Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 7 – Finale: Abenteuerlichen Höhen und Tiefen

7. September 2022

Hui ist Urlaub anstrengend! Die letzte Nacht kann man knicken, die war völlig unnötig weil quasi kaum vorhanden. Um 4:50 Uhr fallen wir aus dem Bett. Dabei sind wir vor gerade mal vier Stunden erst reingefallen. Draußen ist es noch immer stockdunkel. Logisch. Was man für Abenteuer doch alles in Kauf nimmt. Pronto ein Käffchen in die Blutbahn katapultieren, das notwendige Geraffel packen und los geht’s.

Mit dem Boot in den Sonnenaufgang

10. März 2022 – Vor unserer Unterkunft hält ein dunkler Kombi. Wie mit Ben, unserem Vermieter besprochen, werden wir pünktlich um 5:25 Uhr an unserer Villa abgeholt. Er hat kurzfristig für Janine und mich zwei Plätze bei Dolphin Warrior organisiert und uns eingebucht. Gespannt sitzen wir im Auto, während wir von Chef Navin und seiner Frau zum nahegelegenen Bootsanlegeplatz in La Gaulette gefahren werden. Dort besteigen wir das Boot und warten, unter dem Sternenhimmel sitzend, auf den Rest der Truppe. Guter Zeitpunkt die Brechpille einzuwerfen! Alles andere wäre grob fahrlässig und wie eine schriftliche Zustimmung auf mein Todesurteil und dem anschließend qualvollen Dahinsiechen. Janine und ich zimmern uns die Reisetabletten ein und warten, dass sie das tun, wofür sie erfunden wurden.

Le Morne Brabant in der Morgendämmerung

Neun Teilnehmer, wir sind vollzählig und können endlich los. Kapitän Navin und sein Boots-Chauffeur brettern uns im Affenzahn zum Sonnenaufgang raus aufs offene Meer. Bin schon ganz kribbelig vor Aufregung und Vorfreude. Werden wir Delfine zu Gesicht bekommen? Kritisch fühle ich in meine Magengegend und bin höchst zufrieden, ich sehe die Wellen, spüre sie aber nicht. Unterhalb vom Hals liegt alles lahm. Herrlich, auf das Zeug ist einfach Verlass. Das hat mir bei den übelsten Fährfahrten zwischen den Galapagosinseln schon mehrfach das Leben gerettet.

Wir müssen gar nicht lange warten, bis sich die ersten Delfine zeigen. Die Tränendrüse eskaliert unkontrolliert und vor Ergriffenheit schießt Pipi in die Augen. Es berührt und bewegt mich, als würde ich das allererste Mal Delfine sehen. Es gibt Momente im Leben, die nutzen sich niemals ab. Die verlieren niemals an Bedeutung und Wert. Die sind auch nach dem zehnten, vierzigsten, hundertsten Mal noch so intensiv und besonders, wie beim ersten Mal. Und es gibt Augenblicke, die jedes verfluchte Mal eine Gänsehaut über deinen ganzen Körper jagen, dich nach Luft schnappen lassen, dich staunend und fassungslos stehen lassen. So geht es mir beispielsweise immer, wenn ich auf dem Gipfel eines Berges stehe und realisiere, wie klein ich bin. Was für ein unscheinbares Nichts wir Menschen auf diesem Planeten sind. Das Meer verdeutlicht einem dies auch ungefiltert. Nichts ist so roh, so pur, so faszinierend, hart, grausam, gewaltig und gleichzeitig so wunderbar wie die Natur, in der wir uns bewegen.

Schnorcheln mit Delfinen

Navin erklärt die Unterschiede der beiden Delfinarten, auf die wir hier treffen. Die Spinner-Delfine, die spiralenförmig aus dem Wasser springen und üblicherweise in kleineren Gruppen von 10 oder 15 Tieren schwimmen. Und die größeren Flaschennasen-Delfine (bekannt als Flipper), die in Gruppen von über 100 Tieren auftauchen können. Wir erhalten eine kurze Einweisung, ziehen die Flossen über und dübeln die Schnorchelmaske auf die Glubscher. Auf dem Bootsrand sitzend, mit angehobenen Flossen, warten wir aufgeregt auf das Kommando. „Wait, wait“ bremst Navin die Truppe, seine Augen unablässig beobachtend auf das Wasser gerichtet. Plötzlich geht alles ganz schnell: „Go, go! Now, go!“ ruft er und wir springen über Bord.

Ich bin selbst völlig verblüfft, dass es mich keinerlei Überwindung kostet, in den dunklen, unbekannten Abgrund unter mir zu springen. Scheinbar wurde der Kopf zusammen mit dem Magen von den Tabletten ins Off geschossen. Oder er ist zu dieser Uhrzeit noch gar nicht angeschaltet. Umso besser. Wenn ich mich an die letzte Aktion auf Galapagos erinnere (da waren allerdings Haie drunter), fand ich das recht bedrohlich und haderte sehr (den Bericht findet man hier zum Nachlesen). Jetzt kann ich es kaum erwarten, mich im Ozean zu versenken. Das Wasser ist selbst hier draußen unfassbar warm! Um das Boot zischten gerade etliche Delfine, hoffentlich sind sie noch da. Es dauert einen Moment, bis sich die Augen an das tiefe Blau gewöhnt haben, das alles rundum zu verschlucken scheint. In meine Ohren dringen diese typisch pfeifenden Delfingeräusche und dann nehme ich Bewegungen unter mir wahr. Vor unbändiger Freude quietsche ich in meine Maske. Der Kopf kapiert gar nicht die unwirkliche Situation. Schnorcheln mit Delfinen, mitten im Nirgendwo! Euphorisch tauche ich auf und suche Janine. Sie klammert sich an der Leiter des Bootes fest und scheint in Panik zu sein. Sie hat unter ihrer Schnorchelmaske keine Luft mehr bekommen. Navin zieht sie am Handgelenk ins Boot hinein. Auch wir schwimmen zurück und steigen wieder ein.

Navin sucht die nächste Delfingruppe, die prompt erscheint. Wieder Flossen und Maske an, auf die Reling hiefen und bei dem Wellengeschaukel ordentlich festhalten. Das Kommando „go, go“ erlaubt uns zu springen. Navin hat sich Janine gekrallt, hält sie an der Hand und schwimmt mit ihr durch die Wellen. Ich folge eilig paddelnd, so ganz geheuer ist mir der Ozean ohne jemanden in unmittelbarer Nähe nämlich nicht. Zudem ist die Schwimmerei in den Wellen mega anstrengend. Navin deutet in die Tiefe. Als ich untertauche, sehe ich nur zahllose neonblaue Leuchtpunkte. Eine Reflektion des Lichtes, vermute ich. Plötzlich bin ich inmitten eines Delfinschwarms. Es sind so unfassbar viele! So wunderschön und elegant, wie sie irre flink durch das Wasser tanzen.

Eintauchen in ein anderes Unterwasserwelt-Leben

Ich kämpfe mich durch die Strömung zurück zum Boot und schmeiße die Flossen hinein, um an der rutschigen Leiter hinaufklettern zu können. Völlig außer Atem falle ich auf den Sitz. Das ganze Prozedere wiederholen wir weitere Male. Kardiotraining vom Feinsten. Eine Stunde Spinning ist Kindergarten dagegen, witzele ich. Eine Frau aus unserer Truppe erklärt, dass es sich bei diesen blauen Leuchtpunkten unter Wasser um Plankton handelt. Hier gäbe es sehr viel davon, meint sie und erzählt weiter, dass es bei Berührung auf der Haut wie Brennesseln bitzele. Jetzt weiß ich endlich, was es mit dem komischen Neonzeugs auf sich hat und beim nächsten Schnorchelgang spüre ich das bitzeln tatsächlich auch.

Janine ist trotz Reisetabletten übelst seekrank geworden. Für sie hat sich das Schnorcheln erledigt. Es geht ihr richtig schlecht, man sieht in ihrem blassen Gesicht, wie sehr sie leidet. Für uns geht es eine weitere Runde in die blaue Unterwasserwelt und sofort bin ich umringt von Delfinen. Navin begleitet mich durchs Wasser. Große Erleichterung, denn sobald ich untertauche, verliere ich komplett die Orientierung und habe Schiss, mich unbemerkt von der Gruppe zu entfernen. Und die Tatsache, dass ich so ziemlich alle blutrünstigen Hai-Filme gesehen habe, trägt nicht zum Wellnessfeeling bei. Spielerisch schwimmen die Delfine vor mir her und gewähren mir Begleitung. Ganz nah unter mir zischen unzählige Flipper vorbei! Ich flippe endgültig aus vor Freude, als ich ein Delfinbaby sehe. Als ich glucksend vor Glück auftauche, grinst Navin, er reckt den Daumen in die Luft und schwimmt mit mir zum Boot. Janine hat es völlig zerlegt, mit geschlossenen Augen krallt sie sich machtlos an der Reling fest. Das Boot schaukelt ordentlich hin und her, noch schlimmer wackelt es, wenn es steht. Es bleibt ihr nichts anderes übrig, als durchzuhalten.

Weihnachtsstimmung am Crystal Rock

Die Fahrt geht weiter zum fotogenen Crystal Rock. Ein kleiner Felsbrocken mitten im Ozean. Streng genommen ist es kein Felsen, sondern ein Korallenriff. Obendrauf abgestorben, unter Wasser jedoch voll intakt. Wir schippern gemütlich drumrum und bewundern lachend die goldene Weihnachtsgirlande, mit der das schwimmende Gestein geschmückt wurde! In einem Monat hängen dann vermutlich bunte Ostereier dran.

Der Crystal Rock, ein bliebtes Fotomotiv
Die schwimmende Weihnachtskoralle

In Strandnähe von Le Morne gibt’s die letzte Schnorchelrunde. Vom Boot aus entdecken wir einen riesigen Stachelrochen auf dem Meeresboden. Der Truppe (alle mit Taucherfahrung) isses hier nicht mehr spektakulär genug, dafür hüpft Janine mit mir ins Wasser. Sie hat sich etwas regeneriert und wird wenigstens zum Ende mit Unterwasservergnügen entschädigt. An Bord versorgt uns Navins Frau mit selbstgemachten Samoussas und einem leckeren Fruchtsaftcocktail mit hauseigenem Rum Arrangé. Die Brühe hat es in sich. Wirkt sofort, trotz unserem abendlich regelmäßigen „Rum-Gelungere“. Nicht wie mein klassischer Frühschoppen-Kaffee, den der nüchterne Kadaver am Morgen so gewohnt ist.

Letzte Schnorchelrunde in Strandnähe von Le Morne

Die Rückfahrt ist erneut ein bretternder Tiefflug übers Meer, dann werden wir zurück zur Unterkunft gefahren. Um 9:30 Uhr ist der Zauber vorbei. Janine küsst erleichtert den Boden und gelobigt inbrünstig, nie wieder mit einem Schiff in See zu stechen (Tretboote und Standup-Paddel ausgenommen). Als gefühlsechtes Andenken schmerzt ihr Handgelenk höllisch, seit sie ins Boot gezogen wurde und danach stundenlang an der Reling klammerte.

Nach so viel abenteuerlichem Frühsport braucht Frau erst mal Frühstück. Die Brech-Pillen entfalten jetzt vollständig ihre Nachwirkungen. Wir sind hundemüde. Dass ich von dem halben Glas Rumgemisch angezwitschert bin und Seegang im Kopf habe, macht nicht wacher. Wir hauen uns aufs Bett und dösen ein.

Von der Tiefe in die Höhe

11. März 2022 – Nach dem ereignisreichen Tag, konnten wir gestern Nacht tatsächlich relativ zeitig einschlafen. Um 4:00 Uhr brummt mein Handy. Ben schreibt, dass heute DER Tag ist. Was lange währt, endlich, nach mehreren Anläufen… ein Abenteuer jagt das nächste. Gestern ging es tief nach unten, heute geht es steil nach oben.

In aller Frühe (man könnte es auch mitten in der Nacht nennen) sammelt er mich vor der Unterkunft ein. Wir (es ist noch ein französisches Mädel dabei) fahren die wenigen Kilometer zum Parkplatz in Le Morne. Als wir um 5:30 Uhr Richtung Berg loslaufen, ist es noch immer stockdunkel. Wir folgen dem spärlichen Schein von Ben’s Handytaschenlampe und meiner Minifunzel, die ich schnell anschalte, nachdem es das zweite Mal unter meinem Fuß fieß geknackt hat. Als ich auf den Boden leuchte, erklärt sich meine Trefferquote. Große muschelartige Schnecken bevölkern den feuchten Boden.

Weit vor Sonnenaufgang geht es auf Bergtour

Es war zu erwarten, dass Ben ein ordentliches Tempo vorlegt. Für ihn ist der Aufstieg zum Le Morne quasi sowas wie der morgendliche Gang zum Bäcker. Mehrmals wöchentlich rennt er seinen Hausberg rauf. Wir Mädels versuchen motiviert Schritt zu halten. Allmählich dämmert mir, warum Ben auf den frühen Aufbruch pochte. Da die Sonne noch nicht da ist, sind die Temperaturen zwar noch moderat, aber dennoch schon kuschelig. Und die Luftfeuchtigkeit ist heftig. Der Weg steigt an, das erste Stück kenne ich bereits von meiner Laufrunde kürzlich. Die Suppe strömt aus allen Poren, während wir dem leichtfüßigen Ben hinterherhecheln. Der Geruch des Waldes wird plötzlich ganz intensiv. Wir drei sind allein auf weiter Flur. Die Morgendämmerung setzt ein und schon bald brauchen wir kein Licht mehr.

Le Morne Brabant, der Berg ruft

Am ersten Aussichtspunkt erwacht der Himmel leise und gewährt uns einen friedvollen Blick über die Weiten des Meeres. Ben drängt weiter. Über einen breiten Weg stapfen wir bergauf, während unser einheimischer Guide eine Beere vom Baum pflückt und mich fragt, ob ich „Glue“ kenne. Noch während ich den Kopf schüttel, habe ich eine schleimige Pampe auf dem Finger. „Das wird als Kleber benutzt“, amüsiert sich Ben, während ich irritiert meine zusammengeklebten Finger betrachte. Schon hat er die nächste Pflanze am Start. Ben rupft Blätter ab, zerreibt sie und hält sie uns unter die Nase. Ein wunderbares Pfefferaroma bahnt sich seinen Weg über meine Geruchsrezeptoren. Überall um uns herum wächst roter Pfeffer, der hier richtig gut und richtig teuer ist.

Auf dem Zwischenplateau erreichen wir das Warnschild. Ab hier gefährliches Klettern! Und Erklärungen, was alles zu befolgen ist. Der Trümmer von Berg thront vor uns, zum Greifen nahe. Die Fingerchen kribbeln schon! Ben kündigt an, wir würden nun etwas langsamer laufen. Aha. Wir merken davon irgendwie nichts. Nachdem wir ein Tor passiert haben, heißt es Hand anlegen für die Kletterpassagen. Kilometermäßig weit ist der gesamte Weg nach oben nicht, doch insbesondere die leichten Klettereien sind teils sehr steil und abschüssig. Wir steigen durch eine eine Rinne aufwärts, in der Wasser runterläuft. Ben lotst uns dran vorbei, besser durch matschige Passagen, statt über rutschig-nassen Felsen. Hier bieten zumindest Bäume etwas Halt. Der folgende Anstieg ist das schwerste Stück. „Good exercise,“ lächelt unser Bergführer.

Es wird ernst
Le Morne Brabant, der Berg ruft
Hinter dem Tor wird der Trail allmählich steiler und abschüssiger
Über die Felsen kraxeln wir Ben hinterher

Ein Blick auf die Uhr sagt, dass wir seit einer gute Stunde unterwegs sind. Mit einem Pärchen habe er neulich bis hierher zweieinhalb Stunden gebraucht, plaudert er munter. Nun verstehe ich, warum wir so viele Tage auf die passenden Wetterbedingungen gewartet haben. Bei Regen wollte ich hier nicht in der steinigen Rinne stehen. Meter für Meter klettern wir weiter nach oben, der Ausblick wird immer grandioser. Ich fasse nicht, dass ich endlich diesen Berg besteige! Etwas überrascht über „so viel Kletterei“ bin ich allerdings. Alles nicht wirklich schwer, dennoch würde ein falscher Tritt an an der falschen Stelle unschön enden. Der Aufstieg ist ja eher selten das Problem. Den gleichen Weg geht es allerdings zurück und das könnte stellenweise knifflig werden.

