisch! Alles aus Bambus, ein riesiges Bett, ein sauberes Bad mit fließendem, klaren Wasser! Ich sehne mich nach einer Dusche und frischen Kleidern. Der pure Luxus nach den letzten Tagen.

Jetzt steht eine neue Etappe des Abenteuers Myanmar an. Drei Tage bleibe ich am Inle-Lake und werde die Region erkunden. Danach reise ich weiter nach Hpa-An.

Als Fazit des Treks von Kalaw zum Inle-Lake bleibt mir nur zu sagen: Es war eine beeindruckende, faszinierende und sehr erlebnisreiche Tour! Die Landschaft war wunderschön, die Tagesetappen perfekt und sehr gut zu bewältigen. Die Unterkünfte hätte ich persönlich mir nicht anders gewünscht. Genau diese Erfahrungen würde ich nicht missen wollen und was ich ganz besonders toll fand, war die Gelegenheit, Gast bei Einheimischen sein zu dürfen. Genauso werde ich die Nacht in dem Kloster niemals vergessen. Es war eine einmalige Chance, das Land und die Menschen auf eine andere Art kennenzulernen.

Abschließen möchte ich mit einem Spruch, den ich an der Hauswand eines Hostels gelesen habe und den ich sehr passend finde:

See life as you see through a camera.
Focus on what’s important.
Capture the good moments.
Develop from the negatives.
And if things don’t work out, just take another shot.

Die besten Gefährten auf dem Kalaw-Inle-Trek

Wer noch mehr über meine besondere Reise durch Myanmar lesen mag, besonders im Hinblick darauf, was es „im Inneren“ mit mir gemacht hat, findet unter der Rubrik „Kurz(e)geschichten“ einen weiteren Beitrag. Für das Magazin „Tibet und Buddhismus“ durfte ich eine bebilderte Reportage schreiben, die ich euch hier auch gerne nochmals verlinke.

Der Beitrag kann unbeauftragte und unbezahlte Werbung enthalten. Als unbeauftragte Werbung gilt die Erwähnung oder Empfehlung von Produkten, Marken und Leistungen jeglicher Art.

GALÁPAGOS / ECUADOR – 34 TAGE ABENTEUER HOCHDOSIERT, BITTE!

Teil 13: Paradies in Seepferdchen-Form

Von Santa Cruz nach Isabela und zurück

9. – 13. Dezember 2019

Latscht man um 5:50 Uhr mit rund 12 Kilo Gepäck auf dem Rücken zum Pier und das Frühstück besteht aus Tabletten gegen Seekrankheit, dann ersetzt man das Wort Urlaub ganz schnell durch die treffendere Bezeichnung Reisen. Logisch, dass die Nacht wieder verdammt kurz war, ich strecke die Tage (und Abende) bis zum Ultimo, könnte ja was verpassen!

Als ich im Morgengrauen meinen Buchungsbeleg an der Fähre vorzeige, blicke ich in fragende Gesichter. Offensichtlich stehe ich nicht auf der Liste. Somit gibt es auch keinen Zutritt auf den Kübel-Kutter. Da ist man hier sehr bürokratisch. Das ist jetzt aber doof, denke ich und erkläre mit spärlichem Spanisch, die Agentur habe mich doch telefonisch angemeldet, was ich gehört und mir schließlich schwarz auf weiß bestätigt wurde. Mit einem Wink wird mein Geplapper abgewürgt, der Security-Chef beginnt hektisch zu telefonieren. Skeptisch beäugt er mich, brabbelt furchtbar schnell ins Telefon, wirft mir einen weiteren seltsamen Blick zu und wendet sich ab. Ist ja nicht so, als würd ich auch nur ein Wort verstehen… diese Geheimniskrämerei irritiert mich. Leicht beunruhigt frage ich nach. Spanische Brocken werden mir entgegen katapultiert, yo no comprendo nada. Man dreht mir den Rücken zu, weitere verschwörerische Telefonate. Ich linse auf die Anmeldeliste und finde meinen Namen. Aha! Aber wenn ich doch draufstehe, warum dann diese Panik?! Jetzt werde ich unentspannt, die Vorstellung hier stinkt zum Himmel. Zwei Männer in offizieller Dienstkleidung kommen hinzu. Moment mal, haben die jetzt ernsthaft die Polizei gerufen?! Der Telefonmann wedelt mit meinem Reservierungswisch herum, in meinem Hirn laufen üble Szenarien von mir hinter schwedischen – ääh spanischen – Gardinen ab. Ich kralle mir einen Hombre, der aussieht, als hätte er was zu melden und frage, ob er Englisch spricht. Yes he can, halleluja! Ich frage ihn, wo das Problem liege und warum nun auch noch die Polizei da steht. Er beruhigt mich, das sei bloß die Seewache und sie bräuchten lediglich eine Gegenbestätigung, ich solle einfach warten, alles sei in Ordnung. Geduldig warten, gut, eine meiner bestechendsten Eigenschaften – NICHT!

Nach weiteren Telefonaten und erneutem Check der Anmeldeliste erspäht Telefonmann plötzlich doch meinen Namen. Seine Laune wechselt von ernst in fröhlich und wie auf Knopfdruck ist alles dufte! Das Problem war, dass auf seiner Liste „nur“ mein voller Name, aber nicht meine Passnummer eingetragen ist. Ohne Worte. Übrigens ist seine Liste maximal eine halbe Seite lang und besteht aus gerade einmal 16 Namen. Ist also nicht so, als hätte er viele Seiten durchblättern müssen, um meinen Namen zu finden. Er zog dennoch endlose Telefonate vor. Nach gut gelaunten Entschuldigungen hängt er mir meinen Kutter-Pass um den Hals.

Erleichtert schweift mein Blick über den Pier. Könnt jetzt losgehen. Moment mal, die beiden Gesichter da kenne ich doch. Es rattert im Oberstübchen, das sind Marylin und Martin! Die beiden waren mit mir vier Tage im Cuyabeno Reservat, im tiefsten Dschungel von Ecuador. Die Welt ist ein Dorf, da treffen wir uns auf Galápagos wieder!

Punkt 6:30 Uhr geht’s aufs Wasser. Zuvor werden alle Gepäckstücke auf verbotene Lebensmittel und derlei geprüft und anschließend versiegelt. Auch die Wanderschuhe werden auf saubere Sohlen kontrolliert.

Ein Taxiboot tuckert die Passagiere für 50 Cent zur Fähre. Dann geht die Luzzie ab! All meine Befürchtungen werden übertroffen! Ohne Reisetabletten hätte ich die Fahrt nicht überlebt! Zwei Stunden fetzt das Schnellboot über den Pazifik, der mächtig derbe Schlaglöcher hat! Diejenigen, die sich ebenfalls Käpt’n Blaubär-Medikamente reingeföhnt haben, erkennt man daran, dass sie willenlos rumhängen, den Kopf auf der Schulter des Sitznachbarn und trotz rabiaten Umständen gepflegt schlafen. So kommt man zumindest mit blauen Flecken davon und kübelt sich nicht zusätzlich die Seele aus dem Leib. Was auf den Booten durchaus zum „guten Ton“ gehört!

Bienvenido a Isabela

Land in Sicht!!! Der Horror hat ein Ende. Was die Taxifahrten in Ecuador sind, scheinen die Fährfahrten auf Galápagos zu sein. Nur mit deutlich mehr „Brech-Potenzial“. Getreu dem Motto: Übergeben ist seliger denn nehmen! Na, da behalte ich doch lieber. Nämlich den Inhalt in mir drin! Und genommen werden bloß die Zauberpillen.

Bevor ich von dem Speed-Kutter ins Taxiboot (1 Dollar) flüchte, checke ich unauffällig die Schulter meines österreichischen Sitznachbarn auf Speichelpfützen. Sieht trocken aus, habe ihn nicht eingesabbert, während es mich kurzzeitig komatös dahingerafft hat. Die Kombi „Reisetablette statt Kaffee“ hat meinen Körper von der Notwendigkeit entbunden, weiterhin den Aktivitätsmodus aufrechtzuerhalten. Um 9:20 Uhr betrete ich erleichtert festen Boden. Am Pier zahlt man erst mal 10 Dollar Nationalpark-Eintritt und trifft sofort auf die Seelöwen und Leguane.

Empfangskomitee auf Isabela
Seite an Seite wird gepflegt gechillt
Ein alter Kahn nahe des Piers

Ich schultere meinen Rucksack, öffne „mapsme“ auf dem Handy und trabe los. Die Hostels suchen, die ich gestern bereits selektiert habe. Gut einen Kilometer ist das gemütliche Zentrum Puerto Villamil entfernt. Auf Galápagos lohnt es sich wirklich, die Unterkünfte nicht im Voraus zu buchen. Der Steueranteil, den man (und auch die Hostelbetreiber) auf diese Weise spart, ist nicht unerheblich. Auf meiner ganzen Reise habe ich nie Probleme, eine passable freie Unterkunft zu finden.

Diesmal bekomme ich ein riesiges Zimmer mit vier großen Betten, geräumigem Badezimmer mit ausladender Warmwasserdusche und Kühlschrank, für schlappe 20 Dollar pro Nacht.

Jetzt werde ich erst mal ein nicht aus der Apotheke stammendes Frühstück einfahren und den Koffeein-Defizitpegel korrekt justieren. Der angebrochene Tag (lustiges Wortspiel in Verbindung mit dem Kotzkutter) wird genutzt, einen Überblick über die Insel zu bekommen und Touren für die nächsten Tage zu buchen.

Isabela hat wunderschöne, menschenleere Strände

Kein Zurück mehr

Es fing alles so harmlos an… Um 7:30 Uhr aufstehen, ums Eck einen Kaffee schlabbern, paar Lebensmittel einkaufen und flott ’ne sechs Kilometer Laufrunde. Hier gibt es zu sehr quirligen Seelöwen und Leguanen auch noch Flamingos.

Jede Bank auf Isabela ist von Seelöwen belagert
In der Laguna Salinas tummeln sich unzählige Leguane und Flamingos

Ich mache mir im Hostel ein kleines Frühstück und laufe zur benachbarten Agentur, in der ich gestern nachmittag zwei Ausflüge gebucht habe. Schwimmflossen und Wetsuit anprobieren, die Truppe kennenlernen und ab geht es zum Boot.

In weiser Voraussicht werfe ich mir eine Reisetablette ein! Heute erfahre ich, WAS Seegang ist. Die gestrige Fahrt kommt mir wie jetzt wie eine Tretboot-Tour vor. Unser Käptn rotzt so dermaßen übers Wasser, dass ich den zweiten Kaffee bereue. Ich kann gar nicht hinsehen. Macht alles doppelt schlimm. Mein Sitznachbar erkundigt sich, nicht ganz ohne Sorge, nach meinem Befinden. Ich versichere ihm, er habe nichts zu befürchten. Schicksalsergeben recke ich die Nase in den Wind, fokussiere die Gedanken und kneife die Arschbacken zusammen. Aus der Nummer komm ich jetzt nicht mehr raus.

Irgendwann hält das Boot mitten auf dem Meer an. Es schaukelt so abartig hin und her, dass man fast nicht stehen kann. Ich schiele vorsichtig über das Meer und sehe eine große Flosse. „HAI“, rufe ich. Die Heinz Sielmann-Auszeichnung gibt es dafür nicht, handelt sich nämlich um einen riesigen Manta. Zwei sogar. Sie schwimmen unter unserem Boot hindurch, drehen ihre weiße Unterseite nach oben und in dem Moment erkennen wir ihr enormes Ausmaß. Pablo, unser Guide, schätzt sie auf vier Meter und macht Unterwasseraufnahmen.

Bei genauem Hinsehen kann man im Wasser die dunkle Silhoutte des Mantas erkennen
Zwei riesige Tiere schweben um unser Boot herum

Mit hoher Geschwindigkeit scheppern wir weiter zum Black Rock. Ein bizarrer Felsen, der einfach so mitten aus dem Pazifik ragt und als Ruheplatz für Seelöwen, kleine Pinguine und Vögel dient. Wir wackeln in unserer Schüssel einmal drumherum.

Black Rock mitten auf hoher See

Los Túneles und die Blaufußtölpel

Nach gut 45 Minuten erreichen wir Los Túneles, die bizarre Lavafelslandschaft, die vom Vulkan da einfach so hingespuckt wurde. Wunderschön! Langsam tuckern wir durch die steinernen Kanäle, vorbei an Felsbrücken, die sich über das kristallklare, seichte Wasser schwingen. Auf den kargen Böden wachsen Kakteen, Seelöwen liegenin der Sonne.

Los Túneles

Nach einem leckeren Lunch auf dem Boot machen wir eine kleine Wanderung auf dem Lavagestein. Pedro zeigt uns Nester des so beliebten Vogels, dem Blaufußtölpel. Oder wie man ihn hier nennt „Blue footed boobie.“ Begeistert beobachten wir die Tölpel beim Brüten ihrer Eier und zusammen mit ihrem flauschigen Nachwuchs.

