COSTA RICA // Monteverde – Nebelwälder, Hängebrücken und der magic Ficus

7. bis 9. Februar 2018

(Beitrag vom 22.11.2020)

Costa Rica hat seit meiner Ankunft bereits etliche Highlights in Natur- und Tierform aus der Zauberkiste hüpfen lassen.

Nach dem Wohlfühlstart in Uvita (die „Ankommen- und Eingewöhnheimat“ der ersten Woche), den folgenden Übernachtungen im rastafari Montezuma, im chilligen Santa Teresa, dem unvergesslichen Schildkröten-Rescue-Camp von Camaronal, der Partymeile Playas del Coco und dem beschaulichen La Fortuna (das mit dem tollen Vulkan), bin ich jetzt in Monteverde aufgeschlagen.

Viva los mexicanos! Erwarte das Unerwartete

Sicherheitshalber habe ich mir schon gestern ein Bett im 4er Zimmer eines Dorms reserviert. Ich entschied mich für ein gemischtes Zimmer, davon ausgehend, dass es nicht voll belegt ist. Und falls doch, dann eben gemischt. Der Zufall lacht mal wieder Tränen über meine Blauäugigkeit und klatscht mir das Mix-Zimmer in allerfeinster Mischform untern Hintern. Die Mischung bin nämlich ICH. Die übrigen drei Betten sind mit holder Männlichkeit belegt. Nämlich von drei Mexikanern! Mein Plan ist kaputt, beschert mir dafür aber eine meiner lustigsten Begegnungen der Reise…

Angekommen im Hostel in Monteverde

Den angebrochenen Nachmittag verdödel ich mit einigen Leuten die ich in La Fortuna kennenlernte und die mit nach Monteverde gefahren sind.

Als ich am Abend zurück ins Dorm komme, werde ich freudig von den mexikanischen Zimmergefährten begrüßt. Die haben es sich mit drei Mitbewohnern im Aufenthaltsraum auf hochprozentigem Niveau gemütlich gemacht und bestehen nun auf meine Gesellschaft beim lustigen Kartenspiel. Eigentlich bin ich ziemlich erledigt und seit Tagen im Schlafdefizit, aber wer erinnert sich im Nachhinein schon an die Nächte, in denen man viel Schlaf bekommen hat?! Grinsend ergebe ich mich auf der Couch zwischen den Muchachos und lasse mir die Spielregeln erklären, während ein Glas vor mir erscheint, das großzügig gefüllt wird. Caramba!

Kartenabend mit den mexikanischen Zimmergefährten

Einige Stunden später: Ich habe unzählige Male mit den Fingerspitzen einen imaginären grünen Kobold von Rand meines Glases (Rum mit Cola) gehoben, dazu einen Spruch aufgesagt, getrunken und den Kobold wieder auf das Glas zurückgesetzt. Die Restvernunft ließ mich rechtzeitig die Bremse ziehen und so liege ich jetzt endlich im Bett. Zwei der amigos haben es ebenfalls in die enge Kajüte geschafft, in nicht ganz so souveränem Zustand. Es ist mitten in der Nacht und wir lachen uns ’nen Ast. „Mexikaner Drei“ hat sich zum Ausruhen in der kleinen Toilettenkabine zusammengefaltet. Liegt etwas ungeschickt vor der Tür, so dass die Jungs nicht reinkommen, um ihn in sein Bettchen zu tragen. Das befeuert unser Lachen noch mehr. Gegen halb 6 Uhr schaffen sie es tatsächlich, ihn aufzuwecken und in das Hochbett über mir zu katapultieren. Ich warne noch mit Grabesstimme: „Wehe der bricht auf mich!“ und ernte weiteres Gelächter als Antwort…

Selvatura Adventure Park – Abenteuerspielplatz im Regenwald

Nach knapp vier Stunden Wach-Schlaf lobpreise und huldige ich dem Frühstückskaffee voller Dankbarkeit. Meine Mexikaner ziehen am Morgen leider weiter, keine Ahnung, wie sie das in ihrem desolaten Zustand bewerkstelligen.

Zusammen mit Claudius (der Stuttgarter, den ich in La Fortuna kennenlernte) geht es am Morgen zum Selvatura Adventure Park nach Santa Elena. Ich hatte ihm von den Hängebrücken im Nebelwald vorgeschwärmt, so dass er kurzerhand seine Reiseroute unterbrach und mit nach Monteverde kam.

Am Eingang des Parks spuckt uns der Shuttlebus in die Nebelsuppe raus. Das Wetter könnte nicht stimmiger sein. Kühl, feucht, trüb, diesig. Alle Wetterattribute die ich nicht leiden kann. Aber hier ist es perfekt! Rund 30 Dollar (Park-Eintritt inklusive Busshuttle vom und zum Hostel) kostet uns der Spaß.