Die Kletterei liegt hinter uns. Ein schmaler Pfad führt um eine Kurve. „Ich lasse dir den Vortritt, geh du vor zum Gipfelkreuz“, nickt Ben mir zu. Moment – sind wir etwa da?! Ein breites Honigkuchenpferdgrinsen fräst sich in mein Gesicht (und bleibt dort für den Rest des Tages reingetackert). Ich weiß, das klingt schrecklich pathetisch, aber als ich um die Kurve gehe und auf das stählerne Gipfelkreuz blicke, bleibt mir vor Demut und Respekt die Luft weg. Ein grandioser Moment. Es ist 6:50 Uhr, wir stehen hoch über dem Indischen Ozean, die ersten Sonnenstrahlen kitzeln uns und das Gefühl ist nicht annähernd in Worte zu fassen. Ich bin schlichtweg emotional überwältigt.

Zwischen den Felsen durch…
… um die Kurve
… zum Gipfel. Pure Glückseligkeit

Während Ben höher auf die schmale Felsnadel nebenan klettert, machen wir Mädels Fotos als gäbe es kein Morgen mehr. Wir verbringen ausgiebig Zeit auf dem Gipfel, Ben weiß unheimlich viel über die Umgebung, erklärt uns die Farbzusammenhänge im Meer mit den Korallen und die umliegenden Inseln. Selbst La Réunion ist an guten Tagen von hier zu sehen. Sogar den Crystal Rock, die schwimmende Weihnachtskoralle, entdecken wir. Genauso die Boote an den Delfin Hotspots draußen. Der ausragende Viewpoint mit dem Felsen bei Bel Hombre, Chamarel mit den Wäldern, die ganzen Strände, alles breitet sich vor unseren Augen aus. Allein das Farbenspiel am Himmel, die große Wolke, die auf uns zusteuert und sich genauso schnell hinter uns wieder in Nichts auflöst und puren Sonnenschein zurücklässt, traumhaft. Weitere Gipfelstürmer kommen an. Einer davon ist ein Bekannter von Ben, dessen Rekord bei 17 Besteigungen des Le Morne Brabant HINTEREINANDER liegt! Es gibt schon krasse Leute…

Le Morne Brabant, einer meiner schönsten Gipfel!
Ben hat sich den Spitzenaussichtsplatz gesichert
Der größte Lohn, Naturmomente in ihrer reinsten Form
Blick auf die kleine Ile aux Bénitiers, in unmittelbarer Nähe des Crystal Rock

Von weit unten kommt eine Horde Menschen. Ach du scheiße! Hochbetrieb wie am Himalaya. Gut, dass Ben uns mitten in der Nacht aus dem Bett geschmissen und uns so das Privileg verschafft hat, die Ersten auf dem Gipfel zu sein. Unbezahlbare Augenblicke der Einsamkeit und absoluten Stille nur für uns! Jetzt heißt es heil runterkommen.

Zeit für den Abstieg, ein letzter Blick zurück

Beim Abstieg (es ist noch nicht mal 8 Uhr) brennt die Sonne bereits gnadenlos. Der Rückweg dauert tatsächlich länger als der Aufstieg. Wir geraten in die Rushhour und müssen warten, bis eine nicht enden wollende Gruppe stöhnender und schwitzender Menschen an uns vorbeigeschnauft ist. Wenn die bereits hier schon kämpfen… das schwere Stück liegt erst vor ihnen. Gegen 9 Uhr erreichen wir das Auto. Durchgeschwitzt, randvoll mit Endorphinen und stolz wie Bolle.

Geschafft! Wir sind vom Berg runter
In der Mitte klettert man die Rinne nach oben

Die aufgezeichnete Strecke der Besteigung des Le Morne findet ihr hier: https://www.komoot.de/tour/705393965?ref=aso

Gipfelglück und Wasserspaß – Le Morne all inclusive

Nachdem Janine zum Frühstück meinen Reinhold-Messner-Expeditionsbericht serviert bekam, wird der Tages-Masterplan ausgetüftelt: Hardcore-Chillen in der ausgeprägtesten Disziplin. Wo könnte man das besser als am einladenden Strand von Le Morne? Wir schmeißen unser Bade- und Entertainmentkrempel ins stinkende Spaßmobil (warum’s stinkt wird hier erklärt) und düsen zum Beach.

Wir sind noch immer erstaunt, wie wenig hier los ist. Überfüllte Strände sucht man vergebens (nichts läge uns ferner als das). Wir stürzen in die Fluten und schnorcheln ewig. Fischlis gucken ist furchtbar unterhaltsam. So unterhaltsam, dass man gar nicht mitbekommt, wenn die Sonne den Rücken zu Grillfleisch zerbrutzelt. Ist ja nicht so, als hätte ich mir nicht genau dafür zuhause ein T-Shirt mit eingebautem 50er UV-Schutz gekauft. Jahaaa, das wird natürlich geschont, damit es sich nicht so schnell abnutzt. Weil das daheim schließlich im permanenten Einsatz ist, wenn ich mich unablässig auf dem Rhein und Neckar in Meeresbiologie fortbilde. Deshalb liegt das gute Stück nun ordentlich im Appartement im Schrank. Ironie des Lebens. Morgen ist der Rücken braun, rede ich mir selber meine Blödheit schön und parke den Kadaver für den Rest des Tages ausschließlich im Schatten. Ansonsten war das heute ein rundum verdammt toller Tag! Und endlich ist der Haken am Le Morne Brabant gemacht!

Hier gibt’s sogar fliegende Surfer
So sieht das Paradies aus

Der verborgene Wasserfall von Le Gris-Gris

12. März 2022 – Die Rum- und Getränkevorräte wurden am Abend feierlich leergetrunken, die sind Koffer gepackt. Heute heißt es Abschied nehmen von der heimeligen Bachelor-Villa, dem Pingo-Studio. Wir verlassen La Gaulette einen Tag früher als geplant, um in Mahébourg etwas mehr Zeit zu haben. Auch von Ben haben wir uns bereits verabschiedet.

Rum-Reste-Cocktail am letzten Abend in La Gaulette

Die Stinkeschleuder ist beladen. Mit einer gewissen Melancholie im Kofferraum, nehmen wir die Küstenstraße Richtung Le Gris-Gris. Dort ist ein kleiner Zwischenstop geplant. Beim rumjammernden Felsen (la Roche qui pleure), an der Küstenspitze waren wir ja bereits. Moment, hat grad jemand was von Rum gesagt?

Da wir von unserer überaus inselkundigen Bekanntschaft (dem Einheimischen, den wir vor Tagen am Strand kennenlernten) über einen versteckten Wasserfall in der Nähe des Roche qui pleure informiert wurden, verfügen wir über heiß begehrtes Insiderwissen für Nicht-Touristen. Guter Draht zu den Locals zahlt sich aus. Die Wegbeschreibung hat er uns erklärend in den Sand gemalt und wir (mehr oder weniger) in einer nicht Rum-geschädigten Hirnwindung abgespeichert. Der Wasserfall liegt auf unserem Weg, den lassen wir uns natürlich nicht entgehen und können ihn mit einer kleinen Wanderung verbinden. Über die Richtung philosophierend, stiefeln wir zu den erwähnten Zuckerrohrfeldern und hören nach einer Weile tatsächlich im Wald ein Rauschen. Wir haben ihn gefunden! Ein toller Wasserfall mit Dschungelatmosphäre, ganz für uns allein.

Der „geheime“ Wasserfall
Der Weg führt seitlich vorbei zu einer Matschrinne
Mit Hilfe von Wurzeln steigen wir in die Schlucht hinab

Der Weg führt auf der gegenüberliegenden Seite weiter. Also Treter aus und das Flußbett oberhalb durchqueren. Wir folgen dem Pfad einige Meter und steigen eine wurzelige Matschrinne zum Wasserfall hinab. Erneut müssen wir die Schuhe ausziehen, um die Seite zu wechseln. Es geht nur ein kurzes Stück weiter durch die Schlucht, dann beginnt an einem zweiten, kleineren Wasserfall das Spiel ein drittes Mal. Latschen aus, Seitenwechsel, Füße trocknen, Schuhe an. Nach wenigen hundert Metern stehen wir abermals vor einem knietiefen Flusslauf, den es zu überqueren gilt. Hmpf, wir sind mehr mit an- und ausziehen von Schuhen und Strümpfen beschäftigt, als wir vorankommen. Wenn das so weiter geht, fallen die Mauken bald ab. Barfuß wollen wir auf dem teils stark zugewucherten, kaum erkennbaren Boden allerdings nicht laufen. Hoffentlich müssen wir nicht den gleichen Weg zurück.

Am zweiten Wasserfall wird erneut das Flussbett überquert

Die Landschaft, der Fluss und die Wasserfälle entschädigen für alle Mühen, es ist traumhaft schön. Alles ist knallegrün, wild und ungezähmt verwachsen, dazu das beruhigende Rauschen des Wassers. Allmählich müssten wir am Meer ankommen und optimalerweise sollte dort auch ein Weg hinauf- und zurückführen. In der Ferne hören wir leise Stimmen. Scheinbar sind hinter dem ganzen Gestrüpp irgendwo Menschen. Dann muss es auch einen Weg geben.

Zigmal werden die Seiten gewechselt
Und erneut passieren wir den Fluss
Wir sind tatsächlich am Meer rausgekommen!

Wir bahnen uns durch die Pampa voran und plötzlich ist Meer in Sicht! Über schwarze Steine und jede Menge Treibholz balancieren wir am Ozean entlang und spotten rum, dass hoffentlich nicht Ebbe ist, und binnen der nächsten Sekunden prompt die Flut kommt (sehr realisitische und konkrete Todesvorstellungen) und uns fortreißt. Erleichtert finden wir den Pfad, der von der Meeresebene aufs Festland hinauf führt. Ein dickes Tau, das einige Meter oberhalb an einer Holzleiter endet, hilft beim Anstieg. Mit ihrem zunehmend schmerzenden Handgelenk zieht sich Janine nach oben.

Der rettende Weg zu sicheren Gefilden
Kräftig zupacken bei Raufkraxeln
Abenteuerspielplatz-Wanderung
Roche qui pleure, der weinende Felsen
Atemberaubende Bucht bei Le Gris-Gris

Mit kleinem Abstecher zum Roche qui pleure, über bekannte Pfade vorbei am Nonnenkloster (unser Unterschlupf neulich, als es in Strömen regnete), beenden wir nach rund fünf Kilometern voller Begeisterung die Wasserfall-Erlebnistour.

Mahébourg, die letzte Etappe

12. März 2022 – Am frühen Mittag erreichen wir Mahébourg. Dank Teamwork während der Autofahrt. Da Linksverkehr herrscht und der Fahrer (Janine) auf der rechten Seite sitzt, befindet sich das Schaltgetriebe ebenfalls auf der linken Seite. Janines Handgelenk lässt eine Schaltbewegung nicht mehr zu. Wie gut, dass wir drei uns non-verbal verstehen; Janine tritt die Kupplung, die Karre quietscht sich ins Koma und ich schalte (liegt ja sowieso auf meiner richtigen Seite). Funktioniert prima!

Wir checken im bewährten Orient Hostel ein und ziehen los. Die Mission lautet Frühstücks-Roti, oder eher Mittagessen-Roti.

Balkon-Ausblick, zurück im familiären Orient Hostel
In Mahébourgs Ufernähe liegt die kleine Insel Mouchoir Rouge

Ich zeige Janine den am Rande der Stadt gelegenen bunten Shri Vinayagar Seedalamen Kovil Tempel und starte meinen 187. Versuch, endlich das Nationalmuseum zur Öffnungszeit zu besuchen. Wir liegen hervorragend in der Zeit, dennoch schickt man uns hinfort. Warum nur stehe ich hier jedes Mal vor verschlossenen Toren? Heute ist Nationalfeiertag! Das war uns nicht bekannt, erklärt im Nachhinein aber einiges. Zum Beispiel, warum die Markthalle und der Supermarkt geschlossen sind.

Der hübsche Shri Vinayagar Seedalamen Kovil Tempel

Gut, dann Spontan-Plan B, auf zum Strand nach Blue Bay. Nach der Hitze des Tages ein Cooldown am populären Beach, diese Idee haben am Feiertag noch weitere zwei, drei Leute. Der Strand ist brechend voll, die Badebucht nicht minder. Alles tümmelt sich im Wasser, es ist trubelig und laut.

Am Abend ziehen wir auf Futtersuche durch die umliegenden Straßen. Die Möglichkeiten sind derart vielfältig, dass man die Qual der Wahl hat. Wir landen in einer hippen Raggae-Dreadlock-Lokalität. Und versacken. So richtig. Unter lauter Locals, mittendrin statt nur dabei. Für richtig leckeres Essen und drei gar köstliche Cocktails zahlen wir unfassbar wenig. Gekrönt wird der kulinarische Donnerschlag von der Großzügigkeit des Tresen-Chefs, der uns weitere Cocktails aufs Haus nachkippt. Alle Bemühungen, unsere Trinklaune zu bezahlen, werden kategorisch abgelehnt. Sowas hab ich noch nie erlebt! Wenn die denken, die können die deutschen Mädels abfüllen, haben die die Rechnung allerdings ohne uns gemacht, ha!

Nebenbei lernen wir eine wichtige Tropen-Überlebensstrategie: Siehst du nicht was unterm Tisch passiert, dann mal lieber hoch die Latschen! Kakerlaken und Riesenspinne rennen unter den Tischen und zwischen den Füßen der Gäste rum. Als ich mit aufgerissenen Augen der ponygroßen Spinne nachstarre, während diese auf den Flipflop eines Gastes zurennt… lassen wir das! Meine Füße berühren erst wieder den Boden, als wir aufbrechen.

Was werden wir betüdelt! Genaugenommen Janine, ich bin eher Dranhängsel. Unter (sehr) männlichem Geleitschutz schlendern wir zum Hostel und bekommen obendrein als Abschiedsgeschenk eine große Flasche des geschätzen Rums! Machen wir doch einen derart bedürftigen Eindruck? Janine bekommt zum Rum vom adretten Mauritius-Adonis eine freundliche und nahezu seriöse Kidnapping-Anfrage für die Nacht, welche sie höflich lächelnd abgelehnt. Ist ja nicht so, als hätte sie vom Hostel-Meister heute nicht schon nen Heiratsantrag bekommen… Selbst Schuld, wenn ich Sand mit an den Strand nehme, resümiere ich gönnend. Immerhin textet mich mein Stinkschüsselvermieter des Vertrauens regelmäßig mit „unterhaltsamen“ Nachrichten zu, sonst müsste ich nicht nur im Rum, sondern auch in völligen Minderwertigkeitskomplexen ertrinken. In unsere ilustre nächtliche Gassenrunde reiht sich spontan der ordentlich angetüdelte Nachbar mit ein. Der hat definitiv mehr intus als wir! Was sind die Männers hier mitteilsam!

Markthalle, Museum und Donnerwetter

13. März 2022 – Apropos mitteilsam; auch diese Nacht endet viel zu zeitig. In Mahébourg schwätzt man nämlich sehr früh, sehr gern und sehr laut. Auch am heiligen Sonntag. Tja, wer spät ins Bett geht darf früh aufstehen.

Der Morgen startet geschäftig. Wir quälen uns durch den verhassten, niederträchtigen Flug-Online-Checkin und geben dem lusteligen Autovermieter des Vertrauens das fahrende Blech zurück. Danach ziehen wir durch Mahébourg. Nach dem vergangenen durstigen Abend ist dem Kadaver nach scharfem Roti. Und ich brauche noch ein Opfer, dem ich mein Rückflugticket aufdrücken kann. Habe nämlich nicht vor, den Heimflug anzutreten.

Anstehen für die begehrten Rotis

Der heutige finale Versuch, Eintritt ins Historische Marinemuseum zu erhalten, ist von Erfolg gekrönt! Die Pforten sind geöffnet! In einem hübschen alten Kolonialhaus, dem Château Gheude, befindet sich das Museum. Es erzählt über das französische Kolonialreich, die Sklaven und verfügt über etliche Artefakte. Soviel zur Bildung des Tages.

