14. Februar 2018 – Bester Valentinstag ever!
Heute hieß es Abschied nehmen von Granada, dem bunten und quirligen Städtchen in Nicaragua. Besonders seine wunderschönen, alten Kolonial-Gebäude hatten es mir angetan. Abends wurde in den Bars und Kneipen bei lauter Musik gefeiert, tagsüber trafen sich die Menschen am Marktplatz und der Parkanlage, während Pferde nebenher durch die heißen Straßen der Stadt spazierten.
Nun stand der 2. Anlauf nach Ometepe auf dem Programm.
Ein Taxi sammelte mich am Morgen an meinem Hostel ein und brachte mich, mit drei weiteren Rucksackreisenden, zur Schiffsanlegestelle nach San Jorge. Auf der Fahrt kam ich mit den beiden Amerikanern und der Hamburgerin ins Gespräch, eine lustige Truppe. Alle drei berichteten begeistert vom Camp „El Zopilote“, ihrer Unterkunft auf Ometepe. Die Permaculture-Farm sei DIE Szene-Location mit besonderer Atmosphäre und viel Dschungelfeeling.
Ich hatte noch kein Bett für die nächsten Nächte und prüfte über booking.com die Verfügbarkeit des Camps. Tatsächlich gab es noch ein paar freie Schlafplätze und so buchte ich mich prompt ein. Die Fotos von El Zopilote sahen spannend aus! Außerdem könnte ich so auch gleich den Punkt Dschungel-Übernachtung auf meiner Löffel-Liste abhaken.
In San Jorge betraten wir die Fähre, die uns rüber zur Vulkaninsel schipperte. Der Kutter schaukelte und schwankte, als befänden wir uns auf offener See. In weiser Voraussicht hatte ich mit Reisetabletten meiner See-Untauglichkeit vorgebeugt. Der starke Wellengang war bekannt auf dem Nicaraguasee.

Bereits von weitem zeigte sich der Vulkan Concepción (1.610 m), dessen Spitze in einem Wolkengebilde hing. Nach 60 Minuten legten wir in Moyogalpa an. Von dort brachte uns ein Taxi ins Innere der Insel zum El Zopilote. Auf staubigen Pfaden und Steinplatten stiefelten wir mit unseren Rucksäcken durch das üppige Urwald-Areal des Camps, vorbei an lautstark ächzenden Bambushainen, bis hinauf zur Anmeldung. Ging ja schon mal abenteuerlich los.

Die Jungs bezogen ihr Zimmer, während Hamburgerin Anna und ich unsere Betten in einer der Holzhütten aussuchten. Auf der Terrasse, vor dem Eingang der Urwald-Hütte, hing als weiterer Schlafplatz eine Hängematte.

Erleichtert sah ich, dass alle Betten mit Moskitonetzen ausgestattet waren. Um die Stechmücken ging es mir dabei weniger. Unser Quartier war „sehr offen und luftig“. Fensterscheiben gab es keine, sämtliche krabbelnden Dschungelbewohner hatten somit die ultimative Zutrittsberechtigung. Für (oder gegen) meine dezente Arachnophobie die übelste Dschungelprüfung!
Ich wollte Abenteuer, jetzt gab‘s Abenteuer!