Blue footed boobie mit 6 Monate alten Jungvögeln

Die Boobies sind wirklich zu ulkig, nicht nur wegen ihren blauen Füßen. Die haben sie übrigens, weil sie Shrimps fressen. Tun sie das nicht, verlieren ihre Patschen die Blaufärbung und werden weiß. Ihre Artgenossen, die Rotfußtölpel, futtern sich ihre roten Treter durch Calamari an.

Zweimal jährlich, im April und September, ist Paarungszeit bei den Tölpeln. Die Männchen tanzen für die Weibchen und zeigen dabei ihre blauen Mauken, um damit die Chicas zu beeindrucken. Die finden das auch ganz fesch und tanzen mit, will heißen, „geht klar, in dein Nest oder meins?“

Wirf die Angst über Bord und spring über deinen Schatten

Nach der kleinen Wanderung geht es ein weiteres Mal mit ordentlich Karacho über die Wellen.
Irgendwo im Nirgendwo halten wir. Ich schieße mich in den Neopren, Flossen an die Treter, Maske auf. Jetzt wird’s ernst. Pablo erklärt ein paar Regeln und sagt an, dass wir jetzt einfach vom Boot ins Wasser hüpfen. Öhmm, Augenblick… hä? Wie, hüpfen?! Das geht nicht, ich bin Hochleistungs-Wasserweichei! Also im Schwimmbad (wo ich mich quasi nie aufhalte – genauso wenig wie in Badeseen) begebe ich mich maximal in Zeitlupentempo ins Wasser. So durchschnittlich drei Zentimeter Körper pro Minute, außer wenn es sehr kalt ist, dann gar nicht.

Habe ich tatsächlich dafür bezahlt, mitten im arschkalten Pazifik – wo alles mögliche und unmögliche Getier schwimmt – zu planschen?? Jetzt dämmert mir, das hier ist ne Nummer zu groß. Klassische Größenwahn-Selbstüberschätzung!
Ich kann nicht in diese dunkle Brühe springen und vom Boot wegschwimmen, hier in der gefühlten Arktis. Ich suche nach Eisschollen. Als nächstes registriere ich, dass bereits die ganze Truppe im Wasser ist, nur ich erstarrt im Boot klebe.

Schnorchelausflug bei Haien


Einer der Crew versteht meine Not und redet beruhigend auf mich ein. Verstehe zwar nur spanisch, aber er guckt mir so eindringlich in die Augen, dass ich mich fasse. Tief atmend hocke ich auf dem Rand des Bootes. „Pienz net und schaff den Kadaver ins Wasser“, pushe ich mich. Wie eine Ertrinkende klammere ich mich an die Hand, die mir der Skipper hinstreckt und… springe. Schnappatmung! Scheiße ist das kalt! Noch immer hält er meine Hand und nickt zuversichtlich, während ich hektisch durch den Schnorchel röchel. Ich lasse los und schwimme zur Gruppe. Der Schnorchel verstärkt die Lautstärke meiner eigenen Atemgeräusche, klingt unheimlich, wie in einem schäbigen Horrorfilm.

Die Psychostimme funkt mal wieder rein: „Guck maaaal, das Boot ist voll weit weg. Sau kalt, die Brühe. Übrigens ist es unter dir brutal dunkel. Kannste gar nicht sehen was da so rumschwimmt. Du gehörst nicht ins Wasser, du solltest an den Felsen bleiben und klettern!“ Ich tauche unter, die Stimme ist abgesoffen. Hefte mich dicht an die Flossen von Pablo und der letzte Rest Angst weicht Euphorie und Neugierde. Und dann schwimmt plötzlich ein Hai unter mir durch. Er hat in etwa meine Größe. Panik? Nö, im Gegenteil. Ich quietsche in den Schnorchel vor Freude! Wie krank ist mein Kopf, dass ich das jetzt einfach nur gigantisch finde?!

Und dann taucht der erste Hai auf…

Die Schnorcheltour ist für mich eines meiner krassesten Erlebnisse. Wir schwimmen zusammen mit Riesenschildkröten, die seelenruhig ganz nah vor uns durchs Wasser schweben. Die Unterwasserwelt hält einiges parat. Drei Manta-Rochen gleiten an uns vorbei, wir finden Seepferdchen, große bunte Fische und kleinere Haie.

Erlebnisreiche Unterwasserwelt
Auch die Mantas lassen sich nicht von uns stören

Pablo will mit uns auf Hai-Suche gehen. Er bringt uns zu Höhlen, in denen sie sich aufhalten. Da man im Neopren kaum untertauchen kann, drückt uns Pablo der Reihe nach für einige Sekunden unter Wasser, so dass wir in die Höhle gucken und die Haie sehen können. Das ist der absolute Wahnsinn und ein wenig gruselig. Zumal das Wasser sehr trüb und grünlich ist. Manchmal kann man kaum etwas sehen und paddelt förmlich ins Ungewisse, da geht mir ordentlich die Düse.

Gruseliger Blick in die Hai-Höhle

Nach gut einer Stunde steigen wir zähneklappernd und durchgefroren ins Boot. Von der Crew bekommen wir eine Süßwasserdusche aus dem Schlauch, ein Badetuch und warmen Tee. Die Rückfahrt fühlt sich viel besser an.

Um 17 Uhr sind wir wieder am Pier. War das krass!
Ich kann es nicht fassen, dass ich meinen persönlichen Horror überwunden und sogar Spaß dran hatte! Mir tut die ganze Kauleiste weh. Habe mich vermutlich wie eine Geisteskranke in den Schnorchel festgebissen.

Ein neuer Tag, ein neues Abenteuer

Hmpf… kurze Nacht mit viel Träumerei. Das nennt man wohl Erlebnisverarbeitung.

6:25 Uhr. Schneller Koffeeinkick während ich mich fertig mache. Heute gibt es eine Trekkingtour, als Kontrastprogramm zu Wellen und Wasser.

Isabela, die auf der Landkarte die Form eines Seepferdchens hat, ist so toll, dass ich kurzerhand meinen Besuch auf 4 Nächte verlängere. Lieber eine Nacht weniger in Santa Cruz. Was mir so gut gefällt, ist die Echtheit und das karibische Flair. Es ist viel weniger touristisch als Santa Cruz. Dabei ist Isabela mit einer Fläche von 4.588 km² die Größte der Inseln. Im Norden gibt es die Vulkane Wolf und Darwin, in der Mitte den Volcán Alcedo und im Süden die Vulkane Cerro Azul und Sierra Negra. Alle sind aktiv.

Isabela, das Seepferd ist die größte der Inseln im Archipel

Die Besteigung des Volcán Sierra Negra und Chico

Als Vulkanliebhaber gehört eine Besteigung natürlich zum Pflichtprogramm.

Kurz nach 7 Uhr sammelt mich der Bus am Hostel auf. Nachdem die Gruppe vollständig ist, geht es rund 25 Kilometer ins Hinterland Santo Tomás, zum Volcán Sierra Negra (1.124 m) und seinem kleineren Bruder Chico. Tiffany, unser Guide, verteilt Lunchpakete an alle bevor wir aussteigen. Draußen ist es neblig-feucht, es nieselt. Meer und Strand sind einer Nebelwald-Atmosphäre gewichen. Kontrastreicher könnte es nicht sein.

Auf dem Weg zum Volcán Sierra Negra

In zügigem Tempo folgen wir Tiffany die braune Sandpiste hinauf. Vorbei an Farnen und Flechten, Bäumen und allerlei Grünzeugs steigen wir bis zum Kraterrand auf 1.000 Metern. Ein gigantischer Anblick. Mit seinem Durchmesser von ca. 10,5 Kilometern ist er der zweitgrößte Vulkan der Erde. Ich bin schon auf einigen Vulkanen dieser Erde gewandert, aber dieser gehört wirklich zu den Schönsten. Nebelwolken ziehen in den Krater. Tiffany erklärt uns die unterschiedlichen Farbtöne der Lava, an denen man deutlich die neueste Schicht des Ausbruchs von 1997 erkennen kann. Mit Schaubildern steht sie vor dem Krater und informiert uns über die Ausbrüche und die letzte Eruption in 2018.

Die fast 11 KM breite Caldera des Sierra Negra
Guide Tiffany erzählt über die Vulkane der Insel

Je weiter wir kommen, desto trockener und wärmer wird es. An Sträuchern hängen reife Guabas. „Probiert sie mal“, schlägt Tiffany vor. Während wir die kleinen süßen Früchte knabbern, erzählt sie von der Sage, wer die Guaba vom Baum pflückt und isst, bleibe für immer auf Galápagos. Meine Augen funkeln. Sicherheitshalber schieb ich eine weitere hinterher. „Und? Für welche der Inseln hast du dich entschieden?“ fragt Tiffany lachend.

Guaba-Frucht; es heißt, wer sie isst, bleibt für immer auf Galápagos

Am Horizont zeichnet sich das Meer ab. Von der Anhöhe aus sind der Volcán Ecuador, die Insel Fernandina, der Volcán Darwin und die Ausläufer von Isabela erkennbar.

10 Uhr, die Bäuche knurren – Frühstückspause! Die vegetarischen Bedürfnisse wurden berücksichtigt, stelle ich beim Blick auf das mit Käse, Tomaten und Salat belegte Brötchen freudig fest. Darüber hinaus hält die Wundertüte Banane, Schokoriegel, Säftchen und eine vorgeschälte Apfelsine parat. Tiffany bittet, die Kerne nicht auszuspucken, sondern wieder einzupacken. Auch die bettelnden Vögel dürfen nicht gefüttert werden. Jeglicher organischer Abfall könnte zu einer Veränderung der endemischen Natur führen. Beeindruckend, dass überall auf Galápagos streng darauf geachtet wird, Flora und Fauna in ihrem Ursprung zu schützen. Hier beugt man sich glücklicherweise nur begrenzt dem Tourismus, der Erhalt der Naturreservate hat oberste Priorität. Das Konzept ist simpel aber effektiv: Lediglich rund ein Drittel von Isabela darf betreten werden (Touren wie die heutige ausschließlich in Begleitung eines Naturguides). Im restlichen Naturschutzgebiet hat niemand etwas verloren. Nur wenige bestimmte Guides dürfen es betreten. Zu den Tieren ist immer ein gebührender Abstand einzuhalten. Sie werden weder gefüttert noch berührt. Die Einreiseerlaubnis von 100 Dollar und überhaupt die stolzen Preise auf den Inseln tragen ihr Übriges dazu bei, die Menschenmassen zu dezimieren.

Die Umgebung verändert sich kontinuierlich. Die grüne Fläche um den Sierra Negra und seinem kleinen Bruder Chico ist einer kargen Landschaft gewichen. Wir laufen weitere neun Kilometer über raues, rotbraun und schwarzes Lavagestein, vorbei an großen Kakteen.

Man fühlt sich auf einen anderen Planeten gebeamt

In der Caldera haben sich höhlenähnliche Löcher gebildet. „Steckt mal die Hand rein“, deutet Tiffany auf ein Loch. Die Luft darin ist ganz warm. Ewig lange Lavatunnel durchziehen das Vulkanareal. Die mineralische Farbpalette ist prächtig. Tiffany dreht einen schwarzen Lavastein in ihrer Hand. Er schimmert wunderschön tiefblau. Sie hält uns einen weiß und gelb gesprenkelten Stein hin. Magnesium- und Sulfurablagerungen.

Die Lavahöhlen ziehen sich endlos lang über das Vulkan-Areal

Als wir den Rückweg antreten, brennt die Sonne so heiß, dass die Luft flimmert. Sonnencreme und Kopfbedeckung sind unerlässlich. Selbst für die Einheimischen.
Verrückterweise schlägt es am Ende der Strecke binnen weniger Minuten wieder um in feuchtes, nebliges und kaltes Klima.

Knapp 17 Kilometer legen wir zurück. Eine echt abwechslungsreiche und lohnenswerte Wanderung, die ich jedem auf Isabela nur ans Herz legen kann.
Um 14 Uhr sind wir wieder in Puerto Villamil.

Wer so fleißig ist, hat auch Seelenbaumel-Programm verdient, denke ich, als ich durch den entspannten Ort schlendere. So verläuft der restliche Tag mit Leguane bestaunen, Seelöwen und Flamingos gucken, furchtbar leckeren Loco Coco zum Sonnenuntergang am Strand schlabbern, dabei barfuß im Sand graben und mich ganz irre viel über dieses Lebensglück-Gesamtpaket freuen. Es könnte durchaus beschissener sein.