Das Historische Marinemuseum
Im Park des Historischen Marinemuseums
Streifzug durch die Straßen von Mahébourg
Jackfruits wachsen an Bäumen mitten in der Stadt
Weihnachtsschmuck steht hoch im Kurs

Das Wetter ist nix halbes und nix ganzes, wolkig, trist, pisswarm und gewittrig. Nach rund acht Kilometern rumgeflatsche (ohne Rum) wollen wir dem Strand noch tschüss sagen. Schlechte Idee. Auf dem Fußmarsch gen Meer fängt es an kräftig zu donnern, es stürmt und kühlt erheblich runter. Man scheint uns den Abschied leicht machen zu wollen. Mehr als im Hostel Kaffee trinken und dem Regen zusehen ist nicht drin. Wir sitzen – im wahrsten Sinne des Wortes – auf gepackten Koffern. Das Taxi zum Flughafen holt uns morgen früh um 6:15 Uhr ab. Eine weitere kurze Nacht also, der rote Faden der Reise. Mein Heimflugticket konnte ich leider niemandem schmackhaften machen. Und ich mag auch nicht zurück…

Übrigens: Die uns geschenkte Flasche Rum haben wir selbstverständlich nicht getrunken. Okay, wir hatten keinen Saft zum mixen 😉 Die haben wir in der Hostel-Küche für die Allgemeinheit zurückgelassen. In Deutschland wurden Janines Schmerzen im Handgelenk immer schlimmer. Als sie schließlich zum Arzt ging, stellte sich heraus, dass ihr Handgelenk gebrochen ist. Das war ein Schock und hielt sie noch etliche Wochen auf Trab. Mauritius hallt auch nach vielen Monaten noch nach. Fast täglich flitzen Erinnerungsfetzen dieser intensiven Reise durch den Kopf.

Jede Reise hat ein Ende, au revoir Mauitius! Es war intensiv!

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Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 5: Hitze in Port Louis, buntes Marktreiben und heulender Felsen

12. Juli 2022

Woran merkt man, dass Sommer ist? Es bleibt auch warm, wenn die Sonne längst weg ist. Ich liebe diese warmen Nächte, auch wenn sie wenig schlafförderlich sind, da man (ich) ewig draußen sitzt und nicht ins Bett mag und früher aufsteht, weil es draußen einfach zu toll ist, um länger liegen zu bleiben.

2. März 2022 – Heute werden wir die Hauptstadt von Mauritius besuchen. Die ist von unserer Unterkunft in La Gaulette knapp 50 Kilometer entfernt. Das Auto bleibt stehen. Wir werden den öffentlichen Bus nehmen, der direkt vor unserer Tür abfährt.

Ein Tag in Port Louis

Kaffee trinken, Geraffel packen und auf geht’s. Tatsächlich brauchen wir – also der Bus – knapp zwei Stunden. Erst tuckern wir nach Bambou, wo wir umsteigen müssen, um weiter nach Port Louis zu kommen. Als Janine und ich uns dem Zentrum nähern und den Trubel auf den Straßen sehen, ist klar, es war die beste Entscheidung, das Auto stehen zu lassen.

Port Louis erschlägt uns! Die Hitze steht zwischen den riesigen Häusern. Der Asphalt flimmert. Das Atmen mit der Maske im Gesicht wird zur olympischen Disziplin. Wir schieben uns zwischen den Fahrzeugen durch und müssen aufpassen, dass uns nicht ein Roller oder Auto über die Flipflops brettert. Vielleicht würden platte Zehen aber optisch gut zu den völlig zerstochenen Beinen passen. Schönheitspreise sind „untenrum“ derzeit definitiv nicht abzuräumen. Desolater Kadaverzustand!

Unser erster Weg führt uns aus dem Gewusel in den Trubel der Markthalle. Neben Schatten gibt’s hier mächtig was für Auge und Nase! Früchte in Hülle und Fülle, unzählige Gemüsesorten, Salate in allen Farben und Größen. Allein die Gewürzstände sind der Oberknaller! Unterschiedlichste Currysorten, duftende Vanille, würziger Pfeffer. An den Ständen fliegt die Schippe in den Gewürzkorb und man hält uns das geruchsintensive Pulver unter die Nase. Unbeschreiblich! Wir kaufen scharfe Chilis, ein irre duftendes Currypulver, Kreuzkümmel. Und schlucken, nachdem wir den Preis freundlich lächelnd um die Ohren gezimmert bekommen. Sei’s drum, Qualität kostet eben (oder die dummen Touris wurden abgezockt).

Frische Früchte so viel das Herz begehrt
Gewürze in allen Farben und für alle Geschmäcker
Markthalle in Port Louis

Ein Stand mit frischen Früchten führt uns in Versuchung. Das schreit nach Frühstück. Wir stellen uns zwei Schüsseln mit bunt gemischtem Obst zusammen, setzen uns auf eine Steintreppe in der Markthalle und lassen das quirlige Treiben zufrieden kauend auf uns wirken. Weiter geht es in den zweiten Stock, wo Souvenirs und anderer Nippes verkauft wird. Ich liebe solche Märkte. Auch wenn es recht nervig ist, dass an jedem Stand die Verkäufer sofort aufspringen und uns ein Gartenhaus ans Ohr blubbern. Tausendfach hören wir: „Hello, have a look, looking is free.“

Nach dem Markterlebnis schlagen wir uns weiter durch das Straßenchaos zur Le Caudan Waterfront. Vorbei an einem riesigen Einkaufzentrum, Kunsthandwerkständen, Luxusläden, alles sehr edel und gehoben. Die Flaniermeile am Wasser ist schick und stylisch und lädt mit ihren ganzen Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. Hier finden wir endlich Ruhe vor dem Verkehrslärm. Viel los ist trotzdem. Wir gönnen uns einen geeisten Kaffee und starten die letzte Mission, zurück in die Innenstadt, Chinatown. Das hektische Viertel stellt sich als Enttäuschung heraus, wir haben mehr erwartet. Das Highlight ist die Jummah Moschee, ein Bauwerk von 1850. Indische, kreolische und islamische Architektur treffen hier aufeinander und bilden das religiöse Zentrum für Mauritius‘ Mohammedaner. Nach freundlicher Aufforderung treten wir ein und sehen den Männern bei ihren Waschzeremonien und Beten zu.

An der Waterfront wirds bunt
Flanieren im Schutz der Schirme
Das Tor zu China Town, links die Jummah Moschee
Der ruhige Innenhof der Jummah Moschee, ein Platz für die Gläubigen
Streetart in Port Louis

Allgemein betrachtet bleiben Flair und Charisma in Port Louis für mein Empfinden auf der Strecke. Die Stadt ist ein Moloch! Aber es gehört dazu, die Hauptstadt mal gesehen zu haben. Auch wegen der Markthalle hat sich der Besuch schon gelohnt.

Nach einigen Stunden sind wir innerlich und äußerlich weichgekocht und wollen nur noch aus der lärmenden Stadt. Auf unserem Weg zum Bus machen wir erneut einen Abstecher zur Markthalle und stärken uns mit dem traditionellen täglichen Roti.

Yeahr, pünktlich zur Rushhour steigen wir in den Bus. Nur so hat man deutlich länger von der Fahrt. In der Nachmittagshitze schmelzen wir beim Warten auf den Anschlussbus. Alle Busse die ankommen, fahren nicht in unsere Richtung. Keiner weiß, wann der richtige Bus kommt. So überbrücken wir die Zeit mit Singen von kreativ-poetischem Liedgut (aufgrund Hitze und mürber Warterei lyrisch nicht ganz gewaltfrei, dafür sehr befreiend). Irgendwann kommt unser Bus. Die Weiterfahrt ist wie immer ein Erlebnis, das seinesgleichen sucht. Die brechend volle Schüssel ist locker 40 Jahre alt und der Anhalten-Drücker besteht aus einer dünnen Strippe, die an irgendeinen Klingelknopf geklöppelt wurde. Ich lach mich halb ins Koma, als Janine grinsend auf die Konstruktion deutet.

Ausgeklügelte Technik im Public Bus; Strippe zum Halten-Signal

Wassermassen an den Alexandra Falls – Cascade de 500 pieds

3. März 2022 – Falls ich es in den vorigen Berichten noch nicht erwähnte, hier ist Regenzeit. Am Morgen macht uns das Wetter gepflegt einen Strich durch die ursprüngliche Wanderplanung. Zu kritisch bei Regen.

Also pronto nen Plan B geschnitzt und nach spartanischem Frühstück in unserer roten Ranzbüchse ins Hinterland zum Black River Georges Nationalpark. Wenn schon nass, dann gern mit Wasserfall. Als wir am Parkplatz in Savanne ankommen, nieselt es noch leicht. Kommt vor in der Regenzeit. Recht häufig. Und mitunter ziemlich doll! Stört uns nicht, is ja warm. Sollte eh unsere geringste Sorge des Tages sein.

Auf dem Weg zu den Alexandra Falls und Cascade de 500 pieds

Wir folgen dem Trail zu den Alexandra Falls und Cascade de 500 pieds. Mächtig schön hier, trotz Regen! Am Aussichtspunkt, nicht weit weg vom Parkplatz, sieht man nur den kleinen Wasserfall. Um zum Großen zu kommen, geht es durch die Walachei. Erste Herausforderung: Wir müssen einen Bachlauf überqueren, der wegen des Regens schon gut Wasser hat. Nach anfänglichem Rumgepienze ziehen wir die Treter aus und eiern flockig (mehr oder weniger) über die rutschigen Steine. Schuhe wieder an die Mauken und weiter. Die knorrigen Bäume rundum sind toll, die ganze Umgebung geheimnisvoll. Nieselregen und Nebel verleihen dem Wald eine mystische Atmosphäre. Im Tal gegenüber hängt der Dunst in den Bäumen, die Stimmung könnte nicht passender sein.

Erster Blick auf die Wasserfälle
Urige Bäume im verwunschenen Black River Gorges National Park
Der Hinweg ist etwas matschig, zurück wird hiervon kaum mehr was übrig sein
Gelegentlich sind kleine Bäche zu überqueren
Die Schuhe können anbleiben, sogar der Regen hat kurz aufgehört
Auch wenn Nebel die Sicht beschränkt, der Ausblick verzaubert
Faszinierende Vegetation

Weit ist der Trail zum Wasserfall nicht. Wir müssen allerdings weitere Bachläufe überqueren, bald leiern die Schnürsenkel aus, bei all dem an- und ausgeziehe. Der Regen wird stärker, der Pfad matschiger. Über ungleichmäßige Steinstufen kraxeln wir die Schlucht runter, drauf bedacht, nicht in dem braunen Brabbel und den Wurzeln auszurutschen. Inzwischen schüttet es richtig. Die Suppe läuft überall an uns hinab.

Ein Pärchen kommt uns entgegen und erklärt: „Noch ungefähr zehn Minuten, dann müsst ihr einen Fluss überqueren. Das Wasser ist schon recht tief, passt wegen der Strömung auf. Lohnt sich auf alle Fälle! Danach kommt der Wasserfall mit Natur-Infinitypool.“ Nass sind wir eh, also weiter. Als wir besagten Fluss erreichen, werden wir skeptisch. Er ist verdammt hoch, die Steine liegen tief im Wasser. Kein idyllisches Plätschern eines seichten Gebirgsbächleins. Aus dem Himmel kippen die Wassermassen auf uns nieder. Ständig läuft der Regen vom Kopf in die Augen, man sieht kaum noch was. Aber vor dem Wasserfall ins Wasser fallen ist keine Option. Zu viel teure Technik im Rucksack! Vor uns springt souverän eine Deutsche durch den Fluss, die sehr outdoortauglich aussieht. Sie sieht uns hadern und kommt zurück um uns zu helfen. Mit vereinten Kräften schaffen wir es, an den übers Wasser hängenden Ästen über die Steine zur anderen Seite zu balancieren. Es folgt ein weiterer Anstieg, bevor das Gelände steil abfällt. Und dann erreichen wir das Ziel! Hallelujah!

Das Ziel, der Cascade de 500 pieds war alle Matsch- und Regenmühen wert!
Wir fühlen uns so klein in dieser mächtigen Naturkulisse

Eine harmlose Wanderung wird zum Abenteuer

Plötzlich ist ganz schnell Schluss mit lustig! Der Donner, der uns seit einigen Minuten begleitet, wird lauter. Gewitter im Anmarsch. Im Mordstempo! Es blitzt und sofort kracht es unerbittlich über uns. Mir stellen sich alle Haare zu Berge. Mein einziger Gedanke: Vollgas! Der Weg sieht übel aus. Alles ist überschwemmt von brauner Brühe, kleine Flüsse laufen uns entgegen. Der Himmel kracht erneut. Jetzt isser wohl ganz kaputt! Janine und ich tauschen einvernehmliche Blicke, dann rennen wir los. An der ersten Bachüberquerung sind – im Gegensatz zum Hinweg – nun die Steine nicht mehr zu sehen. Ich rufe die Wanderer vor uns und bitte den Typ um Hilfe. Er zieht uns dankenswerterweise zur anderen Seite rüber. Das wär geschafft. Ab zum Auto.

Ein letztes Foto vom Weg, bevor das Unwetter kommt und alles wegschwimmt

Zurück in sicheren Gefilden, befinden wir uns spontan wieder im Schabernackmodus. In tropfenden Wanderhosen und Bikinioberteil legen wir einen Regentanz mit Sing-Session am Parkplatz ein. Soviel Zeit muss sein! Man sollte in seinem Leben EINMAL im Regen getanzt haben. Von oben sind noch immer die Schleusen offen, das hört bestimmt nie wieder auf. Im Auto finde ich mein Strandbadetuch und den Notfall-Bikini. Erst mal die aufgeweichte Schrumpelhaut trockenlegen. Janine sackt in ihrer patschnassen Hose auf den Fahrersitz. Während die Welt um uns weiter ertrinkt, warten wir im Auto.

Die sehr kurze (dafür umso abenteuerlichere) Strecke zum Wasserfall und viele weitere Fotos unserer Tour findet ihr unter dem folgenden Link bei komoot: https://www.komoot.de/tour/689669236?ref=aso

Nach einer halben Stunde lässt der Regen etwas nach, wir fahren los. In engen Serpentinen geht es abwärts, da sollte man im Idealfall was sehen. Das Schicksal nimmt unterdessen seinen dramatischen Lauf. Niemals hätten wir geahnt, mit welcher Tragödie dieser Tag uns konfrontiert.

Vor uns zockelt gemächlich eine Zugmaschine mit großem Anhänger. Aquaplaning auf der Straße. Wir tuckern langsam hinterher. Überholen wäre nicht möglich, wollen wir auch nicht, kein Grund zur Eile. Das Geschoss vor uns fährt schneller. Wir erhöhen den Sicherheitsabstand. Mittlerweile befindet sich das Gefährt in der Straßenmitte, mit erschreckend hohem Tempo. „Was zur Hölle soll Scheiß?“ murmele ich fassungslos, als der Fahrer in Schlangenlinien die enge Straße runterschießt. Ich kapiere die Situation gerade überhaupt nicht. Das Gehirn ist nicht in der Lage zu begreifen, was sich da vor den Augen abspielt. Noch weniger, als der Hänger unkontrolliert zu schleudern beginnt. Der Kopf malt Horrorszenarien aus, die der Verstand rational mit „ach was, das KANN nicht passieren“ abbügelt. Ein Trugschluss…

Das Fahrzeug fährt im Affenzahn geradeaus in die Kurve und kracht samt Hänger mit voller Wucht gegen einen massiven Holz-Strommasten. Gelähmt vor Schock sitzen wir im Auto und sehen machtlos zu. Bis uns in Zeitlupe der vordere Strommasten entgegenkommt. Unglaublich, was binnen Sekundenbruchteilen im Gehirn abläuft und wie viel Informationen abgespult werden. Entsetzt starren wir den Masten an, der halb über der Straße vor uns hängenbleibt. Alles ist völlig surreal und dringt gar nicht zu mir durch. Janine schmeißt mir den Autoschlüssel entgegen, schreit „wähl den Notruf“ und rennt im strömenden Regen zur Unfallstelle. Ich kenne nicht einmal die hiesige Notrufnummer, wird mir klar. Barfuß und nur mit Bikini bekleidet, laufe ich zu dem Auto hinter mir, trommele an die Fahrerscheibe und gestikuliere dem Mann, anzurufen. Er hat bereits das Handy am Ohr und nickt. Ich renne die Straße runter. Registriere die Ölflecken, die regenbogenfarben auf dem Asphalt leuchten, während der Kopf parallel warnt, nicht mit nackten Füßen in die Scherben zu treten, die überall rumliegen. Ich sehe das blanke Entsetzen in Janines Gesicht, die bei dem Fahrer steht, der rücklings auf der Straße liegt. Blut. Verzweiflung. Und dann ein Moment der Hoffnung, als er sein Bein bewegt. Er lebt! Umso verstörender, als ich den Blutstrom registriere, der unter seinem Kopf auf die Straße fließt. Es kommen weitere Männer zur Hilfe. Mein Blick fällt auf das Fahrzeug, dass im Graben in der Kurve liegt, der umgekippte Hänger. Der Fahrer wurde mit der Windschutzscheibe aus dem Auto auf den Asphalt geschleudert. Die ganze Situation ist so krank! Es schüttet noch immer wie aus Eimern, ohne Schuhe an den Füßen und nur im Bikini fange ich an, die zerbrochenen Scherben und schweren Steine von der Straße wegzuräumen, Platz zu schaffen für einen Rettungswagen, sollte einer kommen. Ein Mann läuft auf mich zu, ruft hektisch was auf Französisch und deutet zum Strommast.

