7. bis 9. Februar 2018
(Beitrag vom 22.11.2020)
Costa Rica hat seit meiner Ankunft bereits etliche Highlights in Natur- und Tierform aus der Zauberkiste hüpfen lassen.
Nach dem Wohlfühlstart in Uvita (die „Ankommen- und Eingewöhnheimat“ der ersten Woche), den folgenden Übernachtungen im rastafari Montezuma, im chilligen Santa Teresa, dem unvergesslichen Schildkröten-Rescue-Camp von Camaronal, der Partymeile Playas del Coco und dem beschaulichen La Fortuna (das mit dem tollen Vulkan), bin ich jetzt in Monteverde aufgeschlagen.
Viva los mexicanos! Erwarte das Unerwartete
Sicherheitshalber habe ich mir schon gestern ein Bett im 4er Zimmer eines Dorms reserviert. Ich entschied mich für ein gemischtes Zimmer, davon ausgehend, dass es nicht voll belegt ist. Und falls doch, dann eben gemischt. Der Zufall lacht mal wieder Tränen über meine Blauäugigkeit und klatscht mir das Mix-Zimmer in allerfeinster Mischform untern Hintern. Die Mischung bin nämlich ICH. Die übrigen drei Betten sind mit holder Männlichkeit belegt. Nämlich von drei Mexikanern! Mein Plan ist kaputt, beschert mir dafür aber eine meiner lustigsten Begegnungen der Reise…

Den angebrochenen Nachmittag verdödel ich mit einigen Leuten die ich in La Fortuna kennenlernte und die mit nach Monteverde gefahren sind.
Als ich am Abend zurück ins Dorm komme, werde ich freudig von den mexikanischen Zimmergefährten begrüßt. Die haben es sich mit drei Mitbewohnern im Aufenthaltsraum auf hochprozentigem Niveau gemütlich gemacht und bestehen nun auf meine Gesellschaft beim lustigen Kartenspiel. Eigentlich bin ich ziemlich erledigt und seit Tagen im Schlafdefizit, aber wer erinnert sich im Nachhinein schon an die Nächte, in denen man viel Schlaf bekommen hat?! Grinsend ergebe ich mich auf der Couch zwischen den Muchachos und lasse mir die Spielregeln erklären, während ein Glas vor mir erscheint, das großzügig gefüllt wird. Caramba!

Einige Stunden später: Ich habe unzählige Male mit den Fingerspitzen einen imaginären grünen Kobold von Rand meines Glases (Rum mit Cola) gehoben, dazu einen Spruch aufgesagt, getrunken und den Kobold wieder auf das Glas zurückgesetzt. Die Restvernunft ließ mich rechtzeitig die Bremse ziehen und so liege ich jetzt endlich im Bett. Zwei der amigos haben es ebenfalls in die enge Kajüte geschafft, in nicht ganz so souveränem Zustand. Es ist mitten in der Nacht und wir lachen uns ’nen Ast. „Mexikaner Drei“ hat sich zum Ausruhen in der kleinen Toilettenkabine zusammengefaltet. Liegt etwas ungeschickt vor der Tür, so dass die Jungs nicht reinkommen, um ihn in sein Bettchen zu tragen. Das befeuert unser Lachen noch mehr. Gegen halb 6 Uhr schaffen sie es tatsächlich, ihn aufzuwecken und in das Hochbett über mir zu katapultieren. Ich warne noch mit Grabesstimme: „Wehe der bricht auf mich!“ und ernte weiteres Gelächter als Antwort…
Selvatura Adventure Park – Abenteuerspielplatz im Regenwald
Nach knapp vier Stunden Wach-Schlaf lobpreise und huldige ich dem Frühstückskaffee voller Dankbarkeit. Meine Mexikaner ziehen am Morgen leider weiter, keine Ahnung, wie sie das in ihrem desolaten Zustand bewerkstelligen.
Zusammen mit Claudius (der Stuttgarter, den ich in La Fortuna kennenlernte) geht es am Morgen zum Selvatura Adventure Park nach Santa Elena. Ich hatte ihm von den Hängebrücken im Nebelwald vorgeschwärmt, so dass er kurzerhand seine Reiseroute unterbrach und mit nach Monteverde kam.
Am Eingang des Parks spuckt uns der Shuttlebus in die Nebelsuppe raus. Das Wetter könnte nicht stimmiger sein. Kühl, feucht, trüb, diesig. Alle Wetterattribute die ich nicht leiden kann. Aber hier ist es perfekt! Rund 30 Dollar (Park-Eintritt inklusive Busshuttle vom und zum Hostel) kostet uns der Spaß.
Direkt hinter dem Parkeingang befindet sich eine kleine Kolibri-Station. Wie üblich in Costa Rica kostet dieser extra Eintritt. Den sparen wir uns und gucken von draußen ins Gehege. Ein freundlicher Parkwächter winkt mich ran und bietet lächelnd an, uns schnell für ein paar Fotos reinzulassen. Wir nutzen das freundliche Angebot und können aus der Nähe bewundern, wie die filigranen Geschöpfe vor der Tränke in der Luft schweben und ihren Rüssel in die Honigmasse tunken.
Im Selvatura Park gibt es den Hummingbird and Butterfly Garden (Kolibris und Schmetterlinge), für Adrenalinjäger schier endlos lange Ziplines über die Baumwipfel und tolle Wege durch den Regenwald und über die Hängebrücken.