Restaurants in der „Hauptstraße“ von Puerto Villamil
Wunderschöne, ruhige Abendstimmung am Meer

Wanderung „Muro de las Lágrimas“ – die Mauer der Tränen

Am Morgen stelle ich meine Anpassungsfähigkeit – oder nennt man das Kapitulation?! – unter Beweis. In der Hostelküche koche ich mit heißem Wasser, Milch und Höllen-Instantpulver mein Koffeeingebräu (yepp, richtig gelesen, ihr Kaffeeliebhaber da draußen) und trabe los. Tatsächlich ist der Himmel wolkenlos, das war bisher eher selten so. Und es ist drückend warm.

Auf der Wanderung „Muro de las Lágrimas“ komme ich mal wieder voll auf meine Kosten: Ich nehme jeden kleinen Abzweig rechts und links des Hauptweges und treffe auf Leguane, Flamingos, Seelöwen und Pelikane.

Wegbeschreibung der Wanderung Muro de las Lágrimas
Auch hier hängen überall die Leguane rum

Der Weg führt vorbei an Stränden und Leguan-Nistplätzen (Betreten verboten Schilder schützen diese Areale), großen Kakteenbäumen, Mangroven und zweigt zum Aussichtspunkt „Los Tunos“ und zum Lavatunnel „Túnel de Estero“ ab.

Farbenfroh und einfach toll
Los Tunos
Faszinierende Lavatunnel

Bei einem Seitengang stoße auf ein ganz besonderes Gewächs. Den Manchinelbaum, einer der giftigsten Bäume der Welt. Im spanischen nennt man ihn auch „Manzanilla de la muerte“, was soviel heißt wie „Äpfelchen des Todes“. Der Name ist Programm. Deshalb warnen Hinweisschilder vor dem botanischen Killer.

Schilder warnen vor den hochgiftigen Bäumen

Während der Verzehr seiner kleinen Äpfel für den Menschen tödlich sein und der Kontakt mit dem hochgiftigen Milchsaft (der bei Regen aus den Blättern tropft) starke Hautverätzungen und Augenreizungen hervorrufen kann, fressen Riesenschildkröten und einige Leguanarten mit Vorliebe seine Blätter und Früchte. Durch einen niedrigen Ast-Tunnel dieser Bäume komme ich überraschend an einer kleinen, versteckten Lagune raus. Ein Vorteil, wenn man die Tour läuft und nicht – wie viele der Leute – mit dem Fahrrad macht.

Der Majagua-Tunnel führt zu einer idyllischen Lagune

Es könnte gar nicht passender sein. Als ich das Schild „Camino de las Tortugas“ (Weg der Schildkröten) passiere, steht einige Meter vor mir auf dem sandigen Pfad ein eben solches Prachtexemplar. Die Schildkröte bleibt stehen und beäugt mich argwöhnisch. Als ich mich nähere, zieht sie langsam den Kopf an ihren großen Panzer. Ihr Blick klebt weiterhin an mir. Mit großem Abstand gehe ich staunend an ihr vorbei. Erst als ich aus ihrer vermeintlichen Gefahrenzone bin, lässt sie mich aus den Augen und schleicht weiter.

Riesenschildkröte auf dem Camino de las Tortugas

Nach achteinhalb Kilometern erreiche ich den Mirador Cerro Orchilla. Über Steinstufen geht es rauf zur Aussichtsplattform. Die trockenen, blattlosen Äste der weißen Bäume ringsum hängen voller Flechtenbüschel. Ein irrer Anblick. Tief beeindruckt und schwitzend stehe ich oben. Kein Mensch weit und breit. Unter mir dehnt sich die weitläufige Schönheit dieses Paradieses aus. Ein Fleck heile Welt. Und der perfekte Platz für eine Frühstückspause. Selig nage ich mein Käsebrötchen, genieße das 360-Grad-Panorama rundum. Der Bauch füllt sich, die Augen können sich nicht satt sehen.

Hinauf zum Mirador Cero Orchilla
Die Bäume hängen voller Flechten
Vom Mirador hat man einen grandiosen 360-Grad-Rundumblick

Bleibt nur noch die Frage zu klären, wo diese Tränenmauer ist… Um Freudentränen handelte es sich bei ihrer Errichtung allerdings nicht. Gefangene einer Strafkolonie wurden zu der leidvollen Arbeit gezwungen, die Lavasteine anzuschleppen und mühsam eine mehrere Meter hohe, breite Mauer um das Gefängnisgelände zu bauen. Viele Menschen ließen dabei ihr Leben. Inzwischen stehen nur noch Überreste dieser Mauer. Ein Mahnmal, in Gedenken an die Gefangenen (1946 – 1959), ihre Qualen und ihr Leid.

Von meinem Aussichtspunkt kann ich die Mauer nirgendwo erspähen. Noch immer ist auch rundum kein Mensch, den ich fragen könnte. Da ich nicht weiß, wie weit es noch zu der Tränenmauer ist (auch mit googlemaps werde ich nicht schlauer und zweifle an meiner örtlichen Richtigkeit), die ganze Strecke auch wieder zurückgelatscht werden muss und es brütend heiß ist, trete ich den Rückweg an.

Unterwegs treffe ich auf weitere Galápagosschildkröten. Aus dem Gebüsch am Wegesrand winkt mir plötzlich ein bekanntes Gesicht zu. Einer der Jungs, der mit mir auf dem Boot bei der „Los Túneles-Tour“ war. Flüsternd zeigt er auf den Tümpel unter sich. Eine Riesenschildkröte kriecht langsam zum Trinken in das grüne Wasser. Wir setzen uns auf den Boden und beobachten schweigend das imposante Geschöpf, bis es im Zeitlupentempo im Dickicht verschwunden ist.

Am frühen Nachmittag erreiche ich den Eingang des Parks. Jetzt muss ich doch mal einen Blick auf den Lageplan werfen. Oha, Mist! Die Mauer wäre ja unmittelbar nach dem Mirador gekommen. Gucke wohl etwas blöd aus der Wäsche, denn ein Herr neben mir spricht mich an. Ich erkläre meinen ärgerlichen Wander-Fauxpas. Er winkt ab, war gar nicht so spektakulär. Auf seinem Handy zeigt er mir seine Fotos der „Muro de las Lágrimas“, von der noch etwa hundert Meter übrig sind. Na gut, wirklich was verpasst habe ich nicht, lässt man mal außer Acht, dass dies das eigentliche Ziel meiner Tour war. Aber heute hat sich wieder mal bestätigt, der Weg ist das Ziel. Und der war definitiv grandios!

Den angebrochenen Tag nutze ich für einen Abstecher zur Aufzuchtstation für Riesenschildkröten (Centro de Crianza de Tortugas Gigantes). Hier werden Eier ausgebrütet, unterschiedliche Arten der Jungtiere großgezogen und ältere Tiere gepflegt. Wenn die Tiere soweit sind, werden sie in die Freiheit entlassen.

Gehege in der Aufzuchtstation Centro de Crianza de Tortugas Gigantes

18 Kilometer später bin ich im Hostel zurück.
Der müde Kadaver schreit nach Kaffee und ner lauwarmen Dusche, bevor ich zum Abend in einem der Restaurants um die Ecke die Füße hochlege.

Morgen klingelt der Wecker wieder zu einer absolut perversen Uhrzeit! Um 5:15 Uhr habe ich am Pier zu stehen. Dummerweise gibt es nur an ganz wenigen Tagen eine Direktverbindung von Isabela nach San Cristobal. Mir bleibt also bloß die mühsame und zeitintensive Variante über Santa Cruz, in der Hoffnung, dort ein Ticket für die spätere Fähre nach San Cristobal zu ergattern. Da sich der Tourismus stark in Grenzen hält, bin ich guter Dinge.

Ich könnte noch locker ein paar Tage auf Isabela dranhängen. Die Insel versprüht so viel karibischen Charme und Leichtigkeit, man kann sich nur pudelwohl fühlen. Aber gerade beim Reisen sind Abschiede unvermeidlich…

Keine Bank ohne Seelöwen
Leguane beherrschen die Galápagos-Inseln
Rote Klippenkrabbe

(Teil 14 folgt)

Wart ihr schon auf Galápagos? Welche der Inseln hat euch am besten gefallen? Welche Touren habt ihr so gemacht und wie waren eure Erfahrungen? Welches der Tiere hat euch am meisten fasziniert? Oder welcher Fleck auf der Erde hat euch ganz besonders berührt und warum?

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ECUADOR – 34 TAGE ABENTEUER HOCHDOSIERT, BITTE!

Teil 9: Kaffee-Revoluzzer, Mordlustige Lagune und Teufelsfahrt zur Teufelsnase

3. Dezember 2019

Buenos dias und adios Riobamba. Zum Abschied einen Morgenkaffee, bevor Wanderbus ein- und ich mit ihm abtrudel. Das sensationelle Café, in dem ich gestern Glück fand, zu. Es wär ja auch einfach zu schön gewesen…

Dann eben traditionell zum bekannten Saft- und Mampfladen. Da weiß man wenigstens, was Koffeein-Grottiges serviert wird, ha! Neben die erwartete Tasse heiße Milch wird eine große Dose Instantpulver (offensichtlich wurde meine Not erkannt), mit dem vielversprechenden Slogan „Cafe Buendia“, gestellt. Hoffentlich ist der Name Programm! Der Körper schluchzt auf.

Instant-Kaffee: Hartes Los für Menschen, in deren Venen Koffeein fließt…

Südamerika, das Land der minimierten Kaffeefrohlockung, schade eigentlich. Hätte ja gern importiert. Aber ich werde die Hoffnung nicht aufgeben! REVOLUTION! Viva el Kaffeebohne! Herausforderung angenommen. Ernenne mich fortan zum Che Guevara der unterdrückten Kaffeejunkies! Was zählt, ist die Mission!

Ecuadors erste Kirche

Der Wanderbus kommt, pünktlich und zuverlässig wie immer. Unser erster Stop der heutigen, sehr langen Reiseetappe ist Balbanera im Kanton Colta. Kurze Besichtigung der ersten Kirche (15. August 1534), die es in Ecuador gab. Sakrales Gedudel schallt uns entgegen. Aus Angst, beim Betreten zu Staub zu zerfallen, spähe ich vorsichtig ins Innere. Schicke, rustikale Holzdecke. Ansonsten, tja, ne kleine Kirche eben. Nicht so mein Ding, verkommenes Heidekind. Buddhistische Tempel lassen mich hingegen bedeutend mehr ausflippen.

Wanderbus vor Ecuadors erster Kirche

Die Stände mit den ach so hübschen Alpaka-Schals auf dem Parkplatz finden größeres Interesse. Ich handele den Preis runter (auf Spanisch) wie ein Marktweib auf Umschulungsmaßnahme. Meisterleistung! 1 Dollar gespart. Feilschen gehört nicht zu meinen bestechendsten Eigenschaften.

Wanderbus-Guide José zeigt auf quietschbunte Häkelmasken und erklärt ihre Tradition. Die sogenannte „Aya Huma“ hat hinten und vorne jeweils ein Gesicht, eines für die Vergangenheit, eines für die Zukunft. 12 Woll-Dödel stellen Haare dar, die für die Monate und die 12 Götter der Region Balbanera’s stehen.

Die traditionelle quietschbunte Aya Huma

Auf der Straßenseite gegenüber drehen aufgespießte Cuys (Meerschweinchen) Runden im Grillkarussel. José schwärmt mit hungrigem Blick, sie seien seeehr lecker. Ich bevorzuge sie lebend, ziehe ich den Veggie-Spaßbremsenjoker.

Landestypische Delikatesse, gegrillte Cuys (Meerschweinchen)

Unser Kamikazefahrer (sollte ich in Ecuador sterben, dann im Straßenverkehr -> Überlebensbericht Teil 1) brettert weiter durch Santiago de Quito, ein früheres Inka-Dorf. Hier leben etliche indigene Völker und betreiben großflächig Landwirtschaft. Ihre wichtigsten Anbau-Produkte sind Mais, Kartoffeln, Quinoa und Knoblauch.

Die hungrige Laguna Ozogoche im Sangay National Park

Die Fahrt ist brechreizfördernd. Hoffentlich wird Wanderbus nicht zum Kübelbus. Dafür kommen die Augen voll auf ihre Kosten. Die Landschaft ist wunderschön, unendliche Weiten erstrecken sich hinter der Fensterscheibe.

Unterwegs in der Einsamkeit

Wir holpern über eine sandige Schotterpiste im Sangay National Park. Durch den sonnendurchfluteten Bus wabert ein stickiger Staubschleier, den wir unweigerlich einatmen. Vor uns öffnet sich ein Tal mit zwei tollen Seen. Ich bin geflasht.