Von oben fahren Autos an uns und dem Verunfallten vorbei, der noch immer auf der Straße liegt. Einheimische knien neben ihm, halten einen Regenschirm über ihn. Ich begreife noch immer nicht. Janine kommt, sagt, dass von unten gerade die ganze Straße gesperrt wird und wir nicht mehr wegkämen, wenn wir jetzt nicht fahren. Da die Hauptverkehrsstraße ins Hinterland vollgesperrt ist, ist dies momentan tatsächlich unsere einzige Möglichkeit nach La Gaulette zurückzukommen. Wir wissen nicht was wir tun sollen, ob wir gehen können. Wir können allerdings auch keine Hilfe beitragen. Ich starre wieder auf den Strommast, der bedrohlich vor unserem Auto hängt. So viel Chaos im Kopf. Nass und völlig fertig steigen wir ein. Die Autos, die hinter uns hielten fahren nacheinander vorbei. Von unten kommt bereits Gegenverkehr. Wir fühlen uns beschissen, als auch wir wegfahren. Im Auto erzählt Janine, am ganzen Körper zitternd, dass sie versucht habe, mit dem Mann zu reden, ihn zu beruhigen. Er war nicht ansprechbar. Ich will nicht daran denken, dass er das nicht überleben wird. Wir sind schon eine ganze Weile unterwegs, als uns ein Polizeiauto entgegenkommt. Ob es tatsächlich zu dem Unfall fährt, wissen wir nicht. Von einem Rettungswagen ist weit und breit nichts zu sehen. Unterwegs wurden bereits Steine und Erdklumpen der Hänge auf die kurvige Straße gespült. Der Regen hört nicht auf. Zitternd umfahren wir die Brocken, die Teile der Straße nahezu unpassierbar machen. Die Angst begleitet uns bis zu unserer Unterkunft.

Als wir aussteigen nehme ich Janine in den Arm und drücke sie an mich. Ich bekomme die Bilder nicht aus meinem Kopf. Sehe diesen Menschen auf der Straße liegen, sein Gesicht, all das Blut, sehe meine nackten Füße in den Ölpfützen, den geschockten Blick von Janine… „Wir leben noch“, flüstere ich. „Was eben passiert ist, ist unfassbar schrecklich. Ich schäme mich, das in diesem Zusammenhang zu sagen, aber wir hatten wahnsinniges Glück. Das hätte auch für uns anders ausgehen können, aber wir leben noch.“ Janine nickt, drückt mich zitternd. Eine heiße Dusche, einen starken Kaffee und ein langes Gespräch später, sind wir gefasster. Haben die Situation beredet, immer und immer alles durchgekaut, uns gegenseitig erzählt, was wir gesehen haben, was uns ängstigte. Der Film im Kopf bleibt, läuft im Hintergrund in Endlossschleife. Es bleibt aber auch die Dankbarkeit für unsere Leben. Und das Bewusstsein, wie schnell es von einer auf die andere Sekunde zu Ende sein kann. Der heutige Tag hat einiges in uns verändert, eine große Traurigkeit hinterlassen und wird noch sehr lange nachhallen. Das Leben läuft ungefragt weiter, es gibt keine Stop- oder Pausetaste. Wir leben weiter und machen weiter. Es ändert nichts an dem IST, ob wir lachen, weinen oder verzweifeln. Fröhlich und ausgelassen geht heute nicht, zu viele Gedanken kreisen durchs Hirn. Die Frage, ob der Mann überlebt hat, beantwortet uns niemand…

Noch mehr Wasser – Rochester Fall

4. März – Der gestrige Abend ging mit langen Gesprächen und Rommeezocken bis tief in die Nacht. Um 2 Uhr beschlich Janine plötzlich das dringende – mir unerklärliche – Bedürfnis, sehr ausführlich über den Unterschied zwischen „sure“ und „of course“ zu philosophieren. Möglicherweise hatte der Rum da seine Promille im Spiel. Entsprechend spät kommen wir heute früh in die Pötte. Die Trekkingschuhe sind eh noch nass, Survivalwandern ist daher nicht drin. Ne leichte Tour zu den Rochester Falls hingegen schon.

Lange Sommernächte, lange Gespräche

Unser Auto stinkt, als würde seit Wochen ein toter Iltis drin gammeln. Obwohl wir am Morgen alle Türen zum (vergeblichen) Trocknen aufgerissen hatten. Wir tuckern Richtung Souillac nach Surinam (auf bewässerten Sitzen) und suchen an der Straße das handgeschriebene Schild, das zu den Rochester Falls lotsen soll. Wir werden fündig und folgen der Beschilderung bis in die Zuckerrohrfelder. Riesige Pfützen stehen zwischen den Feldern. Sollte es etwa geregnet haben?!

Regenpfützen in Swimmingpool-Ausmaßen

Wir laufen einen knappen Kilometer und erreichen den Wasserfall. Zwei einheimische Männer stehen mit ihrem Pickup am Ufer. Hochengagiert kommt der eine Local zu uns und zeigt uns eine Strippe, die oberhalb des Wasserfalls über den Fluss gespannt ist. Er bequatscht uns so lange, bis wir ihm ins Wasser folgen. Wir stehen mal wieder knietief mit Sack und Pack auf arschglatten Steinen, während die Strömung an den Beinen zerrt und uns fast aus dem Gleichgewicht bringt. Keine fünf Meter weiter tost der Wasserfall rund zehn Meter in die Tiefe. In der Mitte wird der Fluss noch tiefer, wir wollen nicht weiter. Helferlein mag unser „No“ nicht hören, blubbert mehr als der Wasserfall und streckt fordernd seine stützene Hand aus.

Sein jüngerer Begleiter klettert unterdessen munter in die Krone eines hohen Baumes und stürzt sich mit Harakiri-Salto kopfüber den Wasserfall runter. Wir stehen sprachlos im Wasser, als sein Körper an uns in die Tiefe vorbeifliegt. Diese Akrobatik macht er in Endlosschleife; Felsen raufklettern, äffchenähnlich den Baum hinauf und Bruchpilot in den Tümpel. Macht er offensichtlich nicht zum ersten Mal. Und wir Weicheier fiepen oben im Fluss rum. Aber nach der Aktion gestern reicht es uns einfach. Gucken ist genug Abenteuer heute. Unser Animateur hat irgendwann auch kapiert, dass unser „no“ doch nicht „heijo, na klar“ heißt, und entlässt uns unverständlich zurück ans Ufer.

Bereit zum Absprung aus der Baumkrone
Rochester Falls, viele kommen zum baden hierher

Die Rochester Falls sind ein beliebtes Touri-Ziel. Von allen Seiten kommen weitere Leute. Allmählich wird’s voll. Die beiden Wasserfallbeauftragten haben alle Hände voll zu tun, jetzt wo wir nicht mehr im Fokus sind (wobei Le Monsieur noch einige Male probiert, uns ins Wasser zu quatschen) und kredenzen den Besuchern Trinkkokosnüsse, Obstteller und stürzen weiter vom Baum. Wir lümmeln noch kurz am Ufer rum, lassen uns von Moskitos zerstechen und ziehen von Dannen.

Fazit: Ganz nett wenn man in der Ecke ist, uns hat der Rochester Fall aber nicht so gepackt. Mauritius hat wesentlich lohnendere Ziele!

La roche qui pleure – der Jammerfelsen

Nächster Programmpunkt! Wir fahren weiter nach Le Gris-Gris, zum „la roche qui pleure.“ Der heulende Felsen. Oder wie ich ihn nenne, der Mimimi-Gesteins-Pienzer. Pienzt aber gar nicht, als wir kommen. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass hier grad Regenzeit ist? Jahaaa, unglaublich! Als wir unsere stinkende Zauberschüssel am Parkplatz abstellen, regnet es wundersamer Weise aber nicht. Dafür hat’s viel Wind. Ne steife aber warme Brise im Haar und sensationelle Weitblicke belohnen unseren Fußmarsch oberhalb der Küste zum Heul-Brocken. Wir lauschen gespannt und hören – nichts! Nur lautes Wellentosen. Der Felsen schweigt. Weder Geheule noch Gejammer. Dafür nieselt es endlich. Wir laufen weiter, es regnet leicht. Im Schutz der Bäume latschen wir im Wald weiter. Die Tropfen werden dicker. Das kennen wir schon! Gleich kommt wieder die Badewanne von oben. Ein Blick gen Himmel bestätigt: „Flieht, ihr Narren!“ Wir rennen und zeitgleich zieht der Chef oben den Stöpsel seiner Welt-Badewanne. Wir kommen halbdurchweicht unter dem Vordach eines Klosters an und richten uns erstmal häuslich ein. Wenns mal wieder länger dauert…

Ocean-Vibes in Le Gris-Gris
La roche qui pleure, der weinende Felsen
Tagtäglich aufs Neue beeindruckt
Die Küste lädt zum Wandern ein

Während wir antrocknen und sich das Meer von oben statt von unten über Mauritius ergießt, ergötzen sich hungrige Moskitos an unserem Body-Buffet. Ich klatsche jede platt, die ich kriege. Mit Blutstropfen an den Fingern – Mahnmal meines erfolgreichen Kreuzzuges – linse ich scheinheilig in die Gebetshalle hinter mir und auf das Abbild einer Nonne in Öl. Also Ölfarbe, nicht Olivenöl. Unbeeindruckt verübe ich weiter Vendetta an den Drecksviechern. Scheiß aufs Karma! Die Halle füllt sich mit religiösen Pilgern, auf französisch wird eine Messe verlesen. Die lustige Ironie mal wieder. Das Heidekind hätt keinen geeigneteren Trockenplatz finden können. Übrigens bedeutet Regenzeit, der Regen hat Zeit! Nämlich 20 Minuten und 546 Seiten im Gebetsbuch lang.

Regenzeit oder wenn das Meer von oben kommt…

Als die Sonne endlich rauskommt, beginnt rundum alles zu dampfen! Könnt mal eben jemand das Honig-Salz-Peeling zum Saunaaufguss reichen? Wir eilen zurück zum Auto, bevor der nächste Regen kommt. Die Kiste stinkt leider noch immer… kann nicht trocknen, bei 100% Luftfeuchtigkeit.

Es gibt sie noch, die Sonne!
Die nasse Stinkeschüssel
Weiterfahrt nach Bel Ombre

Wir machen zum Abschluss einen Abstecher zum Strand von Bel Ombre und verdüdeln dort den späten Nachmittag bevor wir zurück nach La Gaulette düsen, um den Tag ausklingen zu lassen.

Kleine Joggingrunde am Strand von Bel Ombre
Tagesausklang auf unserem Balkon

Das Leben macht niemals Pause und kann auch im Paradies mit voller Härte zuschlagen, was uns auf schreckliche Weise wieder ins Gedächtnis getrümmert wurde. Wundervolle Bilder im Kopf mussten Bildern des Schreckens und dem Gefühl der Hilflosigkeit Platz machen. Dennoch geht es weiter. Immer… Noch mehr Wanderungen, noch mehr atemberaubende Natur und neue Abenteuer hält Mauritius für uns parat. Mehr davon erzähle ich euch schon bald im nächsten Bericht.

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Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 4: Pure Glückseligkeit, Wasserfälle und Siebenfarbene Erde

18. Juni 2022

Ab sofort wird im Doppelpack weitergereist. Quasi geballtes Entertainment. Wer den Anschluss verpasst hat, kann die erste Mauritius-Woche hier unter Teil 1, den Teil 2 hier und Teil 3 hier nochmals nachlesen.

28. Februar 2022 – Yippieh, Gesellschaft! Meine äußerst geschätzte, überaus kompatible und langjährig bewährte Reisegefährtin, the one and only Janine, ist im Landeanflug und wird in Kürze bei mir im Hostel in Mahébourg ankommen. Das nenn ich wahre Freundschaft, wenn Herzensmenschen um die halbe Welt fliegen, um mit dir zu reisen! Okay, das Domizil ist ebenfalls ziemlich bestechend.

Ab heute sind wir auch mobil und somit flexibler unterwegs. Die helfend bemühten Männers vom Hostel haben uns nämlich einen Mietwagen organisiert. Über die Locals hier wesentlich günstiger, als von Deutschland aus. Pünktlich um 10 Uhr kommt der Autoverleih-Jüngling mit der kleinen roten Schüssel angedüst und macht die Einführung und Übergabe. Welch erheiterndes Unterfangen. Wir hocken im Auto und beömmeln uns wegen diverser Ulkigkeiten (er erzählt von seiner Freundin in Bayern), als ein Taxi vorfährt und Janine ausliefert. Nach ausgiebigem Freudentaumel und Begrüßungsrausch beenden wir noch schnell die Mietwagenübergabe (inklusive Handynummer des fluffigen Auto-Dealers) und ernennen Janine offiziell als Fahrerin. Im Hostel ausgecheckt, unser Gepäck ins Auto geschmissen und ab nach La Gaulette. Dort haben wir eine vorzeigbare Ferienwohnung gebucht, in der wir ab heute für die kommenden zwei Wochen residieren werden.

Straßenverkehrsordnung à la Mauritius

Mauritius ist gerade mal ca. 61 Kilometer lang und 46 Kilometer breit. Klingt nach sehr kurzen Distanzen, die man schnell zurücklegt. Ganz so einfach isses allerdings nicht. Selbst für wenige Kilometer braucht man Zeit. Viele Straßen sind schmal, ins Hinterland hinein sehr serpentinenreich und steil und die Fahrten sind oftmals eine Herausforderung. Sei es, weil es schüttet wie aus Eimern und man kaum noch was sieht, Hänge sich auflösen und auf die Straßen rutschen, die Fahrzeuge nicht unbedingt im allergeilsten Zustand sind (eher Gefahr als Gefährt), Hunde gemütlich über die Fahrbahn trotteln oder irgendwo mal wieder irgendwer willkürlich mitten im Weg stehenbleibt. Auch zum Plaudern oder um einen Snack einzukaufen, bleibt man gerne mal auf der Straße mit der Kiste stehen. Dafür wird oft und viel gehupt; um Verkehrsteilnehmer zu warnen, um Unmut kundzutun, um Passanten, die mangels Bürgersteigen am Straßenrand rumlatschen auf sich aufmerksam zu machen oder weil Hupen zum guten Ton gehört.

Auf dem Weg nach La Gaulette entlang der Küste, im Hintergrund der Berg Le Morne

Wir müssen zuerst das Spaßmobil betanken. Also im Linksverkehr zur nächsten Tanke und die Schüssel füllen lassen. Macht man hier nämlich nicht selbst. Von Mahébourg zu unserem Domizil, dem „Pingo Studio“, nach La Gaulette sind es rund 65 Kilometer. Wir brauchen dafür tatsächlich fast eineinhalb Stunden, was nicht an der souveränen Fahrweise von Navigator-Janine liegt (ich unterstütze selbstredend tatkräftig, indem ich nervende Piepgeräusche von mir gebe, sobald sie zu nah zur linken Straßenseite driftet). Die Hauptverbindungsstraße von der linken zur rechten Inselseite ist gesperrt, daher dürfen wir über die Küstenstraße einmal komplett „untenrum“ gurken. Landschaftlich hübsch, aber im ungewohnten Linksverkehr, nicht vorhandener Servolenkung und diverser widriger Umstände ein mühsames Unterfangen.

Wohntraum in La Gaulette

Ben, der Eigentümer des Apartements, begrüßt uns freundlich vor der Tür. Die Begehung bestätigt sofort, die Fotos haben nicht gelogen. Das Pingo-Studio ist ein überaus sauberes, heimeliges Schmuckstück. Wir haben eine Küche mit Gasherd, großem Kühlschrank, Klimaanlage, ein sehr geräumiges Bad und eine schöne Terrasse mit Meerblick und vielen Palmen. Wir fühlen uns sofort pudelwohl. Das Auto parkt in der eigenen Einfahrt des Grundstücks, das ganze Haus ist mit Rolltor und Mauer von der Straße rundum sicher abgeschirmt. Auf dem Grundstück stehen riesige Palmen, drei weitere Wohnungen gehören zu dem Haus. Vorerst sind wir aber alleine. Voll die Bachelor-Villa, nur ohne Bachelor und ohne Zickenkrieg. Herrlich!