Die Hängebrücken Monteverde / Santa Elena
Darauf habe ich mich schon Zuhause total gefreut!
Wir starten auf den flachen Pfaden durch den mystischen Nebelwald. Natürlich ist das Reservat kein Geheimtipp und entsprechend touristisch frequentiert. Dennoch kann ich mir dieses Naturspektakel nicht entgehen lassen.
In der Region regnet es quasi das ganze Jahr hindurch. Entsprechend wachsen und gedeihen hier die Pflanzen, als wären sie mit Turbodünger zugedröhnt. Die Flora ist unbeschreiblich. Dichte Bäume, riesige Farne, Moose, Bromelien, unzählige Orchideenarten, Grün in allen Facetten, wohin das Auge blickt.

Inmitten des Nebelwaldes führen acht unterschiedlich hohe und lange Hängebrücken durch die Baumkronen. Ziemlich beeindruckend und atemberaubend schön. Überraschenderweise entdecken wir nicht viele Tiere. Schade, ich hatte so sehr auf ein Faultier gehofft. Aus der Ferne dringen die Jubelrufen der vorbeirauschenden Zipliner zu uns hinauf.



Eineinhalb Stunden wandeln wir durch den urigen Dschungelwald, dann erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt. Uns bleibt noch ein wenig Zeit für einen Cappuccino, bevor uns der Shuttlebus zurück zum Hostel bringt.
Auf Reisen bleibt man nie allein
Um 7:15 Uhr bin ich mit Patrick im Frühstücksraum verabredet. Den rothaarigen, sommersprossigen Iren (hallo Klischee) lernte ich gestern abend im Hostel kennen. Ich erzählte ihm vom „magic Ficus Tree“, von dem ich gerade mit Claudius kam. Da wir erst kurz vor Sonnenuntergang im Wald ankamen und viel los war, wollte ich den Baum nicht mehr in Eile beklettern und habe das Abenteuer auf die Adventure-Löffelliste für den Folgetag gesetzt. Patrick war gleich interessiert und wir verabredeten uns.
Der Koffeein-Yieper hat mich aus dem Bett geschmissen. Ich bin zu früh. Mit der Kaffeetasse in der Hand wackel ich zu einer Engländerin, die alleine am Tisch sitzt und in ihren Reiseführer blättert. Ich setze mich zu ihr und während ich auf Patrick warte, erzähle ich ihr von unserem Plan, den Ficus zu erklimmen und danach den Trail „Cerro tres amigos“ zu wandern. Begeistert fragt sie, ob sie mit könne. Auch Patrick, verstrubbelt und müde, der sich mit Frühstück beladen zu uns setzt, ist einverstanden. Ich freue mich über die spontane Gesellschaft der beiden. Drei amigos auf dem Cerro tres amigos also.
Im Inneren der Würgefeige
Gestern brauchten wir eine ganze Weile, bis wir uns mit maps.me durch den Wald navigiert und den richtigen Baum gefunden hatten (wenn man vor lauter Bäumen im Wald DEN Baum nicht sieht). Dafür finde ich ihn heute umso schneller. Und im Gegensatz zu gestern (da herrschte Hochbetrieb) ist jetzt nur ein Paar mit seinen beiden Kindern da. Und die Affenschar, die in den Bäumen ringsum tobt. Grinsend betrachte ich die überraschten Blicke meiner beiden Begleiter.
Der Ficus ist wahrlich ein Naturphänomen! Und ein absolut lohnenswerter Besuch für den man – oh Wunder in Costa Rica – tatsächlich nichts zahlen muss.
Schätzungsweise 30 Meter ragt der Gigant in die Höhe. Was mir bis dahin gänzlich unbekannt ist, der Ficus zählt zur Gattung der Würgefeigen. Im Grunde ist er ein Parasit für seinen Wirtsbaum, den er sich förmlich einverleibt. So entsteht der Hohlraum im Inneren. Die Baumrinde und sein Innenleben sind einem kompakten hölzernen Klettergerüst gewichen, über das man bis zur Krone hochsteigen kann.