Die Lagunen im Sangay National Park

Kurze Pause für Fotos, dann fahren wir das letzte Stück zum „Restaurant“, wie José verkündet. Das Gemäuer sieht allerdings sehr verlassen aus. Im Gras hockt ein kleines Mädchen mit pinkfarbenem Poncho, rosa Käppchen und lila Gummistiefeln. Dreckverschnuddelt hält sie eine Tüte Chips in der Hand, während ein Welpe versucht, einen Happen zu ergattern. Verschüchtert blicken ihre dunklen Kulleraugen die vor ihr stehende Touri-Truppe an. Die Gastgeberin tritt mit einem Tablett aus der Hütte. Sie serviert uns heißen, aromatischem Tee aus „Sunfo“, einer endemischen kleinen roten Blume. Hilfreich bei Höhenkrankheit. Wir sind wieder auf 3.800 Metern. Vielleicht hilft Sunfo ja auch gegen Busfahrt-Magenschleudertrauma.

Bevor wir zum Mittagessen in wieder hier einkehren, steht eine Wanderung durch den Nationalpark an. Bewegung, Yippieh!
Eine gute Stunde laufen wir durch die braun-grüne Steppenlandschaft zur Lagune Ozogoche und zurück. Ein einfacher Pfad, über idyllische kleine Holzbrücken, durch Matschtümpel und Weideland zum Seeufer. Die Höhe macht sich bemerkbar.

José weiht uns in das düstere Geheimnis der Laguna Ozogoche ein. Der Name bedeutet in Quichua soviel wie „hungrig nach Fleisch.“ Einmal im Jahr fliegen unzählige Vögel in den See hinein und sterben, erklärt er weiter. Das ist keine Legende, sondern unheimliche Realität. Keiner kennt den Grund. Die Einheimischen zelebrieren diese eine bestimmte Woche im Jahr, da ist Party angesagt. Ozogoche, die nicht vegetarische Lagune, ist ne mörderkrasse Plörre!

Ein aufschlußreiche Wandertour. José bricht Seegras von einer Art Schilf ab und hält mir den Halm warnend hin. Rasiermesserscharf. Die Völker verwenden die Halme, um bei Geburten damit die Nabelschnur durchzuschneiden. Faszinierend. Jeder weitere Tag in Ecuador macht survival-tauglicher!

Zudem ist es traumhaft schön hier. „Sieht aus wie im Auenland, bloß die Hobbits fehlen“, grinse ich José an. Er kontert schlagfertig: „Oh, es gibt hier Hobbits, aber die tragen Ponchos.“ Grüble über seine Worte nach, mit dem Resultat, dass er hier der einzige Lockenkopf ist. Die Tatsache, dass er unentwegt am futtern ist, festigt meine unausgesprochene These über den Tag hinweg. Vielleicht erwische ich ihn noch barfuß…

13 Uhr, zurück am „Restaurant“. Zeit für Lunch. In meinem Fall Frühstück (am Morgen wurde der Körper bloß mit Pseudo-Kaffee abgespeist und einem vorzüglichen Tree-Tomato-Cocos-Saft). Im Fall des Hobbits vermutlich das einhundertelfzigste Frühstück. In dem Gemäuer hat man ein paar Tische bunt für uns eingedeckt.

Zum Glück ist das Essen fleischloser als die Lagune und erstaunlicherweise ist nix davon in Fett gebraten oder frittiert. Es gibt gekochte Maiskolben, Riesenbohnen (gepimpt mit einer pikanten Soße aus der vielseitigen Tree-Tomato, Limone und Zwiebel) und köstliche Kartoffelsuppe mit einem Spalt Avocado. Wärmender Sunfo-Tee rundet unser Menü ab.

Teuflische Fahrt zur Teufelsnase

Die Weiterfahrt nach Alausi wird als sehr serpentinenreich angekündigt. Bingo! Mit gefülltem Bauch, Doppelbingo! Die Prognose lautet: Zwei Fahrstunden Brechbus, wenn es (wie fast immer) sehr neblig ist und schwupps, schon sieht man keine 30 Meter mehr aus dem Fenster. Das Blister mit den Kotztabletten bohrt sich in meine Hand.

Deutlich schneller als angekündigt erreichen wir Alausi. Was jedoch nicht daran lag, dass der Nebel verschwand. Das tat er nämlich nicht! Allerdings ist der Teufel kein Eichhörnchen, sondern Busfahrer. Unser Chauffeur aus der Führerschein-Vorhölle muss mit dem Taxi-Sensenmann aus Quito verwandt sein (erneuter Verweis auf den Überlebensbericht Teil 1 und die dort deklarierten Spezial-Verkehrsregeln). Meine Gebete für erhöhtes Nebelaufkommen IM Bus wurden ignoriert. Dafür gab es uneingeschränkten Freiblick zum Fahrerfenster. Alles, was sich dahinter bzw. davor abspielte, ließ sich lediglich erahnen, nein, befürchten. Sicherheitsabstand?! Völlig überbewertet! Höllen-Bus überholte auch rigoros LKW’s in Kurven! Teufelsfahrt zur Teufelsnase! Nur, dass ich dies fatalerweise ausschließlich auf die abenteuerliche Holzzug-Fahrt über die legendäre Nariz del Diablo (Teufelsnase) bezogen hatte. Die brauch ich nach dem Verkehrs-Exorzismus wahrlich nicht mehr.

Im Bahnhof von Alausi

40 Minuten Alausi-Aufenthalt. Zeit, kurz den Boden zu küssen und sich flott umzusehen. Mit einem Koffeeinjunkie-Komplizen unserer Truppe investiere ich in Kaffee, statt Souvenirs, frisch vor unseren Augen aufgebrüht! Kein Instantpulver. Dieser Duft! Will gerne euphorischen Ausdruckstanz auf der Theke machen.

Auch in Alausi werden massenweise Alpaka-Waren angeboten

Cuenca – wir leben noch

Heute haben wir ordentlich Strecke durch Ecuador gemacht. Und es überlebt! Die heutigen Busstunden werde ich in einigen Therapiestunden aufarbeiten müssen. Vielleicht trinke ich besser einfach zwei, drei Schirmchengetränke mehr, das könnte auch helfen.

Man lernt ja nie aus und heute habe ich gelernt, dass Coke Zero in den Nasenlöchern nicht sooo geil is. Von Baileys und Eierlikör wusste ich das ja bereits.
Der Bus-Besessene hatte vor einem beachtlichen Hubbel mal gepflegt das Gaspedal durchgetreten. Da ich ja eh kaum hinsehen konnte, war ich darauf nicht vorbereitet und habe mir einen kräftigen Schwupps frontal in den Riechkolben katapultiert. Fazit meiner Knoff-Hoff-Show: Wenn man unbedingt diverse Getränke über die Nasenscheidewand filtern mag, dann sind kohlensäurearme vorzuziehen. Hochprozentige sowieso.

Der Fahrer hat seinen Stil konsequent durchgezogen. Starkregen, dichter Nebel, viel Verkehr, alles kein Grund mit 120 km/h rumzutrödeln. Generell wird gerne mit Lichthupe hinterm Vordermann geklebt, während bei Dämmerung oder Nebel das Licht eher auszuschalten ist. Blendet ja auch ungemein.

Egal, wir sind in Cuenca, es nieselt. Das wenige was ich von der Stadt gesehen habe – wobei, hatte mich ’ne knappe Stunde verirrt und daher doch schon einiges gesehen – ist übelst schick! Prunkvolle Kolonialbauten und alles gigantisch beleuchtet.

Auch ein Hostel war prompt gefunden. Habe mich kurzerhand dort einquartiert, wo der Hobbit nächtigt. José, ich meine José! Quasi Locals-Know-how genutzt. Die Unterkunft Casa Latina ist ein altes, charismatisches Kolonialhaus. Hohe Decken, ächzende Treppenstufen, uralte Holzdielen. Ich spüre die knarzenden Schritte von draußen, wenn ich im Bett liege. Für die nächsten 3 Nächte wohne ich in einem unfassbar günstigen Zimmer mit 3 Betten und eigener kleiner Nasszelle.

Morgen wird erst einmal die Stadt erkundet. Und nicht zu vergessen, es gilt auch noch eine Mission zu erfüllen!

(Teil 10 folgt)

Habt ihr auch schon solche Horrorfahrten erlebt? Kämpft ihr mit Reisekrankheit oder seid ihr völlig gechillt, egal wie schlecht die Straßen,wie rau die See ist? Reist ihr lieber mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit Mietwagen? Wie bereist ihr ein Land? Erzählt doch mal 🙂

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ECUADOR – 34 TAGE ABENTEUER HOCHDOSIERT, BITTE!

Teil 8: Caramba in Riobamba und höhenkrank am Chimborazo

30. November – 3. Dezember 2019

Der Dschungel hat mich verbabbt ausgespuckt (Bericht Teil 7). Seit Mitternacht bin ich zurück in Baños.

Die Rückfahrt war speziell… Nach der tropischen Dschungelhitze kämpfte der Körper mit der Kühlschrankkälte im Bus. Unterwegs stoppte uns das Militär. Alle mussten aussteigen (draußen wieder 30°C) und Ausweise bzw. Reisepässe abgeben. Selbst ich gelassenes Wesen werde sehr schnell unentspannt, wenn man mir meinen Reisepass wegnimmt. Das Handgepäck wurde gefilzt, dann wurden wir glücklicherweise recht zügig und sehr freundlich wieder entlassen. Uff…

Die folgenden 9 Stunden im Bus sind alles andere als vergnügungssteuerpflichtig! Die Kiste schaukelt über Hubbelpisten, der Fernseher vorne plärrt Boxfilme (in spanisch) durch die Nacht und zwei Kinder haben es sich zur Mission gemacht, abwechselnd mit lautem Geschrei oder Kreischgelächter die TV-Beschallung zu übertönen. Und das gefühlt die komplette Fahrt hindurch! Waterboarding für Lauscher und Hirn, ich bin jedenfalls durch, als ich in Baños den Bus verlasse.

Dank Carlos (der vor 5 Tagen mit mir das Zimmer reservieren war) kenne ich den Weg zum Hostel. Schnell geduscht und in das letzte freie Hochbett im 6er-Dorm geklettert. Übernächtigt, aufgedreht. Mir bleiben 4 1/2 Stunden, dann sammelt mich bereits der nächste Wanderbus ein.

Frühstücks-Fresskoma vs. Pseudo-Kaffee

Nach nur 2 1/2 Stunden Fahrt erreichen wir Riobamba. Mit der kleinen Wanderbus-Truppe verschaffen wir uns ein ersten Eindruck von der lebhaften Stadt. Mampfend funktioniert das ganz gut! Unser Guide schleift uns durch die Markthalle und wir kosten uns durch die Obstvielfalt: Granadilla (Bestandteil des neuen Lieblingsgetränkes Canelazo), Tree-Tomato, Babaco, um nur einige zu nennen.

Danach frühstücken wir gemeinsam an einem der vielen Imbissläden. Frühstück in Ecuador, auch so eine Sache. Ich gehöre ja zur Fraktion „am Morgen bloß ’ne kräftige Soja-Latte“. Dass es Kaffee hier fast ausschließlich in Instantform gibt, damit hab ich mich arrangiert. Befremdlich finde ich allerdings nach wie vor, die nicht vorhandene Kaffeekultur, im Land der Kaffeebohne. Dafür haut man sich bereits um 7 Uhr ein Frühstück rein, das als reichhaltiges Abendessen durchgeht. Ein Reisberg an gebratenen Würstchen, eingebettet von roter Beete, ertränkt unter Eiern. „Llapingachos“ nennt sich der oppulente Frühstücks-Wahnsinn. Vom Bett ins Fresskoma. Verstört-fasziniert blicke ich dem Teller nach, während ich an meinem Käsebrötchen nage und eine weitere Schippe Instantpulver in heiße Milch schaufel.

Der letzte Iceman von Riobamba

Unser Guide verrät, dieser (Saft-)Laden ist der einzige in Riobamba, dessen Smoothie-Eis vom Gletscher des legendären Chimborazo kommt. Er erzählt uns die wahre Geschichte des letzten Iceman von Riobamba, Baltazar Ushca. Der kleine, zähe Mann ist weit über 70 Jahre alt. Noch immer zieht er mit seinem Esel zu Fuß zum Chimborazo, steigt auf über 4.000 Meter zu dem imposanten Berg, um dort im Gletscher das Eis zu schlagen. Dieses wickelt er wärmeisolierend in Stroh und bringt es auf dem Rücken seines Esels ins Tal. Zu genau dem Laden, in dem wir jetzt sitzen. Ein Knochenjob! Vor uns liegt ein restlicher Eisblock im feuchtem Stroh. Andächtig bestelle ich einen Tree-Tomato-Saft und bin sofort hin und weg von dem Gesöff. Neues Lieblingsgetränk, furchtbar lecker!

Links unten im Bild ein Rest des Eisblocks im Stroh vorm „Saftladen“ des Vertrauens
Baltazar Ushka, der letzte Ice-Man

Die Gruppe reist weiter. Ich werde 3 Nächte hierbleiben, bis der nächste Wanderbus vorbeikommt und mich mitnimmt. Ich schultere meinen Rucksack und mache mich auf die Suche nach einer Unterkunft.