Unsere Unterkunft in La Gaulette, Pingo Studio
Der Blick von unserem Balkon ist unbezahlbar
Und drumrum ist auch viel Platz
Auf gesunder Einkaufstour in La Gaulette

Wir packen aus und stellen erst mal die kulinarische und getränketechnische Versorgung der kommenden Tage sicher, indem wir den nahegelegenen Supermarkt plündern und lecki Wassermelone am Straßenobststand kaufen. Wie schnell doch ein so großer Kühlschrank voll ist, wenn man allerlei Sorten Säfte, Wasser und Rum reinpackt. Lokalen selbstverständlich. Wegen der Nachhaltigkeit und man sollte als guter Tourist ja auch die traditionellen Wirtschaftszweige und alteingesessenen Industrien fördern. Wo wir grad bei Tradition sind; die wird mit dem obligatorischen Mittags-Roti aufrecht erhalten.

Salz auf der Haut und Sand zwischen den Zehen

Strandfein gemacht, Geraffel gepackt und mit dem roten Spaßmobil zum benachbarten Strand Le Morne gedüst. Es ist schon früher Nachmittag und Janine hat einen langen Flug in den Knochen. Heut wird nur noch gechillt, Sandkörner zwischen den Zehen zerrieben, im Meer geplantscht und mit offenem Mund auf den wahnsinns Trümmer von Berg (den Le Morne, mein neues Projekt) geglotzt. Ist das schön hier! Die Sonne brutzelt, das Meer glitzert, das Wasser ist badewannenwarm und kristallklar und wir vergnügen uns auf höchstem Euphorielevel darin rum. Janine fasst den Zustand höchst treffend mit zwei Wörtern zusammen: PURE GLÜCKSELIGKEIT! Das ist es in der Tat und wird zum Reisemotto!

Schwer beeindruckt stehe ich vom Le Morne Brabant. Da will ich rauf!
Endlos langer Sandstrand bei Le Morne

Wandernd auf Entdeckungstour

1. März 2022 – Nachdem wir am Abend äußerst selbstlos und ergiebig die lokale Rumindustrie unterstützten und ich ein kleines Bob Marley-Gedächtnis-OpenAir auf unserem Balkon vor undankbarem, weil nicht vorhandenem Publikum gegeben habe, kommt der Schlaf erneut zu kurz. Um sieben Uhr kräht der innere Hahn und sucht den frühen Wurm, oder wie auch immer. Den ertränk ich gleich mal im Kaffee.

Morgenkaffee zwischen Palmen

Bei subtropischer Hitze, enormer Luftfeuchtigkeit und strahlendem Sonnenschein traben wir in La Gaulette los. Zunächst geht es durch die Straßen, dann biegt ein langer, steiler Weg ab. Anstieg durch die opulente Vegetation. Grün soweit das Auge reicht. Während wir uns den feuchten Wald raufwurschdeln, aus allen Poren flutend, zerstören uns die Moskitos komplett. Ignorieren völlig das Repellent, das über Sonnenmilch und unter Schweiß den Körper stinkend verbabbt hat. Was stimmt mit den Drecksviechern nicht?! In sowas will doch keiner seinen Rüssel reintunken! Unsere Beine sehen aus, als hätten sie hochgradige Beulenpest. Dafür entschädigt wieder einmal der grandiose Weitblick über den leuchtend blauen Ozean. Aufstiegsmühen zahlen sich immer aus.

Auf Wanderschaft die Schönheiten der Insel erkunden
Je höher wir kommen, desto herrlicher wird der Blick
Wolken hängen in der Krone des Le Morne

Jetzt wird’s bunt – Naturspektakel Siebenfarbige Erde

Munter lassen wir uns nichtsahnend von komoot weiterlotsen und kommen ganz überraschend zu DER Attraktion von Chamarel: Der siebenfarbigen Erde (hier Terres de Sept Coleurs genannt). Die stand auch auf der To-Do-Liste, dass wir den Punkt heute abhaken würden, hatten wir nicht auf dem Schirm. Am Kassenhäußchen zahlen wir den Eintritt, der gleichzeitig auch für den bekannten Wasserfall von Chamarel gilt, der hier auch in der Nähe ist. Ein Ticket bekommen wir nicht, weil hier bloß die Eintrittskontrolle sei und die Tickets einige Kilometer entfernt – wo auch immer – gekauft werden müssten. Blöd, ohne Auto. Aus reiner Guthaftigkeit kommt man uns entgegen, indem man uns hier unbürokratisch abkassiert und Zutritt gewährt. Die etwas mürrische Dame verspricht, die Einlass-Stelle am Wasserfall anzufunken, damit man uns dort ohne Ticket reinlässt. Na dann, wenn’s so läuft… mangels besserer Alternative lassen wir uns auf den Deal ein.

Siebenfarbige Erde
Faszinierendes Farbenspiel

Wir betreten das Areal und staunen nicht schlecht. Hinter einer Umzäunung liegen bunte aufgeschüttete Sandhügel, so der laienhafte Animateur (ich). Das klügere Wikipedia erklärt, dass die Hügellandschaft – wie ganz Mauritius – vulkanischen Ursprung hat und die Farben durch die Umwandlung von Basaltlava in Tonminerale kommen. Die tropische Verwitterung hat die wasserlöslichen Bestandteile weggespült und das übriggebliebene Lavagestein in einer beeindruckenden Farbpalette von rötlich-braun, schwarz, violettblau bis blaugrün erschaffen. Sieht wirklich toll aus. Ein kleines Schildkrötengehege mit Riesenschildkröten gibt es auch noch, ist aber unspektakulär. Wir ziehen weiter zum nächsten Highlight unserer Surprise-Wandertour.

In Chamarel rauscht ein Wasserfall

Nach zwei, drei weiteren Kilometern erreichen wir das nächste Naturschauspiel von Chamarel: Den großen Wasserfall. Das mit dem Einlass war auch gar kein Thema, es gab nämlich keine Kontrolle. Knappe 100 Meter stürzen die Wassermassen von einem riesigen Felsplateau mit unbändiger Wucht in die Tiefe! Sattgrüne Bäume umrahmen das grandiose Bild. Nah ran kommen wir nicht, können den Wasserfall aber von zwei guten Aussichtsplattformen gegenüberliegend bewundern. Kleiner Spoiler: Das wird nicht unser letzter Wasserfall bleiben, davon hat’s auf Mauritius nämlich unzählige!

Chamarel Wasserfall

Auf dem weiteren Weg durch den Geopark passieren wir zu eine Kaffeeplantage. Ach das wär was, wenn ich die Beißerchen in die grünen Bohnen tackern tät und mein Kadaver in der Lage wäre, diese postwendend in das duftende Lieblingsgebräu umzuwandeln! Kann er bedauerlicherweise nicht, Kaffee muss warten. Vor uns liegen noch rund 10 Kilometer. Kommt aber mal wieder anders als geplant. Hab ich schon erwähnt, dass Pläne völlig überbewertet werden?

Weiter durch das Bergdörfchen treffen wir auf einen Roti-Stand. Die Chance wird genutzt, wir lassen uns die pikanten Teigfladen für später einpacken. Sehr viel weiter kommen wir allerdings gar nicht, da die Hauptstraße zwischen Chamarel und La Gaulette wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Wussten wir. Als Wanderer kein Problem. Dachten wir. Nachdem wir den kuschlig glühenden Asphalt ein gutes Stück bergab geflatscht sind (die Straßensperrung ignorierend), informiert uns ein umkehrender Autofahrer, dass auch Fußgänger nicht durchkommen. Wir tauschen ungläubige Blicke. Wir sollen jetzt ALLES zurück? Ähh danke, nö! Ein weiteres Auto hält neben uns an. Das einheimische Paar guckt fragend. Wir weisen auf die Vollsperrung hin und schildern unsere missliche Lage. Die beiden sind auf dem Weg nach Port Louis und müssen dafür durch La Gaulette durch. Wir könnten mitfahren, kein Problem. Überschwänglich dankend steigen wir ein und werden nach rund 30 minütiger Fahrt an unserem Auto ausgeladen. Unsere Wanderung endet nach gut 13 Kilometern somit zwar deutlich früher als erwartet aber zum Glück nicht so umwegweit wie kurz befürchtet. Was haben wir aber auch ein Dusel!

Jackfrüchte wachsen an Bäumen am Wegesrand

Wer sich für den genauen Wegeverlauf, weitere Fotos und die Koordinaten der Tour interessiert, findet sie unter den gemachten Touren bei komoot: https://www.komoot.de/tour/798597145?ref=aso

Meeresrauschen zum Tagesausklang

Es ist noch bissi Tag übrig und wie könnte man den nach Wanderfreuden besser nutzen als mit Füße im Sand? Ab ans Meer! Diesmal zum Strand unterhalb von Tamarin. Auf Mauritius ist heute Feiertag, entsprechend viel ist los. Mit unseren Wanderhosen und Trailschuhen entsprechen wir nicht dem klassischen Strandbild der Badenixen.

Am Strand bei Tamarin; es kündigt sich schon wieder Regen an

Wir werden darauf von einem Einheimischen angesprochen, der Guide für Wandertouren auf der Insel ist. Er erwähnt, dass er auch schon in Deutschland war. Ja ja, natürlich. Das erzählen sie ja alle. Immer. Die klassische Story über die Freundin in Deutschland. Tatsächlich zieht auch er die Deutschland-Ex-Freundinnen-Karte. Logo. Als er jedoch den Wohnort der Verflossenen nennt, wird die Geschichte spontan überzeugend: Saarbrücken! Der arme Tropf war von ganz Deutschland ausgerechnet im Saarland! By the way; ich als Saarlandflüchtling darf das sagen. Muss ihn prompt fragen, ob er Saarländisch kann. Kann er nicht, gibt er lachend zu. Dafür zeigt er Beweisfotos der Bierflasche einer heimischen Brauerei in einer St. Ingberter Kneipe. Der legendäre Saarland-Magnetismus, man entkommt ihm nicht einmal auf Mauritius 😉

Ich löchere ihn noch mit ein paar Fragen zu unseren anderen geplanten Touren, woraufhin er uns anbietet, uns morgen einer Tour zu den Tamarind Falls anschließen zu können. Man kann gerade nur tagesaktuell planen, die Regenzeit macht alles etwas knifflig. So tauschen wir Kontaktdaten aus, um uns am Morgen spontan kurzzuschließen, bevor er sich von uns verabschiedet. Auch wir machen uns auf den Weg zurück zum Auto, die nächste Regenfront steht schon am Himmel in den Startlöchern. Das wirklich Verlässliche hier ist der Regen. Und die Moskitos! Okay, der Rum auch.

Tagesausklang mit erfrischender Rum-Mixtur Marke Eigenbau

Was am nächsten Tag auf dem Programm steht, welch faszinierenden Naturwunder Mauritius noch so auf Lager hat und von einem tragischen Erlebnis, auf das wir lieber verzichtet hätten, erzähle ich euch bald schon im nächsten Teil.

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Mauritius – Naturparadies für Aktive

Teil 3: Rettungs-Ranger für Notfälle und die Löwen-Besteigung

22. Mai 2022

Ohhhh prächtiges, wanderbares Mauritius! Du hast mein Herz im Gipfelsturm erobert!

26. Februar 2022 – Heut ist Wandertag! Latschen bis die Socken glühen, bei der subtropischen Hitze schon sitzend im Bus der Fall. Seit 5 Tagen treibe ich auf der Insel mein Unwesen. Nach beschwerlichem Anreise-Entertainment (hier der Bericht zum Nachlesen) waren die ersten Tage zwar weniger actionreich, dennoch sehr unterhaltsam (und noch mehr Lesefutter da).

Die güldene Morgenstund kredenzt kuschlige 28 Grad zum Kaffee. Betriebstemperatur, der Kadaver frohlockt. Bin gutgelaunt, hochmotiviert und voller Tatendrang!

Kaffee mit Meerblick und Sonne – so sollte jeder Tag starten

Ich konnte ein paar Stunden Schlaf ergattern und hatte tatsächlich eine Nacht, die den Namen verdient! Scheinbar hatten selbst die Moskitos keinen freien Platz mehr an meinem Körper-Buffet gefunden. Rasch das Notwendige zusammengepackt, Abstecher zum Markt um die Mittagspausen-Verpflegung sicherzustellen (Roti, what else) und direktomundo zum Busbahnhof.

Unterwegs im Valleé de Ferney – Open Ferney Trail

Der Bus schmeißt mich nach knapp 20 Minuten Fahrt am Eingang des Vallée de Ferney raus. Das private Landschaftsschutzgebiet ist über 3.100 Hektar groß und liegt, mit Blick auf die Bucht von Mahébourg, am Fuße des Löwenbergs, dem Montagne du Lion. Die letzten endemischen Wälder der Insel sind dort beheimatet. Soviel zum botanischen Teil.

Mit dem Bus zum Vallée de Ferney, im Hintergrund der Montagne du Lion
Eingang ins Wanderparadies

Eine Palmenallee umrahmt die Straße zum Bürogebäude mit der Rezeption. Bei einer freundlichen Mitarbeiterin zahle ich die Eintrittsgebühr (gut investierte 8,- Euro) und verkünde strahlend meine Mission „Hiking!“ Ich erkundige mich nach den möglichen Trails. Auf die Frage, ob ich den 20 Kilometer langen Open Ferney Trail laufen wolle und ob ich alleine unterwegs sei, nicke ich eifrig. Die nette Madame führt mich zur Schautafel vor der Tür und erläutert: Blaue Markierung 5 Kilometer Trail, gelbe 13 und rote 20 Kilometer. Hirn ausschalten und einfach den farbigen Holzpflöcken nachlaufen, super beschildert. So so. Aber wenn ich doch „lost“ gehe, frage ich skeptisch? Dann könne ich einfach bei ihr im Büro anrufen und ein Ranger eile zur Rettung. Mit dem Plan lässt sich’s arbeiten. Auch wenn mich die angegebenen 970 Höhenmeter bei den Temperaturen etwas zucken lassen.

Hier starten geniale Trails
Erst registrieren und Eintritt zahlen, dann auf ins Wandervergnügen
Die Trails sind idiotensicher markiert

Alla gut, nochmal alle aufs Klo, dann reiten wir los. Ich starte alles an Technik was ich besitze (Garmin und komoot) und stiefele entschlossen los. Im Kopf verteile ich parallel die Kilometer auf die Zeit und plane vorfreudig mein Futter-Roti dazwischen ein. Die Kulinarik soll auch in der Flora und Fauna nicht zu kurz kommen.

Einlaufen auf dem Open Ferney Trail
Gelber, blauer, roter Weg, ich folge der roten Markierung in Richtung graue Wolken…
während der Himmel hinter mir sonnig und blau ist
Grün in allen Varianten, so weit das Auge blickt

Ich kann wirklich nicht gebührend in Worte fassen, was sich meinen Augen, Ohren und der Nase auf den 20 Kilometern bietet! Immer wieder gibt es unterwegs Viewpoints, auf die man steigen kann. Gerne würde ich die Gerüche so erklären, dass ihr riecht was ich schreib. Von blumig-süßlich über kräuterig-würzig, erdig-muffelnd, es ist alles dabei. Untermalt wird dies von einer Geräuschkulisse, die sich ebenso kaum schildern lässt: Extrem lautes Zikadengezirpe, dann ad hoc Stille als lege der Tinnitus Pause ein. Durch den Dschungelurwaldvogelsound dringt irgendwann ein großes Geräusch aus dem Wald. Ja, es gibt „große“ Geräusche. Kleines Geräusch isses, wenn ein Vogel durch die Blätter flattert. Das hier klingt, als würde ein unsichtbares Mammut Limbo unter Baumstämmen tanzen. Gespannt spähe ich in die Wallachei, kann aber nichts herausfinden. Wenig später schrecke ich einen riesigen Rehbock (oder was auch immer das ist) auf, der sofort flüchtet. Vielleicht war er der Verursacher.

Zu Beginn führt der Trail an beschaulichen Hütten vorbei
Hier entlang führt nur die große Runde – Open Ferney Trail
Nach unzähligen tristen Winterwanderungen gibt’s endlich knallende Farben auf die Augen
Es raschelt im Gebüsch. Was könnte das sein?

Das Wetter ist maximal flexibel: Sengende Hitze, Wolken mit Wind, warme Regenschauer, dann wieder Sonne, ständig abwechselnd. Der Trail führt über sandbraune breite Pfade, kleine Bäche, durch tiefen Mappel und Pfützen, über Steine, durch Palmenhaine und Wiesen. Vielseitiger geht kaum! Damit’s nicht langweilig wird, kommen immer wieder knackige und schweißtreibende Anstiege. Irgendwo müssen die Höhenmeter ja herkommen.