Als begeisterte Sportkletterin hadere ich kurz bei dem Gedanken, völlig ungesichert wie dieser Märchen-Hans an der Zauberbohne gen Himmel zu kraxeln. Hinter Patrick krabbel ich in den Baum hinein. Na ja, im Grunde isses wie Treppensteigen. Hohe Treppen. Mit viel Luft unterm Hintern. Aber ich habe ja den irischen Schutzpatron dabei, der vor mir bereits hochmotiviert auf dem Weg nach oben ist. Dann mal los. Jeder Kletterer weiß: Runter kommt man immer…

Sprachlos kralle ich mich in der Baumkrone des „magic Ficus“ fest, von dem gigantischen Ausblick völlig geflasht. Auch Patrick grinst über beide Ohren und ist mächtig beeindruckt! Das Abklettern stellt sich als Kinderspiel heraus, alle Sorge war umsonst.
Hiking-Tour Cerro tres amigos mit oscarverdächtigem Spinnen-Kopfkino
Wir sind auf dem Weg zum höchsten Gipfel der Gegend, auf 1.840 Metern. Nicht nur wegen der strahlenden Sonne ein schweißtreibendes Unterfangen. Eine verdammt steile Straße zieht sich in die Unendlichkeit rauf und geht dann in einen rotbraunen erdigen Pfad über. Wir werden von drei Hunden begleitet, die uns die kompletten 14 Kilometer des Trails nicht von der Seite weichen.


Am Gipfelplateau angekommen, werden wir sogar mit einer ganz passablen Sicht belohnt. Wir möchten nicht den selben Weg zurück latschen und checken über Patrick’s Navigationssystem eine alternative Route aus. Das geht genau so lange gut, bis wir irgendwann im tiefsten Urwald stehen und uns eingestehen müssen, wir kommen hier ohne Machete nicht mehr weiter.


Nach einer kurzen Rast sehen wir ein, es geht nicht weiter. Einstimmig entscheiden wir uns abzubrechen und den ganzen Weg zurück zu latschen.
Die Wanderschuhe schmatzen durch den Schlamm, während wir abwechselnd über dick bemooste Baumstämme krabbeln und unter sperrigen Ästen und Gestrüpp hindurchkriechen. Im dezenten Panikmodus scannen meine Augen die grüne Hölle ab. Der Tarantula-Radar steht auf empfindlichster Alarmbereitschaft. Bei jedem Stamm, über den ich mich hieve, wispert die garstige Stimme im Kopf: „Gar nicht so unwahrscheinlich, dass da gleich ne Vogelspinne rumhüpft. Hier wimmelts doch von den possierlichen Tierchen.“ Parallel dazu spielt das Kopfkino den passenden Trailer ab.

Jedes neue Gestrüpp stellt mich vor herausfordernde Überwindungen. „Bitte keine Spinne, bitte keine Spinne“ pienze ich mich Schrittweise weiter. Nach dem Survivalerlebnis durchs Dickicht erreichen wir irgendwann wieder so etwas, das den Anschein eines Weges hat. Mein mimimi wurde erhört. Ich frohlocke und schallmeie vor Erleichterung.
Nach gut 4 Stunden und rund 900 Höhenmetern (einschließlich der Tour zum Ficus) sind wir zurück in der Zivilisation von Santa Elena. Auch den Hunden reicht es mit uns. Sie ziehen wieder von Dannen. Wir feiern unser Überleben mit hochgelegten Füßen bei einem verdienten Kaffee-Kuchen-Kränzchen in der Sonne. PURA VIDA!
Während sich meine Wandergefährten in Richtung Hotel aufmachen, stiefel ich weiter zur Touri-Info. Muss mich um meine Weiterreise (an der noch ein großes Fragezeichen klebt) und den Bustransfer kümmern und brauche qualifizierten Input. Noch ahne ich nicht, dass ich bereits in wenigen Stunden – um 4:15 Uhr, gähn – aufgeregt im Bus zur Landesgrenze sitze, auf dem mühsamen Weg nach Nicaragua. Ein überaus spontaner Kurz(ent)schluss und eigentlich entgegen meines Planes keinesfalls die Grenzen Costa Rica’s zu verlassen.
Ach… Pläne und Schlaf werden ja sowas von überbewertet!

Habt ihr auch schon unerwartete und völlig ungeplante Kurzentschlüsse getroffen? Etwas gemacht, was ihr nie von euch gedacht hättet und womit ihr euch selbst verblüfft habt? Und hat es sich im Nachgang als die richtige Entscheidung herausgestellt? Ich bin gespannt, welche Erfahrungen ihr gemacht habt und freue mich auf eure Erzählungen 🙂
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