Fündig geworden. Im Hostel wird jedoch ausschließlich auf Spanisch kommuniziert. Mein einziges Zimmerfenster führt zu einem Lüftungsschacht, ich mag nicht reklamieren. Ich KANN gar nicht reklamieren, auf spanisch… vermisse den Sound und den Geruch des Dschungels. Wo ist die Vogelspinne an der Wand – ääähh halt, bin kurz melancholisch abgedriftet. Die kann wegbleiben, dennoch fehlt mir der Dschungel grad ganz arg.

Fremdeln in der Fremde

Hmmm, so wirklich warm bin ich noch nicht mit Riobamba. Dabei ist es hier warm. Den Tag über bin ich über einige kunterbunte Märkte geschlendert und 4 Stunden planlos durch den Ort geirrt, auf der Suche nach einer Agentur, um eine Chimborazo-Tour zu buchen. Die einen Agenturen aus meinem Reiseführer gibt es nicht mehr, die anderen finde ich nicht. Zurück im Hostel. Mit mächtig Frust. Per Sprachübersetzer versucht man mir zu helfen, vergeblich. Ich brauche einen Plan B, sonst bin ich hier tatenlos gestrandet. Die Riobamba-Mission lautet schließlich „Chimborazo!“ Selbst die Laufschuhe brauch ich mir hier nicht anzuschnallen, der Autoverkehr ist die Hölle! Fühle mich irgendwie fehl am Platz. Und fremd.

Ich hirne auf Hochtouren, recherchiere im Netz. Zufällig stoße ich auf einen Bike-Adventure-Laden und erinnere mich, dass ich heute irgendwann daran vorbeigeirrt bin. Letzte Chance, ich düse los, bevor er schließt.

2 Stunden später: Wieder im Hostel. Jetzt mit Euphorie statt Frust! Das Stimmungsbarometer steht auf „Caramba Riobamba!“ Einziger Haken der Lilalaunebär-Freude, morgen klingelt mal wieder verdammt früh der Wecker. Das Frühaufsteh-Opfer bringe ich gerne für den Berg. Schlaf wird eh völlig überbewertet oder wie ich zu sagen pflege: „Niemand schaut auf sein Leben zurück und erinnert sich an die Nächte, in denen er zu viel Schlaf bekommen hat.“

Das Handy brummt. Ui, Nachrichten und Fotos von Daheim. Meine Freunde trinken auf diversen Weihnachtsmärkten Glühwein auf mich, wie lieb. So soll’s! Ich grinse auf meine Flipflop-Füße. Glühwein oder Sommer-Sonnen-Dezember? Sorry Leute, das hier is leider geiler 🙂

Pro Bici und der Chimborazo

6:25 Uhr, müde aber gespannt warte ich vorm Hostel. Der quirlige Carlo, bei dem ich gestern die Tour gebucht habe, holt mich fröhlich plaudernd ab. Auto und mich übergibt er kurzerhand an Allejandro. Der smarte Bursche wird uns zum Chimborazo bringen. Wir sammeln die restliche Truppe ein, eine Französin und ein ecuadorianisches Pärchen und machen uns auf den Weg.

Allejandro erzählt uns viel über die Region und die Gepflogenheiten der indigenen Dörfer, zeigt uns die 1. Stierkampfarena Ecuadors, den Olympiastützpunkt und die Siedlungen um den Chimborazo, dem höchsten Berg Ecuadors (6.263 m). Sein Gipfel ist der vom Erdmittelpunkt am weitesten entfernte Punkt der Erdoberfläche. Einst war er höher als der Himalaya, musste durch seine Kratereinbrüche jedoch an Höhe einbüßen. Als er das erste Mal vor uns auftaucht, sind wir baff. Wolkenlos thront er vor uns. Ein imposantes Massiv, am Fuße dunkelbraun, gekrönt von einer strahlenden Schneehaube.

Und dann taucht der Chimborazo vor uns auf

Carlo’s Worte schießen mir in den Kopf: „Fühl den Spirit des Berges. Bitte ihn, für dich zu sorgen und zolle ihm deinen Respekt. Manchmal hat er schlechte Laune, aber er kann dir auch seine gute Seite zeigen. Wenn er dich aufsteigen lässt und gut zu dir ist, bedanke dich bei ihm auf deinem Weg.“ In dem Moment fühle ich, was Carlo meinte. Ich kann mich der Aura nicht entziehen, der Chimborazo hat mich vom ersten Augenblick an in seinen Fängen.

Die Fahrt dauert. Wir tuckern hinter Farmersleuten her, die ihre Kuhherde über die Straße treiben. Eine ältere Frau steigt zu uns in den Wagen, wir nehmen sie ein Stück ihres Weges mit. Sie freut sich und strahlt uns mit ihrem wettergegerbten Gesicht dankbar an.

Rush Hour unterwegs

Auf knapp 4.000 Metern sehe ich erstmals in meinem Leben Vicuñas. Diese wunderschönen Tiere ähneln Alpakas und Lamas. Sie leben jedoch erst in einer Höhe von 3.500 – 5.500 Metern. Entfernt in den Weideflächen steht die Chimborazo Lodge, der erste Akklimatisations-Stützpunkt für Bergsteiger, die auf den Gipfel möchten.

Vicuñas im Naturschutzgebiet Chimborazo
36 KM entfernt von Riobamba, die Chimborazo-Lodge auf 4.000 Metern. Stützpunkt für Wanderer und Kletterer, die zum Gipfel des Chimborazo möchten

Kontinuierlich geht es bergan. Die Landschaft, die anfangs noch aus bräunlichem Weideland und Schluchten bestand, ähnelt zunehmend einer Mondlandschaft. Steinig, braun, karg. Wir passieren ein Tor, hinter dem Allejandro aussteigt, um beim Wachpersonal zu registrieren.

Die Räder auf dem Dach des Geländewagens warten bereits auf die Abfahrt
Dem Auge sind keine Grenzen gesetzt
Im Hintergrund das Refugio, unser Halt inmitten der mystischen Mondlandschaft

Auf 4.800 Metern erreichen wir den Parkplatz am ersten Refugio. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter. Allejandro drückt uns ein Walkie Talkie in die Hand. 2 Stunden Zeit zum Aufstieg. Er wartet währenddessen am Auto bei den Mountainbikes.

Magische 5000er-Grenze

Es ist nicht so kalt wie erwartet. Gleich oberhalb des Refugio passieren wir eine Steinpyramide und etliche Gedenktafeln verunglückter Bergsteiger. Bringt einen zum Nachdenken, wenn man daran vorbeistiefelt.

Steintafeln für die Verunglückten
Ein Blick zurück, unspektakulär und doch so anstrengend

Geschlagene 36 Minuten benötigen wir für 200 Höhenmeter! De Höhe macht sich heute brutal im Körper bemerkbar. Mein Schädel brummt, was auch teilweise mehrerer extrem kurzer Nächte geschuldet sein mag. Schritt für Schritt geht es im Kriechtempo durch die Ödnis hinauf. Nachdem wir das Refugio Whymper auf 5.000 Metern erreicht haben, wollen wir auch noch zur Lagune rauf. Es sind gerade mal 100 Höhenmeter, sie fühlen sich an wie ein Sprint auf einen steilen Berg. Der Kopf brüllt: „Aua! Ignorier das Dröhnen und lauf weiter.“ Der Körper wimmert leise: „Scheiß drauf, schaff deinen Hintern ins Refugio und chill!“ Jeder Kletterer weiß, das Gehirn ist der stärkste Muskel im Körper. Es gewinnt, ich gehe weiter. Die Vernunft stellt sich dahinter in die Schlange. Manou, die Französin, läuft munter neben mir her, sie fühlt sich gut. Die beiden Ecuadorianer sind hinter uns abgefallen, auch ihre Körper boykottieren die Höhe.

Niemals hätte ich gedacht, so sehr kämpfen zu müssen! Zum Kopfwummern gesellt sich plötzlich Übelkeit. Normaler Herzschlag, trotzdem zehrt der Aufstieg an der Substanz. Ich muss ständig anhalten und tief atmen. Es ist so unglaublich für mich, endlich oberhalb der 5.000er Grenze zu sein. Auch wenn ich nicht alles auf eigene Faust geschafft habe. Nach 10 Minuten erreichen wir die Laguna Condor Cocha, 5.100 Meter! Eine braune, eiskalte Brühe, die sich – umgeben von einer dicken Nebelschicht – in die karge, steinige Einöde einbettet. Wir machen schnell Fotos und funken Allejandro den Stand durch. Er empfiehlt, im Refugio Whymper einzukehren, da die Hütte bei ihm unten menschenvoll sei. Es ist richtig kalt und äußerst ungemütlich geworden. Alles in mir schreit „schaff dich endlich runter!“, das hier fühlt sich nicht mehr richtig an.

Der Kopf wummert, der Rest ist happy – Die persönliche Höchtgrenze überschritten!

Im Refugio Whymper wärmen wir uns rasch mit Coca-Tee und heißem Kakao und steigen weiter ab. Auf einem Steinhaufen vor der Hütte sitzt ein Mann, der sich übergibt. Er bringt zum Ausdruck, wie ich mich fühle…

Super Multikulti-Gefährten, allen Höhen-Widrigkeiten zum Trotz

Wir brauchen nicht lange für den Abstieg. Allejandro empfängt uns strahlend mit high-five am Refugio Carrel. Er hat bereits die Bikes vom Autodach geholt und stattet die Truppe mit Protektoren aus. Die 3 werden mit den Mountainbikes abfahren, Allejandro und ich im Auto hinterher. Dankbar, in meinem desolaten Zustand nicht biken zu müssen, hiev ich mich ins Auto und werfe mir etwas gegen den Brechreiz ein. Die Abfahrt nimmt einige Stunden in Anspruch, da wir immer wieder halten und warten, bis unsere Biker vorbeidüsen. Mehrmals döse ich weg, fix und alle.

Wir haben deutlich an Höhe verloren und schwuppdiwupp geht’s mir wieder gut. In einem Lokal an der Straße kehren wir ein und essen eine Suppe, dann geht es weiter. Auf einer derben Offroad-Piste haut Allejandro (nachdem er zuvor mühsam Bäume aus dem Weg geräumt hatte) die zweite Gangschaltung in den Schlussmitlustig-Modus. Wir holpern um den Chimborazo und bekommen ihn von einer grandiosen Seite präsentiert.

Natur pur, Seelenbalsam!
Immer schützend in der Nähe der Downhiller
Der Chimborazo, ein unvergessliches Abenteuer

Was für ein gigantisches Abenteuer! Was für ein genialer Tag! Am Ende der Abfahrt sammeln wir unsere überglücklichen Downhiller wieder ein. Den Rest der Strecke zurück nach Riobamba legen wir zusammen im Yeep zurück. Es ist bereits nach 18 Uhr, als Allejandro mich vor dem Hostel verabschiedet. Selbst für mich, die „nur“ als Beifahrer daneben saß, bleibt dieser Tag unvergesslich. Ein überragender Tag, da einfach alles gepasst hat (mal von den kurzzeitig körperlichen Ausfallerscheinungen abgesehen): Eine super Truppe, Allejandro, der beste Guide, den man sich wünschen konnte und der Chimborazo, der all seine Pracht mit uns teilte.

Auf der Suche nach dem Heiligen Kaffee-Gral

Erwachen in Riobamba. Heute ist Urlaub! Früh geschlafen, lange geschlafen. Die Morgen-Mission lautet „Anständigen Kaffee reinkippen“. Dazu müsste ich allerdings erst mal ein Café finden, was mich tragischerweise vor ungeahnte Herausforderungen stellt. Denn, wie bereits erwähnt, man speist des morgens außergewöhnlich opulent, was auf Kosten der Kaffeekultur geht. Cafés, die ich finde, sind geschlossen. Ähm, macht ja total Sinn morgens. Oder sie werden gerade nass durchgewischt und ich deswegen weggeschickt. Auch das ist selbstverständlich nachvollziehbar, zur Haupt-Kaffeezeit des Tages *Ironie-off*.

Die braunen Bohnen werden hier definitiv nicht überbewertet. Nein, sie werden völlig unterschätzt. Schade eigentlich. Mein Körper verlangt Koffeein, nicht zuletzt, weil er am gestrigen Tag erschütterlicherweise nicht einen einzigen Tropfen davon bekommen hat! Mit Instantpulver lässt er sich heute also gar nicht erst abspeisen.

Nach langer Suche werde ich tatsächlich fündig! Café Padaro, das Tor zum Himmel der Geschmacksknospen-Eskalation! Vorm Betreten der wohlduftenden, kleinen Oase bin ich geneigt, ein Tränchen der Glückseligkeit zu verdrücken und die „Ode an die Freude“ anzustimmen.