Durch hüfthohes Gras stapfe ich die Wiese hinauf. Ich fühle mich wie ein Ackergaul, weil die Drecksfliegen ununterbrochen versuchen, mir in die Augen und Ohren zu fliegen, während die Sonne unermüdlich auf mich bruzelt. Ich bin eine wandelnde Getränkebar mit Flatratesaufen für Mücken. Boah ist das nervig. Wie soll man sich denn so auf die herrliche Gegend konzentrieren?! Schutzsuchend rudere ich mit verzweifelten Taiji-Bewegungen vorm Gesicht herum. Selbst für die Sonnenbrille isses zu heiß. Alles muss raus ausm Gesicht!

Aussichtspunkte mit viel Ausgugg in atemberaubende Landschaft

Und dann – nach einem eeeewigen Anstieg – der Lohn der Plackerei: MEER!!! Oberste Eskalationsstufe auf der Richterskala der ungefilterten Freude! Wer würde auch Meer erwarten, auf einer Insel…

Meer finden und ausflippen vor Freude
Pures Wanderglück, was will Frau Me(e)hr?!

Super Zeitmanagement, trotz ausgiebigen Fotosessions komme ich passabel voran. Um 16:30 Uhr muss ich nämlich zurück sein, der Park schließt um 17 Uhr. So ein Mist, warum habe ich nicht den Ranger vorbesichtigt?! Vielleicht hätte es sich ja gelohnt, sich doch mal kurz zu verirren und vom braungebrannten, ansehnlichen Mauritiushelden in Nationalparkwanderuniform (sabber) retten zu lassen. Ärgerlich, meine Fahrlässigkeit. Allerdings müsste Retter-Ranger auf Dummheit stehen, um bei ihm zu landen. Wer sich bei diesen idiotensicheren Markierungen verläuft, ist wahrlich die personifizierte Lebensunfähigkeit! Der Ranger ist bestimmt alt, fürchterlich usselich und hat nen Bierbauch, rede ich mir meine Inaugenscheinnehm-Schludrigkeit schön, während ich mir zufrieden nach 16 Kilometern das verdiente und überaus schmackhafte Roti einverleibe.

Weltbeste Wanderverpflegung, lecker scharfes Roti

Am Ende brauche ich für den Trail keine 5 Stunden, obwohl ich teils ziemlich langsam bin, weil es entweder sau steil oder sehr rutschig ist. Oder das Gras zu hoch (muss mich grad selbst auslachen, bei all dem mimimi). Und ich muss dauernd stehen bleiben, um ganz irre viel das grandiose Panorama in mich aufzusaugen! Das Leben beginnt dort, wo die Zeit egal ist.

Man kann sich nicht sattsehen
20 grandiose Kilometer, die kaum abwechslungsreicher sein könnten

Die Höhenmeter fallen mit knapp 600 (sagt zumindest Garmin) deutlich geringer aus als erwartet. Technisch schwer (wie angepriesen) ist der Trail definitiv nicht, konditionell anspruchsvoll und nicht ganz unanstregend hingegen schon. Und sehr, sehr abwechslungsreich. Die Temperaturen und die enorm hohe Luftfeuchtigkeit sind nicht zu unterschätzen. Es gibt unterwegs keine Versorgungsmöglichkeiten, weswegen man ausreichend Flüssigkeit (und Roti) mitnehmen muss.

Die letzten Kilometer laufen alle 3 Trails wieder zusammen

Verstochen, verschlammt, Sonnenmilch-Moskitospray-schweißverbabbt und die Strümpfe voller Kletten, stehe ich randvoll mit Endorphinen an der Rezeption. „Finished? You did the 20 Kilometer?“ strahlt mich die Park-Frau von heute Morgen an. Yes, I did it sowas von! Könnt ich grad vielleicht mal eben nen Blick auf den Ranger, ääähhh, lassen wir das.

Zurück am Verwaltungsgebäude
Vermatscht und voller Kletten

Ich streife noch kurz durch den Botanischen Garten nebenan und schlendere zur Haltestelle an der Hauptstraße. Der Bus kommt wohl alle 15-20 Minuten. Ich bin kaum da, kommt er schon angetuckert. Kurzes lässiges Winken (bin mittlerweile Profi-Busmitfahrerin) und er sammelt mich ein. Keine viertel Stunde später hock ich, glücklich ausgetobt, mit einem erfrischenden Ananas-Kokos-Getränk in Mahébourg. Wenn’s läuft, läufts.

Kurzer Abstecher durch den Botanischen Garten
Bushaltestelle unter Palmen, da wartet man doch gerne

Die genaue Strecke mit vielen weiteren Fotos habe ich bei komoot getrackt. Wer es sich ansehen möchte findet hier die weitere Infos: https://www.komoot.de/tour/683839710?ref=aso

Sänk yuh for träwweling wiss public bus und Frühstück, die wichtigste Mahlhzeit des Tages

27. Februar 2022 – Letzte Nacht hat es ewig gedonnert und kräftig geschüttet. Uuuhhh, ich liebe Sommernachtgewitter!

Für heute steht der Montagne du Lion auf dem Plan. Seinen Namen hat der Berg, weil er aussieht wie ein liegender Löwe mit felsigem Kopf. Er gehört zum Grand Port Range Gebirge und liegt im Südosten, nicht weit weg von Mahébourg. Der Berg ist gerade mal 480 Meter hoch. Dennoch lautete die Empfehlung meines Hostel-Mann-für-alle-Fälle, um 6 Uhr zur Bergtour aufzubrechen. Kann mich so früh leider wegen massiver Bettanziehungskraft nicht aufraffen. Die Logik erschließt sich mir auch nicht ganz: Die gestrige Tour war fast viermal so weit mit mehr Höhenmetern. Vielleicht nicht ganz vergleichbar mit der Besteigung des Montagne du Lion, aber die Sonne hatte nicht minder geknallt. Alles eine Frage des Willens! Und ich will länger liegen. Dafür nehm ich schweißtreibendes UV-Gegrille in Kauf.

Die Empfehlung lautete streng genommen, den Lion nicht zu besteigen, weil es aktuell sehr matschig und absolut kein Vergnügen sei. Und wegen dem ganzen Matschgedöhns herrsche dort auch Moskito-Kriegsgebiet. Tatsächlich hat mich die Warnung grübeln lassen. Also Plan B, wieder eher „normal“ wandern. Ach, ich und Pläne… das will irgendwie nicht so recht passen. Der Löwe spukte mir schon daheim im Kopf rum und jetzt lechzen die Finger nach Felskontakt. Draufgeschissen! Ich fahr da mal hin und guck mir die Sache vor Ort an. Loslaufen, Eindruck verschaffen, notfalls kann man immer noch umdrehen. Es gibt nix zu verlieren.

Weil in der Ruhe bekanntlichermaßen die Kraft liegt, schiebe ich mir gemütlich Baguette mit Butter zwischen die Kiemen und kippe zwei anständige Pötte Kaffee hinterher. Minimalistisch Geraffel zusammenpacken und ab zum Bus. Bei Betreten des Busbahnhofs verabschieden sich wie durch Zauberhand Geduld und Ruhe. Ich will sofort los. Läuft aber nicht nach persönlicher Willkür. Nach einer gefühlten Unendlichkeit zockelt der Bus in Seelenruhe und Schrittgeschwindigkeit durch ganz Mahébourg. Der Fahrer braucht Frühstück. Er parkt mitten auf der Straße an einer Kreuzung, damit sein Kompagnon ihm am Straßenkiosk die kulinarische Bestellung organisiert.

Bloß keine Eile. Man kann auch an einer menschenleeren Haltestelle minutenlang parken und auf weitere vielleicht eintreffende Opfer, äh Fahrgäste warten. Niemand mag mit. Der Fahrer hat zwischenzeitlich fertig gespeist, die Kohlenhydrate sind in Energie umgewandelt. Hupe angeschmissen und ab dafür! Endlich. Jetzt schön das Pedal durchtreten, der Löwe ruft, ich muss da noch im Hellen hin.

Der Löwe brüllt – Besteigung des Montagne du Lion

Freundlicherweise werde ich auch heute wieder punktgenau rausgelassen, an der Polizeistation in Vieux Grand Port. Dem offiziellen Start der Tour. Der guten Ordnung halber trete ich in der Dienststelle an und gebe gesetzestreu Rapport über mein Vorhaben. Schadet nie, die Polizei zu involvieren. Spart später wertvolle Zeit beim Suchen, falls ich verschütt gehe. Ich lerne schließlich aus meinen Fehlern und nochmals passiert mir ein Fauxpas wie die verpasste Ranger-Rettung nicht! Die höfliche Polizistin freut sich für mich, intensiv interessiert ist sie allerdings nicht. Es wird zumindest nichts protokolliert. Sie zeigt hinter sich aus dem Fenster und erklärt, dort sei mein Weg.

Die Polizeistation in Vieux Grand Port, offizieller Start der Löwenbesteigung
Mitten durchs Leben der Einheimischen
Vorbei an ausrangierten Fahrzeugen
Der rote Pfeil weist den Weg durch die Zuckerrohrfelder

Eine schmale Teerstraße führt durch eine kleine, sehr ländliche Wohngegend, vorbei an ausgeschlachteten Fahrzeugen, Wellblechhütten und spartanischen Häusern. Souverän folge ich der roten Markierung. Anfangs nicht zu übersehen. Dann isse plötzlich weg und taucht nicht mehr auf. Ich hatte gelesen, dass die Tour mit lokalem Guide empfohlen wird, da die Markierung nicht durchgängig gegeben und die Wegeführung nicht immer eindeutig sei. Generell sei es aber alleine durchaus machbar, so die Männers meiner Hostelrezeption. Den Berg vor Augen, kämpfe ich mich durch die dichten Zuckerrohrfelder weiter auf dem vermeintlichen Weg. Ein prüfender Blick auf mapsme (funktioniert glücklicherweise offline) lässt erkennen, dass ich völlig vom Weg abgekommen bin. Nun wächst mir biologisch bestes Zuckerrohr über die Ohren und ich habe weder Rum noch Limetten, geschweige denn Eiswürfel für nen Caipirinha zur Hand. Das Leben kann so grausam sein. Nicht mal ne Machete hab ich einstecken. Meine Survivalfähigkeiten lassen zu wünschen übrig. Querfeldein arbeite ich mich durch das Dickicht, immer genau auf die Linie zulaufend, die im Handydisplay meinen Weg darstellt. Die Blätter zimmern mir ins Gesicht und zerkratzen meine Beine. Nach mühsamem Kampf taucht schließlich wieder die rote Markierung am Boden auf. Ich glänze nicht gerade mit Professionalität und die wirkliche Herausforderung kommt erst noch!

Das Zuckerrohr wächst mir über den Kopf und weder Rum noch Limetten zur Hand!

Der Pfad führt zum Rücken des Löwen und ich stoße auf Treppenstufen. Ich erinnere mich an die Beschreibung, dass es dort raufgeht. Um die 100 Stufen, genau genommen. Sieht spannend aus. Ist es auch. Es wird dschungeliger. Wieder mal keine Menschenseele in der Walachei unterwegs. Wie gestern. Lediglich in einziges Pärchen mit Führer (der mir zwinkernd „bon courage“ wünschte) kam mir zu Beginn auf dem Ferney Trail entgegen, ansonsten völlige Einsamkeit. Heute höre ich zumindest Stimmen. Also im Grunde wie daheim tagtäglich.

Endlich wieder die Markierung gefunden
Am Rücken des Löwen angekommen, 100 Treppenstufen führen auf den weiteren Pfad

Mir begegnen sicher noch Wanderer, die Besteigung ist ein Klassiker, mache ich mir Mut. Konsequent stiefel ich höher nach oben. Positiv überrascht, wie trocken der Boden ist. Noch. Es wird felsig und ein roter Pfeil zeigt unmissverständlich „do geht’s nuff“. Überraschenderweise beginnen bereits hier Kletterpassagen in leichtem Gelände (Kletterer würden es als „Gehgelände“ bezeichnen). Mit etwas Erfahrung kein Problem, aber ohne das Gefühl für Felsen und Schwindelfreiheit hätte ich mich schwer getan.

Es wird felsiger
Und dann beginnt die Kletterei
Immer weiter aufi und über einen Grat
Man gewinnt zusehends an Höhe

Nach einer Passage über einen felsigen Grat, eröffnet sich ein unfassbares Bild! Die grenzenlose Weite des Indischen Ozeans, unter mir die grüne Hölle aus Zuckerrohr, Palmen und Bäumen, durch die ich mich durchgewurschdeld habe. Bis zum Gipfel fehlt immer noch ein gutes Stück. Mapsme zeigt an, dass gerade mal ein Drittel der Besteigung geschafft ist. Ganz wohl ist mir nicht bei dem Gedanken, ganz alleine zum Gipfel zu klettern. Das ist mir etwas zu heikel und so plane ich, nur bis zur Gabelung am östlichen Aussichtspunkt und von dort über den südöstlichen Trail die Rundtour zu laufen. Erwähnte ich schon, dass Pläne und ich…

Kaum als Weg erkennbar, mitten durch die Bäume und Büsche
Bei so viel Botanik kann die Wegefindung mühsam werden
Auch nach ordentlichem Aufstieg ist der Gipfel noch immer in weiter Ferne

Psychotraining im Dschungel

In der Ferne donnert es. Ich schraube mich weiter durch die Hitze in die Höhe. Die Kletterei wird von tropischem Dschungelabenteuer abgelöst. Der Pfad ist verschlammt und rutschig. An Bäumen und Wurzeln ziehe ich mich über den aufgeweichten Boden hoch. Also DAS laufe ich nicht mehr runter! Glücklicherweise gibt es ja den anderen Abstieg. Hunderte Moskitos umschwirren mich trinkgierig. Stehenbleiben ist das ultimative Todesurteil. Hektisch kippe ich eine neue Ladung Tropical-Repellent über mich. Wehe ein einziger Rüssel wird irgendwo in meine Gliedmaßen versenkt, drohe ich den Blutsaugern.

Nach über einer Stunde rumgedschungel hüpft mir leichtfüßig ein athletischer Trailrunner vor die Nase. Wir kommen ins Gespräch und er bestätigt mir, dass am Gipfel einige Leute seien. Große Erleichertung, ich bin nicht alleine. Mein Vorhaben, den südöstlichen Trail abzusteigen, sei technisch etwas schwieriger als der Weg hier, erklärt er mir. Ähh, das ist ungünstig. Wäre ja auch zu einfach gewesen. Es donnert und ich will ihn nicht länger aufhalten, also weiter. Welch nette Begegnung.

Seltsames Gedudel dringt in meine Ohren. Klingt wie… eine Spieluhr? Mitten im Urwald, am Berg, im Nirgendwo? Ist ja wie in ’nem schlechten Horrorfilm! Ich warte, ob die Mörderpuppe Chucky hinter einer Palme auftaucht oder Clown Pennywise mit einen roten Luftballon vorbeifliegt. Das Kopfkino rattert munter Filme ab. Könnte auch bloß ein Eiswagen sein, dessen Melodie vom Tal heraufgetragen wird. Ich erinnere mich zumindest nicht, dass bei Freddy Krüger und Konsorten „Für Elise“ flötete. Davon lasse ich mich jedenfalls nicht aufhalten.

Ui, das ist aber steil hier! Keine schwere Kletterei aber ein durchaus anspruchsvoller Hike. Die Erklimmung des Felsens belohnt mit noch grandioserer Aussicht! Ein erneuter Navigations-Check verrät: Bääätsch!! Längst vorbei am Aussichtspunkt und bereits auf dem letzten Stück zum Gipfel! WAS?! Fast oben? Wie kann das sein?? Da war doch gar kein Abzweig! Mooooment, vorhin wunderte ich mich doch, dass an einer Bananenstaude jeweils auf Vorder- und Rückseite rote Farbe war. Das war also die Gabelung und der Punkt an dem ich abbiegen wollte.