Am nächsten Tag schlossen wir uns einer großen Führung durch das Camp an und bekamen die Philosophie erläutert. Das Permaculture-Konzept setzt dabei auf die langfristige Schaffung von natürlichen und nachhaltigen Kreisläufen. Es werden zahlreiche Pflanzen, Gemüse, Obst und Kräuter angebaut und in den angebotenen Speisen des eigenen Restaurants verarbeitet. Plastik wird gänzlich vermieden. In großen Behältern wird Wasser gesammelt, aufbereitet und als Trinkwasser zur Verfügung gestellt. Es gibt tolle Aussichtstürme, kostenfreie Yoga-Stunden und unterschiedliche Workshops. Strom kommt zum Teil über Solarpanelen und ein Power Bike, das den „Insassen“ zur Verfügung steht. Belohnt wird zehnminütiges Strampeln mit einem „Shot des Hauses“.
Power Bike Gemüse-Anbau im El Zopilote
El Zopilote ist speziell! So auch seine umweltfreundlichen Trocken-Komposttoiletten; gemauerte Häuschen mit selbstgebautem Thron für die „großen Geschäfte“. Als Toilettenspülung gibt es Reis oder Sägemehl, nach Verrichtung zu verstreuen. Für Pipi stehen mehr oder eher weniger blickdichte Bambusbuden mit Ablaufrinnen parat. Bei Dämmerung chillen im Blätterdach des stillen Örtchens für normale Verhältnisse überdurchschnittlich große Spinnen. Von der Camp-Belegschaft gab es glücklicherweise den Freibrief „pinkelt ins Camp, das ist guter Dünger für die Natur“.
Die stillen Örtchen
Auch die Duschen werden im wahrsten Sinne des Wortes offen gehandhabt. Authentisches Outdoor-Feeling verspricht eine Dusche, deren Wände aus Palmwedeln bestehen und die sich komplett im Freien befindet. Bodenfliesen oder ein Dach gibt es nicht. Wer es nicht so luftig mag, kann auf eine andere Variante zugreifen: Eine gemauerte halbe Kurve jeweils nach rechts und links führt direkt in die Kabine hinein. Türen? Nö. Aber reichlich kaltes Wasser, ist eh viel gesünder.


Wer mehr über die Permaculture-Farm erfahren möchte bekommt hier weitere Infos: https://ometepezopilote.net/
Legendär ist das El Zopilote – auch über die nicht vorhandenen Camp-Mauern hinaus – für seine Pizza-Night. Mittendrin befindet sich ein Open Air-Restaurant mit großem Pizza-Ofen. In riesigen Bottichen blubberten bereits morgens herrlich duftende Tomatensaucen vor sich hin. Nach Einbruch der Dunkelheit öffnete das Restaurant und die Pizzabestellungen wurden aufgenommen. Jeder versorgte sich mit Bier, Cocktails oder anderen Getränken und bei guten Technobeats wurde als Vorspeise eine heiße Feuershow serviert. Die Stimmung war genial und die Besucher der Pizza-Party rundum begeistert.
An diesem Abend fasste ich spontan den Entschluss, mich doch noch für die Vulkantour am nächsten Tag anzumelden. Morgens hatte ich gehört, dass einige aus dem Camp die Besteigung des kleinen Vulkan Maderas (1.394 m) machen wollten. Diese Tour stand ebenfalls auf meiner To-Do-Liste, dennoch hatte ich ziemlichen Respekt vor der kräftezehrenden Besteigung. Um 22 Uhr flitzte ich an die Anmeldung und buchte mich auf den letzten Drücker ein.
Um noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen, beendete ich das Abend-Event, richtete meinen Krempel für die Tour, stopfte das Moskitonetz penibel rund um meine Matratze fest und haute mich aufs Ohr.
Der Wecker klingelte kurz vor 6 Uhr. Flott fertig gemacht, leise an der bewohnten Hängematte vorbeigeschlichen und auf der Aufenthalts-Terrasse eine Schale Joghurt mit Müsli und frischen Früchten gespachtelt, dazu dünnen Kaffee bzw. braunes Wasser in den Schlund gekippt.
Um 7 Uhr stand unser Bergführer parat. Hendrik, ein dürrer, freundlich dreinblickender Mann, in der einen Hand einen Stock und die Füße in weiten Gummistiefeln. Ich schloss mich mit meiner total netten Wandergruppe, bestehend aus zwei Jungs und zwei Mädels, unserem Guide an und so brachen wir gegen halb 8 zum Vulkan Maderas auf. Hendrik war super. Auf dem Weg durch das Camp und die grüne Landschaft, hielt er immer wieder an, erklärte uns in Englisch unterschiedliche Pflanzen, zeigte uns Affen und gab mir bereitwillig Nachhilfe bei meinen paar Spanisch-Brocken, mit denen ich mich bei ihm versuchte. Unterwegs statteten wir uns ebenfalls mit Holz-Wanderstöcken aus, die den Vulkan-Aspiranten extra zur Verfügung standen.
Den ersten Aussichtspunkt erreichten wir nach ca. 45 Minuten. Durch gemütliches Gelände hatten wir bereits einiges an Höhe gewonnen und genossen einen phantastischen Panoramablick auf den riesigen Nicaragua-See bei einer kurzen Rast. Bis hierher war die Welt in Ordnung.