Cappuccino, Pancakes, Müsli, Früchte, Schreiben – Urlaub in seiner perfektioniertesten Schlemmer-Vollendung

Zu grandiosem Cappuccino gesellen sich nicht minder grandiose Pancakes (ich MUSS im Himmel sein), Joghurt, Obst, Müsli und frisch gepresstem Erdbeersaft. Auch als normalerweise Nicht-Frühstücker ein Träumchen sondergleichen!

Energiekick-gepimpt schnüre ich meine Laufschuhe. Ich brauche Bewegung! Allejandro hat mir gestern vom nahegelegenen Parque Lineal erzählt, in dem man super laufen könne. Dahin werde ich mich jetzt navigieren lassen.

Laufrunde im Parque Lineal, eine grüne Oase in der Stadt

2 Kilometer später bin ich da, eine grüne Oase inmitten einem Stadt voller Autos und Straßenlärm. Allerdings stelle ich auch fest, Laufen läuft nicht. Statt durch die Grünfläche zu springen wie ein junges Reh, pumpt das Herz und streikt die Lunge. Soviel zum Thema längst erreichte Akklimatisation und Blut-Sauerstoffsättigung. Auf 2.800 Metern läuft der Flachland-Kadaver nun mal auf Sparflamme. Egal, dann Lauf-Gehe ich eben, Hauptsache Bewegung in der Natur! Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes wieder grün mit Riobamba.

11 Kilometern später geschafft im Hostel. Duschen, umziehen und ab in die Stadt. Erst mal Tree-Tomato-Saft mit Chimborazo-Gletschereis schlabbern. Dann Kultur. Am Nachmittag zieht – wie bereits am Tag zuvor – eine große Parade durch die Straßen. Unzählige Kinder in indigenen Trachten tanzen zu ohrenbetäubender Musik und feiern den Geist der Weihnacht. Ich mische mich als ziemlich einziger Touri unter die Locals und beobachte das quirlige, fröhliche Spektakel.

Zur Weihnachtszeit gibt es ständig Paraden durch die Stadt

Danach besuche ich das Museo de Ciencias Naturales, das naturhistorische Museum, das sich mit der Fauna der Provinz befasst. Das Museum verfügt nur über wenige Exponate und ist bereits stark in die Jahre gekommen, interessant fand ich es dennoch.

Im Museo de Ciencieas Naturales

Die Kultur-Tour geht weiter zum Museo de la Ciudad. Einer Kunstgalerie mit Gemälden und Exponaten berühmter Persönlichkeiten der Stadt. Allein das Gebäude in seinem wunderschönen Kolonialstil haut mich um! Offensichtlich hat auch ein bekanntes Orchester seine Räumlichkeiten hier. Während meines Besuchs bin ich Gast bei den Musikproben im Gebäude-Innenhof.

Was mich in Ecuador echt positiv überrascht, hier sind die meisten Museen kostenfrei. Am Eingang registriert man sich lediglich in einer Liste ein.

Am frühen Abend tingel ich zum Abschluss gemütlich durch die hübschen Stadtparks: Parque Sucre, Parce Maldonado mit seiner Kathedrale und Parque La Libertad mit der einzigen Rundkirche Ecuadors, La Basilica.

Parque Maldonado
Einzige Rundkirche Ecuadors: Gran Basílca del Sagrado Corazón de Jesús im Parque La Libertad
Colegio Maldonado im Sucre-Park

In den Seitenstraßen stoße ich erneut auf richtig tolle Streetart. Ich feiere die bunten und künstlerischen Wände hier so dermaßen!

Ausklang des sportlich-kulturellen Tages in einem hübschen Restaurant (Empfehlung des Reiseführers). „Mnom-mnom, ein Gläschen Vino Tinto zur Gemüsepasta“, schwärme ich gedanklich und bestelle den vermeintlichen Hauswein. Irritiert betrachte ich das Glas, dass serviert wird und dessen Inhalt dampft. Ich rieche vorsichtig dran. Tja, heute gibt’s wohl Glühwein zur Gemüsepasta. In diesem Sinne, frohe Adventszeit und buen provecho!

In den Straßen von Riobamba
Einkaufsladen mal anders
Süßwarenladen typisch ecuadorianisch

(Teil 9 folgt)

Wie haltet ihr es im Urlaub oder auf Reisen? Wo/wie holt ihr euch eure Portion Sport oder ist Urlaub sportfreie Zeit? Reist ihr, um ambitionierte Ziele zu verfolgen? Meidet ihr eher Städte oder bevorzugt ihr reine Städtetrips? Erzählt mir doch mal eure Geschichten 🙂

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ECUADOR – 34 TAGE ABENTEUER HOCHDOSIERT, BITTE!

Teil 6: Baños – Hüpfburg für Adrenalinjunkies

23. / 25. November 2019

Vamos al Baños oder wie ich es zur unabwendbaren Vorweihnachtsbedrohung nenne: Die Après-Skihütte Ecuadors. Baños ist das pure Leben! Musikalisch, farblich, sportlich, abenteuerlich. Es saugt dich ein, nudelt dich einmal ordentlich durch und spuckt dich – vollgepumpt mit Endorphinen – wieder aus.

Bei leichtem Nieselregen trudeln wir mit Wanderbus abends in dem quirligen Ort ein. Von rund 3.900 Höhenmetern in Quilotoa auf gerade mal noch 1.800 Metern. Das erste Gefühl, beim Verlassen des Busses: Wärme! Sommer!! Ähh neee, doch nicht. Überall Weihnachtsklimbim, sogar die Straßenlaternen zieren überdimensionale rot-weiß geringelte Zuckerstangen. Ich schultere meinen Rucksack und blicke kopfschüttelnd einem grell beleuchteten Bähnchen mit Partyvolk hinterher, welches mit dröhnender Musik vorbeifährt. Das komplette Kontrastprogramm zum beschaulichen Quilotoa.

3 1/2 Stunden hat die Fahrt gedauert. Wir möchten schleunigst ins Hostel und duschen. Der ganze Schweiß, Staub und Bapp vom Serpentinenaufstieg am Morgen (s. Bericht Teil 5) klebt noch an mir.

Christina, unsere heutige Wanderbus-Beauftragte, schickt der Himmel. Eigentlich schickt sie ihre Freundin Hayde (die sich gestern um uns kümmerte und mit der ich seitdem in Kontakt stehe). Hayde hat in Baños für Nicole (meine Reisebegleitung seit einigen Tagen) und mich bereits Zimmer zu super Preisen reserviert. Christina soll nun checken, dass alles seine Richtigkeit hat, flüstert diese mir vertraulich zu, als sie uns mit Carlos durch das bunte Halligalli zur Unterkunft begleitet. Carlos hat sich bei unserer Ankunft im Wanderbus vorgestellt. Er betreibt hier eine Agentur für Ausflüge. Auch ihn hat Hayde schon auf uns angesetzt, weswegen er und Christina sich nun für uns deutsche Gringas verantwortlich fühlen. Ich bin gerührt.

Die zwei begleiten uns bis in die Zimmer, um sich zu versichern, dass wir wirklich zufrieden sind. So etwas habe ich noch niemals nicht erlebt. Nach Dankeshymnen meinerseits und ersten Infos von Carlos verabschieden wir uns von den beiden. Mit Carlos haben wir uns für den nächsten Morgen verabredet.

Frisch geduscht stürze ich mich mit Nicole ins Nachtleben. So ähnlich muss es am Ballermann zugehen! In der Szene-Straße reiht sich Kneipe an Kneipe, überall wummert Mucke aus den Boxen durch die Straße. Vor den Türen stehen überwiegend junge Menschen, es wird ausgelassen getrunken und gefeiert. Wir machen es uns in einem Baumhaus-Pub gemütlich und ordern Caiphis.

Buntes und lautes Nachtleben in Baños

Stunden später kommen wir in unsere Unterkunft zurück. Offensichtlich ein ziemlich religiöses Haus. Das zeigt nicht nur der vollgehängte Weihnachtsbaum und das Krippenspiel an der Rezeption. Nee, überall hängen Gemälde mit des Lattengustl’s Konterfei. Bis zu unseren Zimmern im 4 Stock, bin ich auf jeder weiteren Etage mehr und mehr dazu geneigt, mich vor den Bildern zu bekreuzigen und weiter auf Knien die Treppe hinaufzurobben. Dank den verköstigten Getränken wahre ich jedoch die Contenance.

Weihnachtskrippe und eines der unzähligen Heiligenbilder

Nach dem Frühstück (Highlight: Frisches Obst und lecker frischgepresster Saft // Lowlight: Kaffee besteht aus heißer Milch mit Instant Pulver) steht Hausarbeit auf dem Plan – Dreckwäsche. Mit unserem Klamotten-Stinkesack stürmen wir die Wäscherei gegenüber. Ich hoffe, der guten Frau kappt es beim Öffnen des Wäschesacks nicht die Sauerstoffversorgung. Arbeit erfolgreich delegiert, nix wie los.

Im Partybus der musikalischen Verzweiflung

Wir laufen zu Carlos in die Agentur. Keine 5 Minuten später drückt er uns Tickets in die Hand und schiebt uns in den Doppeldeckerbus zur Sightseeing- und Adrenalinjunkie-Tour. Wir hatten ja keine Ahnung, worauf wir uns da einlassen…

Wir hocken „oben ohne“ im Bus und lassen uns von der Sonne bescheinen. Will heißen, das Vehikel hat kein Dach – bevor gleich das unseriöse Fantasienkarusell Runden dreht! Der Bus tuckert zunächst durch die schmalen Gassen des Ortes. Überall sind die Wände bunt bemalt, was ich wunderschön finde.

Dann geht es vorbei an der kleinen Parkanlage mit der Basilika und den typischen Süßigkeitenständen weiter zu dem hohen Wasserfall am Rand des Zentrums. Die Erklärung zu den Sehenswürdigkeiten gibt es leider ausschließlich auf Spanisch. Lässt mir umso mehr Spielraum für eigene geistige Kreativität, daran mangelt es ja nicht.

Park mit der Basilika im Zentrum von Baños
Jede Menge Süßigkeiten, auch dafür ist Baños bekannt
Stadtleben und im Hintergrund einer der vielen Wasserfälle

Dazwischen dröhnt „das Schlechteste der 90er in Technoform“ aus den Boxen. Wirklich ganz übel! Selbst vor musikalischen Niederträchtigkeiten wie „Eins, zwei Polizei“ wird nicht zurückgeschreckt! Nicole und ich tauschen entsetzte Blicke. Peinlich berührt, überlege ich, im Bus ab sofort meine Landessprache zu verweigern.

Als irgendwann „Moskau“ durch die Lautsprecher tönt, geht der Gaul der Verzweiflung mit mir durch. Ich kapituliere und singe Nicole laut ins Ohr.

Der Partybus hält am Parque Aventura San Martin. Hier wird einige Zeit verdödelt, damit alle (Zahlungs-)Willigen über eine Schlucht ziplinen oder eine Hängebrücke überqueren können. Erscheint uns wenig spektakulär.

Wasserfälle und Adrenalin intravenös

Der Agoyan Wasserfall ist hingegen wesentlich beeindruckender. Er ist mit 61 Metern der Höchste der Anden Ecuadors. Genau genommen sind es zwei Wasserfälle, die wir von dem gegenüberliegenden Parkplatz aus bestaunen.

Agoyan Wasserfall vom Parkplatz aus

Bei einem weiteren Stop an einer schmalen Pflastersteinstraße, deutet unser Guide ehrfürchtig auf die Felswand. Ich glotze debil die Struktur an und wundere mich, warum alle Fotos machen und sich in völliger Hingabe befinden. Die fragwürdige Begründung – nun ja, lassen wir das. Vor uns offenbart sich – angeblich – das Antlitz Jesu Christi. Der hat da mal gepflegt seine Silhouette in den Fels getackert. Ich erkenne nix, gehöre allerdings auch zur Fraktion der Ungläubigen. An Jesus kommt man in Baños halt nicht vorbei, der guckt dich von überall aus an. Ein wenig wie Big Brother…

Weiter geht’s zum nächsten Adrenalin-Event. Mir persönlich reicht dafür ja schon die Busfahrt! Hinter einer ziemlich schmalen Brücke hält der Bus an einem Canyon und prompt gerät Nicole in Verzückung. Mit leuchtenden Augen lässt sie sich in eine Kugel schnallen, um darin über den Abgrund zu schwingen. Hier wurde ordentlich was für die Kick-Suchenden hingezimmert! Ziplines, an denen man in Bauchlage vogelähnlich die Schlucht überfliegen kann, die um sich selbst drehende Kotzkugel und allerlei masochistisches Schwingpendelrunterfall-Gedöhns. Die intravenöse Adrenalin-Injektion kostet, die Krankenkasse zahlt nicht, dafür aber der Touri. Das Konzept geht auf.