Dschungelfeeling, tausende Moskitos und zunehmend matschigerer Boden

Ein junges Pärchen taucht hinter mir auf, Einheimische. Dankbar über die unerwartete Gesellschaft frage ich die beiden, ob ich mich ihnen beim Rückweg anschließen dürfte. Sie werden den selben Weg absteigen, ich könne gerne mit ihnen rauf und auch runter, bieten sie an, aber sie seien langsam. Erleichtert laufe ich weiter. Das letzte Wandstück taucht auf. Es geht steil den Felsen rauf, generell machbar, allerdings ist alles schmoddrig, nass und komplett rutschig. Ich lasse die beiden vorbei und beobachte, wie er sie von unten die schmierige Wand raufschiebt. Ich steige auf den ersten Absatz und hadere. „Komm, es sind nur noch 10 Minuten. Wenn sie hochkommt, kannst du auch,“ insistiert der neue Weggefährte. Die innere Stimme pienzt, der Bauch knurrt. Nicht aus Hunger. Es donnert wieder. Durch das Blätterdach sehe ich ein kleines Stück blaugrauen Himmel, dort hinten schüttet es. Hoch geht immer irgendwie, aber komme ich die Schlonze mit meinen normalen Laufschuhen da wieder am Stück runter? Das Gelände ist stellenweise recht abschüssig. Maßgeblich besser ist der Ausblick da oben nicht mehr, der war etwas tiefer schon überragend! Vernunft und Respekt (und etwas Muffe) siegen. Ich gehe nicht rauf, entscheide ich. Er nickt und erklärt, sie machen oben Rast und kommen danach zurück. Ich könne warten, mich ihnen anschließen oder einfach schon mal vorlaufen. Ich danke den beiden herzlich und mache mich langsam auf den Abstieg aus dem Dschungel. Aus einem trockenen Palmenstengel baue ich mir einen Wanderstock, mit dessen Hilfe ich die Matschbahn runterrutsche. Geht besser als erwartet.

Für den Rückweg baue ich mir MacGyver-mäßig einen Palmenstengel-Wanderstock

Als ich aus dem Urwald komme und das offene Plateau erreiche, entfaltet sich das atemberaubende Ozean-Panorama vor mir. Auch wenn ich nicht am Gipfel war, kam ich weiter als geglaubt. Alleine. Hätte ich heute morgen nicht gedacht. Ungefiltertes Glück und Stolz kribbeln im ganzen Körper. Es ist früh, 12:20 Uhr. Mittagspause! Genüsslich kaue ich mein Roti, den Blick auf die blaue Schönheit tief unter mir getackert. Ich kann kaum begreifen, wie unfassbar wundervoll alles um mich herum gerade ist.

Mit Meerblick schmeckt ohnehin köstliches Roti noch viel besser
Atemberaubend und unbeschreiblich großartig

Es donnert immer mehr. Besser keine Zeit mehr verlieren. Wenn es anfängt zu regnen, wird’s verdammt blöd am Fels. Ich steige bis zur Gabelung hinab und entscheide, doch lieber wieder den gleichen Weg zurück zu nehmen. Zumindest kenne ich den, das Risiko lässt sich eher einschätzen. Es war technisch nichts tückisches dabei, ich habe Zeit, mache ich mir klar. Nachdem es so gut durch den unangenehmen Dschungelmappel ging, wird die Abkletterei am kompakten Felsen ein regelrechtes Vergnügen. Beschwingt fängt die Stimme im Kopf an zu singen: „Awimbawey, awimbawey, awimbawey“, der imaginäre Chor schmettert dazwischen „Aaauuiieeeeehhhh iawimbauweeeeey, in the jungle, the mighty jungle, the lion sleeps tonight!“

Abstieg vom Löwen, begleitet vom Donner
Vom Berg wieder ausgespuckt, das Gewitter naht

Ich gebe Gas und brauche keine Stunde, bis mich der Montagne du Lion wieder unversehrt (die neuen 85 Moskitobeulen unberücksichtigt) ausgespuckt hat. Diesmal ohne die ausschweifende Panoramatour durch das Zuckerrohrfeld. Was für ein Abenteuer! Ich laufe einige Kilometer weiter durch den ganzen Ort Vieux Grand Port zum benachbarten Vallée de Ferney.

Streifzug durch Vieux Grand Port
Ruine im Ort, die Natur erobert sich zurück, was einst ihr gehörte
Bananenstauden am Straßenrand sind keine Seltenheit
Bambus, Ylang Ylang, das üppige Naturreservat ist riesig.
Im Hintergrund der Montagne du Lion

Während ich die Hauptstraße durch die Pampa entlanglatsche, kommt hinter mir der Bus an. Mein kurzes Winken hält ihn mitten auf der Straße an. Er lässt mich reinspringen und bringt mich zurück nach Mahébourg.

Montagne du Lion auf der Bucketlist: Haken dran!

Abendstimmung und Tagesausklang an der Waterfront Mahébourg

Auch diese Tour findet ihr mit vielen weiteren Fotos bei komoot: https://www.komoot.de/tour/685180420?ref=aso

Panoramablick auf die Küste, den Blue Bay Marine Park und die vorgelagerten Inseln

Die erste Woche Mauritius ist vorüber. Zwei weitere Wochen folgen. Ich bekomme Gesellschaft und siedele zum südwestlichen Teil der Insel um. Noch mehr Wanderungen, noch mehr Abenteuer. Bald schon kommt der nächste Teil. Hier kommst du nochmals zum Rückblick.

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Sportjunkie auf Reisedroge

30. Januar 2021

Dank dem Aufruf der lieben Annette zur Blogparade „Fit halten im Urlaub“ (zu finden auf ihrem netreisetagebuch), entstand dieses sportliche Reise-Resümee. Tja, was soll ich sagen?! Das Thema passt wie Po auf Pott bzw. wie Laufschuhe ins  Reisegepäck.

Wegen eines Fabrikationsfehlers bin ich nämlich nicht in der „Couchpotatoe-Ausführung“ erhältlich, sondern lediglich in der internationalen Sonderedition „Aktiv-Frettchen mit Bewegungsdrang“. So ist mir ein umso größeres Vergnügen, euch einen Einblick in wortwörtlich bewegende Reisen zu geben.

Reisen und Sport = Traumkombi

Fakt ist, ich brauche aktive Abwechslung! Daheim wie auf Reisen. Eintönigkeit ist tödlich. Ein all inklusive Clubhotel Urlaub im Liegestuhl wäre mein ultimativer Killer. Selbstverständlich kann ich auch hervorragend liegen und mit einem guten Buch stundenlang relaxen. Wenn ich mich zuvor ordentlich ausgetobt habe…

Die Energie muss raus, dann entspannt es sich besser

Meine Reisedomizile müssen mir die pure Natur ungefiltert um die Ohren klatschen. Ich möchte mich frei bewegen, mit den Menschen in Kontakt treten und in das Land eintauchen können.

Es ist ja nicht so, als wäre Reisen an sich nicht schon recht anstrengend. Aber deswegen eine Sportpause einlegen? Nö, kommt gar nicht in Frage.

Der sportlichen Kreativität werden keine Grenzen gesetzt: Zum Warm-Up mit prallvollem Rucksack von einem Ort zum nächsten tingeln, während man dabei die Straßen auf der Suche nach einer Unterkunft ablatscht, stärkt zugleich die Rückenmuskulatur 🙂 Ist das Nachtlager bezogen, werden die Laufschuhe an die Füße getackert. Der Spruch „Nur wo man zu Fuß war, war man wirklich“ trägt viel Wahrheit in sich. Man bekommt einfach ein anderes Gefühl und Verständnis für das Land und seine Einwohner.

Dabei kam ich zum Laufen aus reiner Verzweiflung; es gab tagelang (Weihnachten bei meinen Eltern) keine sonstige Sportmöglichkeit. Gefährlich für mein direktes Umfeld. Aber was habe ich es gehasst! Lieber Brechdurchfall als Jogging. Irgendwann liefs plötzlich mit dem Laufen. In der aktuellen Corona-Situation – geschlossene Fitness-Studios und wetterbedingt stark eingeschränkte Optionen – bin ich irre froh, zum Laufen gefunden zu haben. Definitiv ziehe ich Outdoor-Sport dem Fitness-Studio vor. Aber bei Kälte, Regen und Winter pienz ich schon mal rum. Da lob ich mir die Bespaßung ansehnlicher Trainer im heimeligen Fitnesstempel. Geht leider momentan nicht. Deshalb ist Laufen so praktisch. Kannste immer machen. Auch bei kaltem Nieselregen. Überall. Passt sogar ins Reisegepäck.

Frühmorgendliche Laufrunde in Costa Rica

Es kann allerdings vorkommen, dass man in diversen Teilen der Welt als sonderlicher Exot auffällt, trabt man schnaubend durch die Prärie. In Myanmar erntete ich so manch belustigtes Grinsen von Mönchen oder begeistertes Kinderwinken. Sowie irritierte Blicke etlicher Burmesen, die die rennende Europäerin vermutlich für hochkarätig bekloppt hielten.

Stört mich alles nicht. Ich laufe. Auch bei 40°c tropischer Mittagshitze. Dann glüht eben die Birne, schmilzt die Sohle und läuft die Brühe sintflutartig. Ich laufe auch lange Sandstrände zwischen Leguanen entlang, wenns sein muss.

Barfußlaufstrandlauf mit Hindernisparcour (Galapagos, Santa Cruz)

Schwieriger wird es hingegen in höheren Lagen, beispielsweise in Ecuador. Bei Laufversuchen auf über 2.800 Metern geht ganz flott die ächzende Dampflock an und die Gangart rapide runter.

Und dann wäre noch die „Risikosportart“ Ver-Laufen zu erwähnen: Wo man fremd ist, da verläuft man sich auch mal. Nicht, dass mir das nicht auch Zuhause passiert. Ich kratze da regelrecht an der olympischen Disziplin. Macht aber nix. Verlaufen erhöht neben den Zusatzkilometern schließlich auch die Ortskenntnis. Außerdem sieht man viel mehr.

Der Weg ist das Ziel oder „ich muss da rauf“

Apropos Höhe. Mir kann’s kaum hoch genug sein. Das bringt die Kletterleidenschaft wohl so mit sich. Während ich Reisen niemals in die Kategorie Urlaub stecken würde, verhält es sich anders, wenn ich zum Klettern unterwegs bin. Das ist dann schon Urlaub. Spätestens beim ersten Glas Vino zum Sonnenuntergang vorm Zelt. Das wundervolle an dieser Sportart ist, dass man in Regionen kommt, die dem Ottonormal-Touri verschlossen bleiben und in die es einen normalerweise gar nicht verschlagen hätte. Ich hing im tiefsten Hinterland Spaniens, Kroatiens, der Türkei oder Frankreich an steilen Felsen und Klippen am Meer, fernab von jeglicher Zivilisation, das ist schon sehr besonders!

Klettern mit Meerblick, das kann was (Spanien, Calpe)

Mal ganz zu schweigen von den absolut liebsten Lieblingsbergen, den Dolomiten. Dort wurden etliche Schweißtropfen in alpinen Kletterrouten und auf Klettersteigen zwischen Hütte A und Hütte B, mit komplettem Geraffel auf dem Rücken, vergossen. Aber genau das ist meine Definition von Urlaub und Erholung. Ich brauche Herausforderungen, Verausgabung und Erschöpfung, um mich lebendig zu fühlen. So anstrengend und kräftezehrend diese Urlaube und insbesondere lange Reisen sind, gleichzeitig knallen sie wieder die Akkus mit Lebensfreude und positiver Energie randvoll. Berge sind das non plus ultra, dem Alltag zu entfliehen, sich sportlich zu verausgaben und eigene Grenzen zu verschieben. Nirgendwo kommen Geist und Seele so zur Ruhe. Wo keine Autos und Seilbahnen die Menschenmassen hin karren. Fernab der verrücken Welt „da unten.“

Einmal quer durch die Berge und bepackt für mehrere Tage

Im Gegensatz zum geselligen Klettern, ziehe ich auch ausgesprochen gern alleine durch die Welt. Um mich sportlich auszutoben komme ich dabei bisweilen auf abenteuerliche Ideen: In Nicaragua nutzte ich beispielsweise die Gelegenheit, mit einem Bergführer den Vulkan Maderas auf der Insel Ometepe zu besteigen. Ein sehr kräftezehrendes und schlammiges Unterfangen. Auf Galapagos wurde die Strapazierfähigkeit der Wanderschuhe beim langen Marsch zum Vulkan Sierra Negra getestet. Oder ich stellte die Höhentauglichkeit am Chimborazo, Ecuadors höchstem Berg, auf die Probe.

Die Wanderschuhe haben das Ende der Tour nicht überlebt (Vulkan Maderas, Nicaragua)
Die Luft wird dünner – Chimborazo, Ecuador

An guter Wandergesellschaft erfreue ich mich natürlich auch sehr. Seit vielen Jahren haben die Mädelstouren mit meiner treuen Freundin und Reisebegleiterin Janine eine hochheilige Tradition. Was einst als kleiner Wochenend-Städtetrip begann, ist zu ansehnlichen Wandertouren herangewachsen. Inzwischen haben wir Malta’s Küstenlandschaft, halb Sao Miguel (Azoren) und große Teile Teneriffa’s plattgelatscht. Ich kann euch garantieren: Der leckere Wein am Abend schmeckt doppelt besser, wenn man den Kadaver den Tag über sportlich gefordert hat.

Wind-, wetter-, wanderfest und unfassbar reisekompatibel (Mädelstour Azoren, Sao Miguel)
Gar köstliches Feierabendgetränk mit Panoramablick für fleißige Beine (Mädelstour Teneriffa)

Mit dem Drahtesel durch die Wallachei

Mit einem Fahrrad die Fremde zu erkunden ist ebenfalls recht unterhaltsam. Oftmals kann man für kleines Budget einen Drahtesel leihen und Entdeckungstour mit körperlicher Aktivität verbinden. Eine gewisse Robustheit sollte man vielleicht am Start haben. Wenn ich an die Rostgurke denke, auf denen man mich durch die Tempelstadt Bagan in Myanmar holpern ließ, fällt das nur noch indirekt in die Kategorie Sport. Der Vorteil, man kommt zügiger voran als beim Laufen, sieht mehr und kann an schönen Plätzen einfach anhalten und die Seele baumeln lassen.

Auf Galapagos bekam ich eine regelrechte Mountainbike Luxusversion, auf der ich Po und Beine malträtierte und dadurch keinen Bus benötigte, um zu einem 22 Kilometer entlegenen Riesen-Zwillingskrater zu gelangen. 

Hintern hoch und raus in die Welt

Egal ob radelnd über Inseln, ächzend und schnaufend auf Vulkane, schwitzend über Südamerikas heiße Pflaster rennend, Rucksackschleppend durch alpine Felslandschaften, wandernd mit Lieblingsmenschen grandiose Landschaften genießend, Kanu und Zelt paddelnd über den Missouri River in Montana (ja, auch so’n Quatsch hab ich gemacht), mit Haien und Riesenschildkröten mitten im Pazifik schnorchelnd, oder in Corona-Zeiten heimische Mikroabenteuer vor der Haustüre erleben, es gibt immer und überall etwas zu entdecken.

Auch die Heimat hat viel zu bieten
Fernwanderweg Neckarsteig, rund 128 Kilometer mit 3.130 Höhenmeter (hier Burgen-Etappe Neckarsteinach)
Soweit und solange mich die Füße tragen, werden die Socken qualmen!

Die Füße leg ich dann hoch, wenn ich im Seniorenstift auf dem Ohrensessel an meiner Kaffeeschnabeltasse nuckel.

Die Welt wartet auf dich. Du musst bloß den Hintern hochkriegen und loslegen. Es liegt an dir. Auf welchen sportlichen Umfang man das Ganze ausdehnt, kann jeder individuell für sich entscheiden. Aber wenn wir alle eine Sache in 2020 gelernt haben sollten, dann Dankbarkeit dafür, gesund zu sein und sich bewegen zu können. Und wenn die lang ersehnte Zeit des Reisens wieder kommt, werden wir auch diese Freiheit noch mehr zu schätzen wissen. Denn nichts von alledem ist selbstverständlich.

Bleibt gesund, aktiv und neugierig auf die großen und kleinen Wunder um euch rum!

Paisaje Lunar – Erste (Wander-)Schritte auf Teneriffa

Donnerstag, 16. Mai 2019

Gestern sind wir auf Teneriffa angekommen.

Ich bin mit Janine, meiner zutiefst geschätzten Freundin und weltbesten Reisebegleitung, auf die Insel gereist, um sie in der kommenden Woche zu erlatschen (Mission Mädels-Trip 2019).

Weitere Wander-Anekdoten unserer Reise gibt es auch im Blogbeitrag https://mosaikteile.de/2019/06/21/ab-durchs-teno-gebirge-santiago-del-teide-oder-traue-niemals-kilometer-und-hoehenangaben-im-wanderfuehrer/ zu lesen.

Um keine kostbare Zeit zu verbummeln, machen wir uns heute gleich auf Wanderschaft.

Zum Auftakt haben wir uns eine Tour mit dem klangvollen Namen „Paisaje Lunar“ aus dem Wanderführer gepickt. „Märchenhafte Minaretten und Türme der Mondlandschaft“ (Zitatende) prophezeit die Beschreibung des Autors. Jetzt hängt die Messlatte der optischen Landschaftserwartungen schon mal ganz schön hoch!