Doch die Zeit drängte und unser dünner Guide schraubte sich in seinen Gummilatschen stetig den Berg hinauf, während wir in unseren festen Wanderstiefeln kaum mit ihm mithalten konnten. Der Weg wurde zusehends schlammiger und somit rutschiger. Mittlerweile waren wir im Regenwald. Und der Name war Programm! Unangenehm starker Wind kam auf, der uns zusätzlich kalten Nieselregen entgegen klatschte. Mit gesenkten Köpfen stapften wir mühsam durch den tiefer werdenden Matsch. Man wusste nie, wie weit der Fuß beim nächsten Schritt einsank. Seit eineinhalb Stunden waren wir unterwegs. Eingepackt in Regenjacken rackerten wir uns voran.


Der zähe Hendrik zeigte nicht die geringste Spur der Anstrengung. Immer wieder wartete er, bis wir zu ihm aufgeschlossen hatten. Dann verkündete er grinsend „3 hours more.“ Mit großen Augen starrten wir ihn an. WHAT?! 3 weitere Stunden?! Ernsthaft??
Unsicher fragte ich ihn, ob wir wirklich auf dem Weg zu dem kleinen Vulkan seien und er bejahte lachend. Nebenher erwähnte er, dass der große, aktive Vulkan „Concepción“ der Leichtere sei, während wir unterdessen auf den anstrengenderen Pfaden wanderten.
Finde den Fehler. Da hatte ich wohl irgendetwas missverstanden…
Mein Stolz verbietet mir prinzipiell jegliches pienzen und fiepen am Berg. Schwächeln war keine Option. Also Augen und Klappe zu und ab durch den Mappel.
Ich habe schon ein paar Gipfel in den Beinen und ehrlich, ohne Übertreibung, die Besteigung war heftig! Netterweise kommt man irgendwann mental an den Punkt, an dem einem alles schnuppe ist. Mit der Anmut einer wühlenden Wildsau auf Kastaniensuche und aufgepimpt mit einer bestechenden Kombination aus Regen und Schweiß, bis zur Unterhose vor- und auch durchgedrungen, beschloss ich, in den „Ach-scheiß-doch-drauf-Modus“ überzugehen. Mir war’s schnurz.
Inzwischen flossen kleine Bäche den Hang herab, durch die wir stiegen. Nasse Füße? Wen kümmerts! Wir kletterten über völlig zugewucherte Baumstämme, krabbelten unter vermoosten Ästen durch und kämpften unzählige Male damit, unsere Schuhe aus dem tiefen Schlamm herauszuziehen. Je dichter das Gestrüpp rundum wurde, desto lauter flehte die innere Stimme „Bitte keine Vogelspinne! Keine Tarantel!“ Parallel liefen im Kopfkino Oscar-reife Blockbuster ab. Hier hatte das „Innere Fuck it“ leider noch Verbesserungspotenzial.