Ziplining, Canyope, Bungeejumping, Kotzkugel, Mountainbiken – unbegrenzte Möglichkeiten für Kicksuchende

Ich verweigere und dokumentiere von der benachbarten Brücke aus Nicole’s Flugshow auf Fotos und Videos. Ich steh nämlich so gar nicht auf runterfallen, rumfliegen oder mit schneller Geschwindigkeit wegkatapultiert werden. Als Kletterer kenne ich meine hinderliche Sturzangst zu gut und hier werde ich ganz sicher nicht mit Falltraining beginnen!

Die fahrbare Love-Parade bringt uns weiter zum Cascada el Manto de la Novia. Ein weiterer hoher Wasserfall, an den man in einer Gondel ganz nah ranfahren kann.

Abenteuer in grandioser Natur

Offensichtlich hat die allgemeine Zahlungswilligkeit nachgelassen. Der Großteil ist adrenalinsatt, so dass der Halt recht kurz ausfällt. Nichts desto trotz, die Landschaft ist toll!

Naturspektakel Cascada Pailon del Diablo

Unser letztes Ziel ist mein persönliches Highlight: Der Cascada Pailon del Diablo in Rio Verde. Der kann was! Am Parkplatz schmeißt man uns raus und räumt uns 30 Minuten ein. Hää?! Ich will es nicht glauben! Stundenlanges Schluchtenschleudern an Draht und jetzt – an einem wirklich atemberaubenden Naturspektakel – dürfen wir gerade mal noch ne halbe Stunde? Pffff!

Am Eingang zum Pailon del Diablo

Flott zahlen wir ein kleines Eintrittsgeld und laufen durch die botanische Klamm. Hat man die wackeligen Hängebrücken überquert, ist das Tosen des Wasserfalls zu hören. Als ich ihn sehe, stockt mir der Atem. Bombastisch! Über unzählige Treppenstufen schlängelt sich ein steinerner Weg zu dieser unbändigen Wassergewalt in die Schlucht hinab. Ich habe schon viele, viele Wasserfälle gesehen, aber dieser ist wirklich beeindruckend. Der Regenbogen, den die Natur zeitgleich hingepinselt hat, macht das Kitschfoto geradezu übertrieben perfekt.

Die Zeit drängt, wir müssen leider zurück. Als Trost versüßen wir uns die Rückfahrt mit mega leckeren Fruchtbechern.

Yummie! Die Wassermelone gehört mir!

Nach 4 Stunden musikalischer Grenzgänge in Dauerschleife (bestehend aus 5 oder 6 unterschiedlichen Liedern), sind Ohren und Hirn froh, den Bus zu verlassen. Meine Nerven schreien nach Koffeein!

Das Programm geht weiter

Ich möchte unbedingt zum Baumhaus Casa del Arbol und Carlos hat natürlich gleich das passende Programm am Start.

Ursprünglich war das Baumhaus eine Erdbebenwarte, um den (sehr) aktiven Vulkan Tungurahua zu überwachen. Dann hatte vor langer Zeit ein älterer Mann an das Baumhaus eine große Schaukel für seine Kinder gebaut. Der Zufall brachte irgendwann einen Fotograf der National Geographic dorthin, sein Foto ging um die Welt und schwuppdiwupp wurde das Casa del Arbol zum ultimativen Touristenmagneten. Bereits daheim habe ich verzückt die Fotos der in den Abgrund schaukelnden Reisenden bestaunt. Nicole lässt sich von meiner Begeisterungsrede sofort anstecken.

Zwei Stunden Pause, bis es weiter geht. Wir verbringen sie auf die sinnvollste Weise und fleetzen uns mit einem Kaffee auf eine Bank im Park. Tatsächlich haben wir (Tipp von Carlos) ein sensationell gutes Café gefunden, mein Gaumen eskaliert vor Freude.

Um 16 Uhr steigen wir in die Party-Bimmelbahn. Die Musik ist zwar nicht minder laut, dafür deutlich erträglicher. Das Bähnchen tuckert uns einen endlosen Berg in Runtun hinauf. Die Temperaturen werden deutlich kühler.

Das ganze Areal, bei dem wir ankommen, ist ein einziger Abenteuerspielplatz für Erwachsene. Gerade mal 1 Dollar kostet der Eintritt zum Casa del Arbol. Überall blühen prachtvolle Blumen, in überdimensionalen Lettern prangt „Baños“ vor einer Bergkulisse. Besucher schaukeln, balancieren auf Holzpfählen, rutschen oder düsen mit Ziplines über die Wiesen.

Baumhaus Casa del Arbol im Blütenmeer

Die Schaukel am Ende der Welt

Das ultimative Highlight ist zweifelsohne die riesige Schaukel, wegen der wir hier sind. Auf einer Höhe von 2.600 Metern hievt man den Hintern auf die Holzbretter, bekommt eine pseudo Sicherheitsstrippe um den Bauch und wird von einem Mitarbeiter mit einem ordentlich Schups in die Freiheit entlassen. Das Gefühl ist krass! Mit einem schier endlosen Pendler fliege ich über den dschungelartigen Abgrund, unter Füßen und Hintern mächtig viel Luft. Und vor den Augen der mächtige Vulkan Tungurahua mit 5.016 Metern Höhe. Ich werde erneut kräftig angestupst und kralle mich in der Schaukel fest, mit dem Gefühl, gleich rauszurutschen. Der dritte Schwinger gibt mir den Rest. Mir zieht es von den Zehenspitzen in den Magen, ich schnappe nach Luft und mir wird übel. Beim Rückflug Richtung meines Antreibers presse ich „Stop, stop, not more“ raus und schon hängt der Arsch wieder über dem grünen Schlund. Pressatmung, auspendeln, dann zittere ich aus der Adrenalin-Liane raus. Tja, blicken wir den Tatsachen ins Auge; ich bin ein Riesen-Schaukel-Weichei. Als Kind konnte ich nicht genug davon bekommen. Das hier ist definitiv ein anderes Kaliber. Aber cool war es trotzdem…

Zipline und Schaukeln auf 2.600 Metern Höhe
Blumenpracht vor dem Vulkan Tungurahua

Weiterfahrt zu dem nächsten Adventure-Park, der Abenteurer glücklich macht. Es dämmert und inzwischen ist es kalt geworden. Ich verziehe mich mit ein paar netten Mädels aus der Bahn ins warme Innere einer urigen Holzhütte. Wir schlabbern gemütlich Canelazos, während sich Nicole ins Geschirr schmeißt, um sich mit Hingabe den gewaltigen Abhang runterzustürzen. Jedem das Seine…

Um 19:30 Uhr trudeln wir wieder im Ort ein. Auf den letzten Programmpunkt „Besichtigung der Süßigkeitenmanufaktur“, hat keiner mehr Lust. Ganz schön anstrengend, solch hochdosierte Touristenbespaßung! Morgen muss das Kontrastprogramm her!

Loma Chontilla oder Latschen bis die Socken qualmen

Am nächsten Morgen gibt’s Frühstücks-Besuch von Carlos. Wie alte Freunde hocken wir gemütlich bei einem Kaffee zusammen und quatschen über den Tagesplan. Ich will den Loma Chintilla (Las Antenas) überqueren, verkünde ich. Reiseführer und Internetquellen geben allerdings kaum Infos. Carlos aber, er erklärt uns den Startpunkt. Nicole zweifelt noch, lässt sich von der vagen Reiseführer-Beschreibung „eine leichte 2,5 Stunden Wanderung“ dann aber überzeugen.

Bevor es losgeht, stärken wir uns mit einem frischen Saft aus der Markthalle

Einmal quer durch den Ort gelatscht, starten wir vormittags an der San Fransisco Brücke die Wanderung. Auch hier gibt es ein Adrenalin-Angebot, denn die sehr hohe Brücke von Baños De Agua Santa ist beliebt und bekannt unter Bungee Jumpern.

Bunte Mauer entlang des Weges nach der San Fransisco Brücke

Ab hier ist der Weg erst einmal nicht zu verfehlen. Pflastersteine führen kontinuierlich Bergauf, eine gewisse Grundkondition ist durchaus hilfreich. Je höher wir kommen, desto beeindruckender wird die Aussicht. Unter uns liegt die Schlucht des Rio Pastaza.

Wir gewinnen an Höhe mit Blick auf den Rio Pastaza

Schier endlos folgen wir dem Anstieg, vorbei an den Bauernschaften Illuchi Bajo und Illuchi Alto. Hier sind kaum Menschen, nur ein Auto fährt gelegentlich vorbei. Uns läuft die Brühe und Nicole’s Spaßlevel nimmt nach jeder weiteren Kurve prozentual im Verhältnis zur steileren Strecke ab.

Ich kann es auch nicht mehr mit „wir sind gleich oben“ schönreden. Laut Mapsme zeigt das Display, dass wir irgendwo im nirgendwo rumdriften. Der Gipfel „Las Antenas“ liegt in der Ferne…

Die Latscherei an sich ist wenig spannend. Dafür aber die Aussicht und die Landschaft. Es gibt nur vereinzelte Höfe mit großen Plantagen. Bananenstauden, so weit das Auge reicht, Gummibäume, Benjamini-Büsche, wilde Weihnachtssterne, Papaya- und Eukalyptus-Bäume. Gegenüber hängen die Wolken im Vulkan Tungurahua und unten im Tal tost der Wasserfall. Es ist eine Pracht.

Tree-Tomato Plantage, eine sehr leckere und vielseitige Frucht

Ich frage eine Farmersfrau, deren Kind uns aus großen, verschüchterten Augen anblickt, ob es noch weit zu Las Antenas sei. 15 Minuten, antwortet sie freundlich.

20 Minuten später ist noch immer kein Gipfel in Sicht. Die nächste Bäuerin, die selbe Auskunft: 15 Minuten. Hmmmm… da stimmt etwas nicht mit der hiesigen (oder unseren) Zeitrechnung. Wir sind doch nicht versehentlich rückwärts gelaufen?!

Bergab steigt die Laune

Tatsächlich kommen wir irgendwann auf über 2.500 Metern, genau genommen nach 700 durchschwitzten Höhenmetern, an einer abgeranzten ehemaligen Gaststätte an. Ein Pfad führt Richtung Satelitenmast hinab. Den nehmen wir! Einen Kaffee hätt ich übrigens auch genommen…

Der erste Wegweiser, der in die wildgewucherte Pampa führt, lässt uns frohlocken und jubilieren! Wir sind richtig. Prompt steigt das Stimmungsbarometer der Erleichterung! Der Abstieg schmeckt nach Abenteuer und macht richtig Laune. Schweißtreibend bleibt es weiterhin, die Sonne brezelt erbarmungslos auf die Haut. Wir können kaum ausreichend Sonnenschutz auf die Kadaver schmieren.

Durch die Pampa geht es zurück in die Zivilisation

Die spärlichen Fressvorräte sind längst weggefuttert, der Wasserstandsmelder der Trinkflasche hängt im roten Warnbereich. Nach 4 Stunden, oder umgerechnet 11 Kilometern, erreichen wir die Zivilisation, Lligua. Keine Motivation, weitere 3 Kilometer an der Straße zurück nach Baños zu tappen…

Streckenverlauf der Wanderung Loma Chontilla

Zwei ältere Herren, die gesellig an der Bushaltestelle verweilen, erklären, von hier fährt kein Bus nach Baños. Hmpf…

Als hätte das Universum nix besseres zu tun, als unsere noch nicht einmal abgeschickte Bestellung prompt auszuliefern, kommt ein Taxi angerauscht. Ohne zu zögern stürzen wir auf die Straße und halten den Fahrer an. 10 Minuten später sind wir im Hotel.

Die Wanderung war ein herrlicher Baños-Abschluss und ist gleichzeitig der Abschied von Nicole. In wenigen Stunden trennen sich leider unsere Wege. Sie reist morgen mit Wanderbus weiter. Für mich geht es heute Abend mit dem Nachtbus nach Lago Agrio.

Nach langem Hadern und psychologischer Selbstanalyse, habe ich mich gegen meine Spinnenphobie und für das Abenteuer Dschungel entschieden. Carlos hat alles organisiert und für mich in die Wege geleitet. Der Nachtbus sowie der weitere Transfer zur Lodge, das 4 Tage Dschungel-Komplett-Paket sind gebucht. Sogar ein spottbilliges Bett im 7er Dorm (ich komme in 3 Nächten erst um Mitternacht nach Baños zurück) waren wir bereits persönlich reservieren. Ich bin ihm unendlich dankbar für seine Hilfe. In wenigen Stunden geht es los und ich bin mächtig gespannt.

Welche Erlebnisse und Herausforderungen der Dschungel so parat hält, erzähle ich euch im nächsten Teil. Soviel sei aber bereits verraten: Meinen Ängsten muss ich mich stellen!

(Teil 7 folgt)

Seid ihr Adrenalinjunkies? Was war euer Highlight diesbezüglich? Wart ihr vielleicht selbst schon beim Baumhaus Casa del Arbol? Oder wollt ihr im Urlaub einfach eure Ruhe und am Strand liegen? Wenn ihr möchtet, schreibt mir eure Erlebnisse hier in die Kommentare, ich bin sehr gespannt!