Kaffee und Meer – Der perfekte Start in den Tag

Bevor wir uns am Morgen auf den Weg machen, wird zuerst der Koffeein-Pegel neu kalibriert. Auf unserer Terrasse (den Meerblick gibt es übrigens auch vom Bett aus) schmeckt der Kaffee, in Kombination mit Wellenrauschenlauschen und Meeresluftgeschnupper, tatsächlich noch viel besser als daheim!

Morgen-Ausblick mit Meeresbrise, könnte durchaus schlimmer sein 🙂
Sommer-Sonnen-Frühstückskaffee,
kredenzt mit guter Lektüre – Gechillter Start in den Tag

Wir verfrachten Rucksäcke und unsere Kadaver in den Leihwagen und brechen gegen 9:45 Uhr auf. Bis nach Vilaflor ist es eine ziemliche Gurkerei. Janine cruist souverän über die Autobahn und weiter durch morgendlich bereits sehr belebte Ortschaften. Danach geht es auf ca. 1.500 Meter über unsägliche, nicht enden wollende Serpentinen den Berg hinauf.

Die Serpentinenstraße nach Vilaflor – fährst du noch oder brichst du schon?

Mit Brechreiz von unserer eigenen Fahrerei stellen wir, nach einer gefühlten Ewigkeit (tatsächlich dauerte die Fahrt 40 Minuten), endlich das Auto an der Iglesia de San Pedro in Vilaflor ab. Die Sonne strahlt hoch motiviert vom Himmel. Zuerst laufen wir durch das idyllische Örtchen, bis links eine schmale Straße abzweigt und wir auf den weiß-rot-gelb markierten Camino (PR-TF 72) stoßen. Ein Weg, eingesäumt von Steinmäuerchen, führt gut 30 Minuten durch einen lichten Kiefernwald stetig aufwärts. Es ist ziemlich warm und die Körpertemperatur steigt kontinuierlich mit der Höhe.

Es geht erst mal eine Weile stetig bergauf

Wir folgen einer Wasserleitung und treffen auf ein verlassenes und teils zerfallenes Gehöft (so sagt die Beschreibung, als Gehöft ist es für uns nicht wirklich erkennbar).

Das verlassene Gehöft mit Trockenfeldterrassen

Die Landschaft ist enorm vielseitig. Nirgendwo zuvor habe ich bislang solch riesige Blumen gesehen. Prächtige Stauden, mit hunderten kleinen Blüten in rosa und lila, die mich überragen (ok, meine Körpergröße kann als „platzsparend“ bezeichnet werden, dennoch sind Blumen üblicherweise kleiner als ich). Diese imposanten Pflanzen nennen sich Roter Wildprets Natternkopf und wachsen ausschließlich im Nationalpark El Teide. Wir haben das große Glück, dass sie jetzt blühen.

Der Rote Wildprets Natternkopf direkt am Wanderweg.
Er kann bis zu 2 Meter hoch werden und hat wunderschöne Blüten.

Mondlandschaft, Wälder und bizarre Felsen

Abwechslungsreicher könnte die Landschaft kaum sein. Die Wegfindung ist so eindeutig, dass selbst Orienterungslosigkeits-Spezis wie wir, uns nicht verlaufen können. Der mühevoll angelegte Pfad führt weiter durch die Caldera zu den bizarren Felsformationen, die wir bereits aus dem Wanderführer kennen. Das werden wohl die Minaretten sein.

Immer den bepinselten Steinen und dem gut erkennbaren Pfad folgen
Die hellen Bimssteinsäulen, ein toller Kontrast zum blauen Himmel
und den Bäumen

In der Mittagshitze suchen wir einen Schattenplatz und vertilgen unser Proviant. Um unsere Füße flitzen hektisch kleine Eidechsen, in der Hoffnung, herabfallende Krümelchen zu ergattern. Wir haben noch ein Stück vor uns, daher marschieren wir bald weiter.

Gestärkt geht es weiter, vor uns liegt noch ein gutes Stück

Vor uns taucht in der Ferne der Teide auf. Was für ein Berg! Der Vulkan bot aus dem Flieger schon einen imposanten Anblick, aber inmitten dieser speziellen Landschaft sieht er noch mächtiger aus.

Die Schönheit der Natur spricht für sich
Sitzen, schweigen, staunen – Janine nimmt die Eindrücke in sich auf

Von der Sonne begleitet laufen wir zum Aussichtspunkt Paisaje Lunar und lassen die faszinierende Umgebung auf uns wirken.

Aussichtspunkt Paisaje Lunar

Die weitere Strecke führt erst leicht abwärts, dann für einige Zeit recht ebenerdig bis zum Ausgangspunkt zurück.

Wanderweg nach Las Vegas oder lieber doch zurück nach Vilaflor?!

Nach ca. 5 Stunden (mit kurzen Rastpausen) stecken insgesamt 760 Höhenmeter in den Beinen und 15 Kilometer in den Füßen.

Verschwitzt, etwas erschöpft und rundum glücklich kommen wir um 16:15 Uhr in Vilaflor an. Im Schatten einer von wildem Wein bewachsenen Pergola lassen wir bei Kaltgetränken und einem Cortado (la vida es bella!) die Tour und unsere Eindrücke nachklingen, bevor wir über die Serpentinenstraße den Heimweg antreten.

Unser Fazit: Eine abwechslungsreiche und absolut lohnenswerte Wandertour, mit einigen Steigungen und einer kontrastreichen Landschaft. Der Weg ist super markiert und jederzeit gut erkennbar. Ausreichend Getränke sollte man einpacken, da es unterwegs keine Nachfüll-Möglichkeiten gibt und es sehr heiß werden kann!

Ab durch’s Teno-Gebirge / Santiago del Teide oder: Traue niemals Kilometer- und Höhenangaben im Wanderführer!

Dienstag, 21. Mai 2019

Es hat sich zu einer lieb gewonnenen Tradition entwickelt, dass meine Freundin Janine und ich jedes Jahr eine Mädelstour starten. Was vor über 10 Jahren als kurzer Wochenend-Trip begann, hat sich mittlerweile zu Unternehmungen von meist einer Woche ausgedehnt.

Dieses Mal stand Teneriffa auf unserer Liste. Und wie die Jahre zuvor auf den Azoren und Malta, wurden wieder die Wanderschuhe geschnürt. Für uns die schönste und eindrucksvollste Art, eine Insel oder ein Land kennenzulernen.

Was allerdings die Souveränität unserer Wanderperformance betrifft, so besteht – vorsichtig ausgedrückt – durchaus Potenzial und Luft nach oben.

Obwohl jede Wanderung am Vorabend bei einem (vielleicht auch zwei oder…) kühlen Glas Sangria akribisch ausgewählt und mit sehr viel Engagement, Zielstrebigkeit und, nun ja… ein wenig jugendlichem Leichtsinn angegangen wird.

Perfekte Location um die nächste Tour zu planen

Getreu dem Motto von Pipi Langstrumpf: „Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut!“ 🙂

Schließlich wächst man an seinen Herausforderungen und derer scheuen wir uns nicht!

Für heute hatten wir uns im Wanderführer eine Tour durchs Teno-Gebirge ausgesucht. Rund 70 Kilometer entfernt von unserer Ferienwohnung in La Mareta, wollten wir von Santiago del Teide über Tamaimo und Arguayo laufen.

Nach überlebenswichtiger Kaffee-Zeremonie am Morgen, auf unserer traumhaften Meerblick-Dachterrasse, saßen wir gegen 9 Uhr hochmotiviert im Mietwagen. Santiago del Teide war dank der Autobahn recht flott erreichbar, so blieben uns die brechreizfördernden Serpentinenstraßen durchs Hinterland erspart.

Mit Windjacke und Pullover im Gepäck waren wir heute sogar gegen kühle Winde und frische Temperaturen gerüstet! Nachdem uns ein eisiger Sturm zuvor bei unserer Tour im gleichen Gebirge fast vom Bergkamm wehte, sollte uns das kein weiteres Mal passieren. Man / Frau ist immerhin lernfähig.

Nach 45 Minuten Fahrt, stellten wir das Auto an der Kirche San Fernando Rey im Ortszentrum ab.

Santiago del Teide, ausgelegt auf Wander- und Kletteraktivitäten

Die Wanderung wurde mit 11,5 Kilometern und 500 Metern Höhendifferenz angegeben, prinzipiell gut machbar.

Vielleicht sollte erwähnt werden, dass Janine und ich – geografische Orientierungsgenies sondergleichen – über eine unfreiwillige Neigung verfügen, Touren äußerst flexibel und variabel auszudehnen…

Seit wir gemeinsam wandern, ist es nicht unüblich, dass wir Strecken teilweise wieder zurücklaufen, Abzweigungen verpassen und somit Zusatzkilometer einbauen. Selbst vermeintlich unspektakuläre Wanderungen umweht immer eine (mal mehr, mal weniger steife) Brise Abenteuerluft. Und wir haben‘s immer lustig. Verdammt lustig! Spätestens wenn wir wieder am Ziel angekommen sind.

Unsere ausgewählte Route war hervorragend beschrieben, das Wetter perfekt und wir guter Dinge (um nicht zu sagen überrascht), als wir gegen 10 Uhr sofort den Einstieg zum Wanderweg fanden.

Einfach immer den Schildern folgen, dann kann gar nix schiefgehen. Oder doch?!

Ein wunderschöner Pfad führte durch eine üppige Vegetation; Wolfsmilchgewächse (auf Teneriffa in 3 Sorten reichlich vertreten), Ginsterbüsche, wilder Fenchel und unzählige Dachwurz-Pflanzen.

Fenchel, Mandelbäume, Kakteen, Weinreben und im Hintergrund der Teide

Dazwischen thronten dunkelbraun-rötliche Felsen, eine traumhafte Fotokulisse. Vor uns lag der nächste Ort Tamaimo, dahinter zeichnete sich das Meer mit der Silhouette von La Gomera ab. Die Augen konnten sich gar nicht satt sehen.

Felsen und weitere Wolfsmilchgewächse

Es war so herrlich warm, dass wir unsere Hosen hochgekrempelt hatten. Einige Zeit folgten wir dem Weg entlang Natursteinmauern und einem alten Wasserkanal bis nach Tamaimo.

Eindeutige Wegführung, ein Verlaufen ist (fast) nicht möglich

Wie beschrieben, durchquerten wir den Ort bis zu einem Geröllweg, der uns nach gut 20 Minuten Anstieg nach Arguayo führte. Auf der ganzen Strecke trafen wir keine anderen Wanderer. In den Ortschaften wurden wir von den Einheimischen fröhlich und lächelnd begrüßt.

Die Etappen zwischen den kleinen Örtchen waren unglaublich abwechslungsreich und landschaftlich wirklich toll. Noch nirgendwo habe ich solch eine Vielzahl Feigen- und Mandelbäume gesehen, die so reichlich bestückt waren.

Bäume voller riesiger Mandeln

Als wir Arguayo erreichten, lagen bereits über 300 Höhenmeter hinter uns. Das Töpfereimuseum, laut Wanderführer UNBEDINGT zu besuchen, hatte trotz theoretischer Öffnungszeit praktisch geschlossen.

Töpfereimuseum in Arguayo; theoretisch geöffnet aber praktisch geschlossen

Unsere nächste Mission: Finde den Sportplatz im Dorf und orientiere dich neu.

Wir belagerten aber erst einmal eine Holzbank am Straßenrand und legten eine schöpferische Pause ein.

Während ich hungrig mein Käsebrötchen vertilgte, deklamierte Janine – in noch ausbaufähigem Spanisch, jedoch an Dramaturgie kaum zu überbieten – die historische Geschichte des Ortes, die sie verantwortungsbewusst einer Infotafel entnahm.

Gebannt kauend lauschte ich ihrem Verbal-Exkurs und filmte es selbstverständlich gleich mit, zu wichtigen Dokumentationszwecken für die Nachwelt.

Trotz frischem Tatendrang hatten wir etwas Mühe, den Fußballplatz zu finden. Nachdem uns „mapsme“ die Hauptstraße auf- und abschickte, bemerkten wir, dass wir bereits 3x blind dran vorbeigelaufen waren. Der Rasenplatz verbarg sich hinter einer hohen weißen Mauer und war für uns einfach nicht ersichtlich.

Von dem Ort Arguayo unterhalb des Fußballplatzes kamen wir. Von oben ist er deutlich erkennbar

Als nächstes sollten wir „eine nicht ganz deutlich zu erkennende Abzweigung“ (Zitatende) nehmen, vor der ein Steinmännchen stehe. Zumindest stand es bei Herausgabe des Wanderführers im Jahr 2013 noch. Die Abzweigung fanden wir. Auch das steinerne Häufchen gab es noch. Auf dem weiteren Weg beschlichen uns trotzdem leichte Zweifel, bis wir erleichtert den Strommasten erreichten, der zur Orientierung in der Beschreibung genannt wurde.

La Gomera im Hintergrund.
Doch; ob du wirklich richtig gehst, siehste erst, wenn du am Strommasten stehst.

Die bis dato bereits deutlich überschrittene Zeitvorgabe, redeten wir uns mit unserer stark ausgeprägten Fotografie-Leidenschaft schön. Schließlich hatten wir Zeit und die nahmen wir uns.

Nachdem wir den Bergkamm des gegenüberliegenden Tals überschritten hatten, kamen wir an einer kleinen Kapelle an.

Eine Straße führt durch erkaltetes Lavagelände, Wattewölkchen am Himmel fürs Foto

Hinter ihr führte eine Straße mitten durch das Lavagelände. Stolz und imposant ragte der Vulkan Teide (3.718 m) in die Höhe. Wir hatten unfassbares Glück, ihn wolkenlos zu sehen. Der etwas niedrigere Pico Viejo (3.135 m) thronte rechts daneben. Sprachlos standen wir in der Prärie und ließen einfach den Anblick auf uns wirken.

Wolkenloser Vulkan Teide mit dem kleineren Pico Viejo

Über ein langes Lavafeld stiegen wir zum nächsten Dorf Las Manchas hinab, um gleich darauf weitere Höhenmeter zu sammeln. Durch die rotbraun-schwarze Vulkanlandschaft führte ein wunderschön angelegter und von Steinmäucherchen gesäumter Weg hinauf. Als Zeichen  ihrer Dankbarkeit, dass der Vulkan Chinyero bei seinem Ausbruch ihre Häuser verschonte, hatten hier die Einwohner einst drei Kreuze errichtet.

Schlackenkegel Chinyero (1.556 m), der 1909 letztmals ausbrach

Das letzte Stück zog sich ewig. Die Sonne brutzelte ordentlich. Ein irritierter Blick auf unsere Uhren zeigte, dass wir bereits 13 Kilometer hinter uns hatten. Erstaunlich, da die Tour mit 11,5 Kilometern angegeben war. Okay, zwei Mal mussten wir ein Stück zurücklaufen (um zu erkennen, dass wir eigentlich richtig waren). Zuzüglich der etwas ausgedehnteren Fußballplatz-Suche. Sind ratz fatz ein, zwei Kilometer mehr. Aber unser Ausgangs- und Zielort lag noch in weiter Entfernung… Es half alles nix, wir schlappten weiter durch die Hitze.

Und dann kam endlich wieder ein Wegweiser. Der zeigte bis Santiago del Teide noch 2 Kilometer. Uhrencheck; wir hatten mittlerweile 14 Kilometer und über 600 Höhenmeter. Da rumfiepen nix hilft, wurden die Arschbacken zusammengekniffen und weitergelaufen.

Der Weg begann sich bei den Temperaturen sehr in die Länge zu ziehen

Am Ende waren wir exakt 6 Stunden unterwegs. Auf 16 Kilometer und knapp 700 Höhenmeter hatten wir die Tour ausgedehnt.

Wo wir all diese Irrungen und Wirrungen eingebaut hatten, war uns ein Rätsel. Egal, wir freuten uns. Mission erfüllt: Wir hatten den Weg gefunden und eine weitere Tour erfolgreich absolviert.

Ohne Umschweife pilgerten wir in die nächste Dorfschänke (den Weg fanden wir direkt), knallten die müden Kadaver in die Sonne und zogen bei Kaffee und Kaltgetränken Resümee:

Eine absolut lohnenswerte und abwechslungsreiche Wanderung. Grandiose Blicke auf den Teide, tolles Meer mit Sicht auf La Gomera, bizarre Vulkanlandschaft und schöne Pfade durch allerlei Wildwuchs und Pflanzen.

Das Sahnehäubchen bildete die Ruhe und das Gefühl der Abgeschiedenheit, da uns unterwegs keine Menschenseele begegnete (mit Ausnahme von den Dörfern).