Nach rund 3:40 Stunden erreichten wir den höchsten Punkt der (Tor-)Tour. Hendrik lächelte zufrieden. Ich war noch immer hochgradig imponiert, mit welcher Leichtigkeit er diesen unsäglichen Weg in seinen Gummitretern zurückgelegt hatte.
Bis zu unserem Ziel, dem Kratersee, war es nun nicht mehr weit.
Auf Felsen und durch noch mehr Schlamm, kletterten wir gut 10 Minuten einen steilen Hang ab. Die Landschaft war unglaublich; alles war wild verwachsen, in den Bäumen hingen Lianen und Flechten und Nebelschwaden stiegen auf. Die Luft war kalt, in der Ferne rauschte Wasser und noch immer nieselte es.
Wir traten aus dem Regenwald und plötzlich standen wir am Rand des Kratersees. Angekommen. Im Inneren des Vulkanes. Es war völlig surreal!

Über uns hing ein grauer Himmel, vor uns lag ein noch grauerer, schier endloser See, über den lautstark der Wind pfiff. Darüber schwebte mystisch der Nebel, der den Blick keine 20 Meter weit erlaubte. Eine ruhige, ganz besondere Stimmung lullte uns ein. Wir waren glücklich, erschöpft und fasziniert. 1.230 Höhenmeter steckten bleischwer in unseren Beinen. Jetzt hieß es erst einmal, Reserven auffüllen. Vom Camp Zopilote hatten wir super leckere Hummus-Brote als Proviant dabei, die wir ausgehungert vertilgten.
Nach einer halben Stunde traten wir, recht durchgekühlt, den Rückweg an. Die Strecke zu kennen, machte es nicht unbedingt leichter. Mit müden Beton-Beinen zogen wir uns an Ästen und Pflanzenschlingen über die rutschigen Felsen wieder den Steilhang hinauf.
Geschlagene 4 Stunden brauchten wir für den Abstieg. Etliche Stürze gab es obendrauf. Der Pfad war vom Regen so miserabel geworden, dass alle abwechselnd ausrutschten und stürzten. Unsere Beine begannen irgendwann zu zittern, weil die Muskeln die Schnauze voll hatten. Was war ich dankbar für den Wanderstock, der aber gegen Ende auch bei mir einen ordentlichen Sturz auf den Hintern nicht vermeiden konnte. Ein großer blauer Fleck blieb als tagelange Erinnerung an das „Epos am Schicksalsberg“.

Mit Hendrik (rechts außen) und einem Teil der Truppe auf dem Rückweg
Wenn wir beim Aufstieg dachten, wir seien versumpft gewesen, so wurden wir auf dem Rückweg eines besseren belehrt. Es gab keinen Fleck mehr an Körper oder Kleidung, der nicht eingeschmuddelt war. Dicker Matsch lief von oben in die Wanderstiefel rein. Tatsächlich wich der Regen mittags der Sonne, die unsere ausgekühlten Körper wieder wärmte und uns trocknete.

Concepción, verziert mit Wolken-Sahnehäubchen
Erledigt, dreckig, stolz und übertrieben happy kamen wir um 16 Uhr zurück ins El Zopilote.

Innig dankten wir Hendrik, bevor wir uns von ihm verabschiedeten.
Meine Hose, die vor eingetrockneter Erde eigenmächtig stehen konnte, packte ich in einen Beutel, warf die Strümpfe in den Müll und schrubbte mir unter der Dusche den Dreck vom Körper, so gut es mit kaltem Wasser ging.
Die Wanderschuhe ließ ich bei meiner Abreise im Camp zurück. Obwohl sie gnadenlos stanken und völlig hinüber waren, hatten sie bereits einen Abnehmer gefunden.
Abschließend betrachtet war die Besteigung des Maderas definitiv eines meiner absoluten Nicaragua-Highlights. Physisch, psychisch und optisch! Ich kann jedem der dort ist nur empfehlen, sich dieses Abenteuer nicht entgehen zu lassen! Eine gewisse Grundkondition sollte man besser mitbringen, sonst könnte sich der Spaßfaktor eher in Grenzen halten. Aber man wächst ja bekanntlich an seinen Herausforderungen.
Und das wahre Leben beginnt nunmal dort, wo die Komfortzone endet 😉
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