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ECUADOR – 34 TAGE ABENTEUER HOCHDOSIERT, BITTE!

Teil 5: Spirituelle Zeremonien, Canelazo por favor und die Pablos von Quilotoa

22. / 23. November 2019

„Nacken des Mondes“, so lautet die klangvolle Übersetzung des Berges Cotopaxi. Mit Nicole (die ich auf der Reise kennenlernte) warte ich auf dem Parkplatz zum Südeingang des Cotopaxi Nationalparks auf den Wanderbus. Er rollt pünktlich um 11:30 Uhr an und heraus springt eine kleine, quirlige Ecuadorianerin namens Hayde. Sie ist unser Guide.

Mit einem weiteren Pärchen sind wir heute zu viert, eine überschaubare Reisegruppe. Für Nicole und mich wird es auch nur eine kurze Fahrt, wir steigen bereits am nächsten Stop in Quilotoa aus und bleiben dort über Nacht.

Kreisverkehr der Regentänze

Kurzzeitig hege ich Zweifel, unversehrt und mit allen Extremitäten in Quilotoa anzukommen. In Pujili fahren wir durch einen Kreisverkehr, in dem riesige bunten Figuren stehen. Heyde erklärt die Bedeutung, nämlich dass die Figuren für Regen tanzen. „Sehr erfolgreich, wie man sieht“, werfe ich ein. Hayde lacht und möchte ein Gruppenfoto. Mit uns im Kreisverkehr. Auch der Wanderbus parkt mitten in selbigem. Priiiima Idee und ein hervorragender Platz für eine „Totgefahrene-Touris-Fotostrecke“, verkünde ich meine Bedenken. Hayde lacht noch mehr, lässt sich allerdings nicht von ihrem Vorhaben abbringen, das kulturelle Besichtigungsprogramm für die Nachwelt zu dokumentieren.

Spoiler: Zu meiner Überraschung überleben wir und behalten alle Gliedmaßen.

Überleben in der Todeszone des Kreisverkehrs

Unterwegs zeigt sich wieder das unberechenbare Ecuador-Wetter. Mit T-Shirt sitzen wir bei strahlendem Sonnenschein im Bus. Schlagartig wird es düster, kalt und dann hagelt es so heftig, dass binnen weniger Minuten eine dicke, weiße Schicht die Straße bedeckt. Fahrer Carlos zeigt sich unbeeindruckt. Er heizt munter weiter. Irgendwie sind hier alle Fahrer schmerzfrei. Mein krankes Kopfkino spielt Fahrstunden-Szenarien ab: Fahrlehrer: „So, jetzt treten Sie mal anständig aufs Gas. Auf Geschwindigkeitsbegrenzungen kann man locker 20 km/h draufpacken. Und nicht so zimperlich in die Kurven, Weichei! Zu Recht hat der Hintermann seit 15 Minuten die Lichthupe an! Caramba!“

Kulinarische und musikalische Kuriositäten

Bevor wir am Ziel ankommen, ist Fütterungszeit. In einer urigen Hacienda wartet bereits ein 3-Gänge-Menü. Mein absolutes Highlight ist der frischgepresste Sternfruchtsaft, göttlich! Zur Suppe wird Popcorn gereicht, für uns crazy, gehört hier aber so. Die Locals lieben Popcorn in der Suppe.

Saft aus Sternfrucht und Popcorn in der Suppe

Zum Essen gibt es in voller Lautstärke TV-Folklore auf die Lauscher. Hochmotiviertes Trachtenvolk musiziert mit allerlei Instrumenten zu überschwänglichem Gesang. Ungefiltert bohrt sich die Hansi-Hinterseher-Beschallung optisch-akustisch durch Augen und Ohrmuscheln in das Gehirn.

Lautstarkes Folklore TV in der Hacienda

Der pittoreske Ort Quilotoa liegt auf knapp 4.000 Metern und obwohl sich viel im Bau befindet, ist es dennoch traditionell. Fast entsteht der Eindruck, man bereite sich allmählich auf Touristen vor. Kleine Souvenirläden verkaufen bunte Mützen, Schals und Ponchos. Am Straßenrand werden gegrillte Kochbananen mit Käse angeboten und es brutzeln Cuys (Meerschweinchen) auf dem Rost.

Ursprünglichkeit, Spiritualität und Tradition

Frauen mit markanten Gesichtern tragen ihre langen, pechschwarzen Haare zu Zöpfen, haben Filzhüte auf und farbige Röcke, Strumpfhosen und Pochos an. Mich erstaunt, wie dezent die Menschen in Ecuador sind. Gar nicht so, wie man es sich in Südamerika vorstellt. Die Indigenen sind freundlich, aber leise, distanziert und zurückhaltend. Ein schönes Bild, wie die Frauen ihren Nachwuchs, gehüllt in bunte Tücher, auf dem Rücken tragen und ein kleines Köpfchen mit viel Haar rauslugt. Ich fühle mich wie der einzige Touri unter Einheimischen und in eine andere Zeit versetzt. Die Menschen, ihre Ausstrahlung und ihr Stolz faszinieren mich.

Hayde führt uns eine Anhöhe hinauf und uns bleiben die Münder offen stehen. Unter uns liegt eine gigantische Lagune, deren Wasser intensiv leuchtet.

Laguna Quilotoa, ein ganz besonderer Ort

Die Einheimischen sind sehr spirituell und erdverbunden. So lädt uns Hayde zu einer kleinen Zeremonie ein. Am Boden laufen wir ein aufgemaltes, eckiges Symbol entlang, während Hayde uns sehr ausführlich die Bedeutung des Rituals erklärt: Jede Ecke steht für eines der wichtigsten Tiere des Landes – Puma, Condor und Anakonda. Die Himmelsrichtungen stehen für die Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft. Eine weitere Ecke vereint die wichtigen Werte, nicht lügen, nicht stehlen etc.) Als wir am Ende in die Mitte treten, sollen wir uns 3 Wünsche überlegen oder was wir in unserem Leben ändern möchten. Schenkt man dem Glauben, kommt die Energie von Erde und Himmel, die Kraft dazu von den Elementen. So die grob übersetzte Kurzfassung…

Hayde erklärt uns die Bedeutung des Rituals, das die Kraft der Elemente vereint

Ein Stück weiter halten wir am Rand des Abgrunds an und Hayde fragt, ob wir für eine kleine Meditation bereit wären. Wir nicken. Sie träufelt uns eine duftende Essenz aus Orchideen und diversen Blüten in die Hände. Wir schließen die Augen, während sie auf einer Holzflöte eine Melodie spielt.

Ich bin wahrlich kein religiöser oder hochspiritueller Mensch, verschließe mich aber auch nicht vor derart „überirdischen“ Dingen und respektiere sie. Energie aus der Natur ziehen, oh ja, das funktioniert bei mir. Deshalb bewerte oder hinterfrage ich die Sinnhaftigkeit solcher Rituale auch nicht, sondern genieße einfach das Hier und Jetzt. In dieser atemberaubenden Landschaft zu stehen, all das erleben zu dürfen, zu reisen – reine Dankbarkeit und Glückseligkeit ergreifen mich in diesem Moment und treiben mir Tränen in die Augen. Es sind genau diese Augenblicke, die im Gepäck mit nach Hause reisen und die man nicht vergisst…

Wanderbus zieht weiter. Schweren Herzens verabschiede ich mich von der liebenswerten Hayde. Es war zwar ein kurzes, aber inniges Kennenlernen und sie wird auf meiner weiteren Reise und darüber hinaus mit mir verbunden bleiben, was ich jetzt noch nicht ahne.

Nicole und ich laufen die Straße zu unserem Hostel hinab. Die Chefin des Hauses spricht ausschließlich Spanisch, wundert mich nicht mehr… Jede von uns bezieht ein riesiges Zimmer mit jeweils 2 großen Betten und einem Ofen darin. Irgendwie gibt es Missverständnisse bei der Reservierung, wir hätten ja locker ein Zimmer teilen können. Das bekomme ich der kleinen Dame auf Spanisch aber leider nicht beigeweicht. Sei’s drum, sicherlich ist sie um jeden zahlenden Touristen froh, denn ausgelastet ist das Hostel nicht.

Unsere Unterkunft, Hosteria Alpaka Quilotoa

Shalala oder „oh wie schön ist Quilotoa“

Bevor die Sonne untergeht, machen Nicole und ich noch einen Nachmittags-Hike. In stetigem Auf und Ab wandern wir den Weg entlang zur Aussichtsplattform Shalala. Schwimmen kann man in dem Kratersee übrigens nicht. Das mineralhaltige Wasser würde die Haut völlig austrocknen.

Unten rechts unser Ziel; die hellbraune Aussichtsplattform Shalala
Mitten in der Natur und Sicht auf den 3 Kilometer breiten Kratersee

Wir haben Gesellschaft von einem Hund. Er weicht uns knapp 7 Kilometer nicht von der Seite. Die Landschaft ist zutiefst beeindruckend und die Aussicht überragend. Immer wieder bleiben wir sprachlos stehen, machen Fotos und genießen die Schönheit, die uns umgibt.

Gigantischer Weitblick und grenzenlose Freiheit

Gerade noch rechtzeitig vor Anbruch der Dunkelheit kehren wir zurück ins Dorfzentrum.

Besuch von Pablo

Nach einer heißen Dusche fleetzen wir uns mit einem wärmenden Tee in den riesigen Aufenthaltsraum zur Hausherrin auf die Sofas. Still lächelt sie uns an. Voller Ruhe fackelt sie eine Holzlatte in einem für den großen Raum viel zu kleinen Kaminofen ab. Die Wärme verpufft bereits auf dem kalten Weg zum Sofa.

Der Versuch, etwas Wärme in den großen Raum zu bringen

Nicole hat eine Katze in ihrem Schoß liegen. Sie bittet mich, unsere Gastgeberin nach dem Namen des schnurrenden Tieres zu fragen. Das krieg ich mit meinem Spanisch hin. Lächelnd kommt leise die Antwort „Pablo.“

Im Augenwinkel sehe ich einen Schatten auf dem Boden. Dann hoppelt ein Kaninchen vorbei und springt aufs Sofa. Nein, es ist nicht weiß und NEIN, ich habe keinen Alkohol getrunken. Ich zeige lachend auf den Hasen und erfahre, dass er hier wohnt. Ebenso wie der Kater, zwei Hunde und noch Meerschweinchen. Das Kaninchen heißt übrigens auch Pablo.

Wie gerne würde ich mit der freundlichen Frau erzählen. Wieder mal ärgere ich mich über mein schlechtes Spanisch. Es ist so schade, sie weiß sicherlich viele interessante Dinge über das Land und die Menschen hier. Eine kleine Unterhaltung über ihre Familie und klappt dann immerhin, bevor sie sich für die Nacht verabschiedet.

Völlig durchgefroren, ziehen auch wir uns in die Gemächer zurück. Nachtruhe ist allerdings erst mal nicht. In meinem Zimmer hockt, zwischen meinem Rucksack, den Schuhen und dreckigen Wanderhosen, Pablo. Mit seinen langen Löffeln mustert er mich unbeeindruckt.

Pablo hat es sich zwischen meinem Gerümpel gemütlich gemacht

Kurz überlege ich, ihn als Wärmflasche umzufunktionieren, entschließe mich dann aber, ihn rauszuwerfen. Da habe ich die Rechnung allerdings ohne Pablo gemacht, dem gefällt’s nämlich hier und er flüchtet unters Bett. Geschlagene 20 Minuten dauert es, bis er aus dem Zimmer hoppelt. Ich lache immer noch, als ich im Bett liege.

Am nächsten Morgen machen wir uns, nach einem leckeren Frühstück (Kaffee und Wassermelone, es kann nicht mehr besser werden), zu dem sich auch Hase Pablo gesellt, nochmals auf zur Laguna Quilotoa.

Gekommen um zu wandern

Das illustre Wandervolk kommt hier sowas von auf seine Kosten. Hat man sich am Eingang registriert, gibt es die Wanderung Quilotoa Loop, die rund 11 Kilometer (mit einigen Höhenmetern) komplett um die Lagune führt. Oder man macht die Variante, die wir mangels Zeit wählen und begibt sich den Serpentinenpfad zum Ufer hinab. In unserer Vorstellung sitzen wir nachher genau dort, chillend und Käffchen trinkend.

Die Serpentinen durch den tiefen Sand hinab – und hinauf

Die Ernüchterung kommt mit der Ankunft am Ufer. Hier ist nix. Mal abgesehen von einem Maultier- und Kanuverleih (letzterer nicht wirklich frequentiert). Und irgendwie sah es von oben alles spektakulärer aus. Dafür ist’s kein Touri-Hotspot, rede ich es mir schön. Okay, trockene Baustell