Direkt hinter dem Parkeingang befindet sich eine kleine Kolibri-Station. Wie üblich in Costa Rica kostet dieser extra Eintritt. Den sparen wir uns und gucken von draußen ins Gehege. Ein freundlicher Parkwächter winkt mich ran und bietet lächelnd an, uns schnell für ein paar Fotos reinzulassen. Wir nutzen das freundliche Angebot und können aus der Nähe bewundern, wie die filigranen Geschöpfe vor der Tränke in der Luft schweben und ihren Rüssel in die Honigmasse tunken.

Im Selvatura Park gibt es den Hummingbird and Butterfly Garden (Kolibris und Schmetterlinge), für Adrenalinjäger schier endlos lange Ziplines über die Baumwipfel und tolle Wege durch den Regenwald und über die Hängebrücken.

Übersicht Selvatura Park mit Hängebrücken

Die Hängebrücken Monteverde / Santa Elena

Darauf habe ich mich schon Zuhause total gefreut!

Wir starten auf den flachen Pfaden durch den mystischen Nebelwald. Natürlich ist das Reservat kein Geheimtipp und entsprechend touristisch frequentiert. Dennoch kann ich mir dieses Naturspektakel nicht entgehen lassen.

In der Region regnet es quasi das ganze Jahr hindurch. Entsprechend wachsen und gedeihen hier die Pflanzen, als wären sie mit Turbodünger zugedröhnt. Die Flora ist unbeschreiblich. Dichte Bäume, riesige Farne, Moose, Bromelien, unzählige Orchideenarten, Grün in allen Facetten, wohin das Auge blickt.

Zipliner im Regenwald

Inmitten des Nebelwaldes führen acht unterschiedlich hohe und lange Hängebrücken durch die Baumkronen. Ziemlich beeindruckend und atemberaubend schön. Überraschenderweise entdecken wir nicht viele Tiere. Schade, ich hatte so sehr auf ein Faultier gehofft. Aus der Ferne dringen die Jubelrufen der vorbeirauschenden Zipliner zu uns hinauf.

Hängebrücken Monteverde

Eineinhalb Stunden wandeln wir durch den urigen Dschungelwald, dann erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt. Uns bleibt noch ein wenig Zeit für einen Cappuccino, bevor uns der Shuttlebus zurück zum Hostel bringt.

Auf Reisen bleibt man nie allein

Um 7:15 Uhr bin ich mit Patrick im Frühstücksraum verabredet. Den rothaarigen, sommersprossigen Iren (hallo Klischee) lernte ich gestern abend im Hostel kennen. Ich erzählte ihm vom „magic Ficus Tree“, von dem ich gerade mit Claudius kam. Da wir erst kurz vor Sonnenuntergang im Wald ankamen und viel los war, wollte ich den Baum nicht mehr in Eile beklettern und habe das Abenteuer auf die Adventure-Löffelliste für den Folgetag gesetzt. Patrick war gleich interessiert und wir verabredeten uns.

Der Koffeein-Yieper hat mich aus dem Bett geschmissen. Ich bin zu früh. Mit der Kaffeetasse in der Hand wackel ich zu einer Engländerin, die alleine am Tisch sitzt und in ihren Reiseführer blättert. Ich setze mich zu ihr und während ich auf Patrick warte, erzähle ich ihr von unserem Plan, den Ficus zu erklimmen und danach den Trail „Cerro tres amigos“ zu wandern. Begeistert fragt sie, ob sie mit könne. Auch Patrick, verstrubbelt und müde, der sich mit Frühstück beladen zu uns setzt, ist einverstanden. Ich freue mich über die spontane Gesellschaft der beiden. Drei amigos auf dem Cerro tres amigos also.

Im Inneren der Würgefeige

Gestern brauchten wir eine ganze Weile, bis wir uns mit maps.me durch den Wald navigiert und den richtigen Baum gefunden hatten (wenn man vor lauter Bäumen im Wald DEN Baum nicht sieht). Dafür finde ich ihn heute umso schneller. Und im Gegensatz zu gestern (da herrschte Hochbetrieb) ist jetzt nur ein Paar mit seinen beiden Kindern da. Und die Affenschar, die in den Bäumen ringsum tobt. Grinsend betrachte ich die überraschten Blicke meiner beiden Begleiter.

Der Ficus ist wahrlich ein Naturphänomen! Und ein absolut lohnenswerter Besuch für den man – oh Wunder in Costa Rica – tatsächlich nichts zahlen muss.

Schätzungsweise 30 Meter ragt der Gigant in die Höhe. Was mir bis dahin gänzlich unbekannt ist, der Ficus zählt zur Gattung der Würgefeigen. Im Grunde ist er ein Parasit für seinen Wirtsbaum, den er sich förmlich einverleibt. So entsteht der Hohlraum im Inneren. Die Baumrinde und sein Innenleben sind einem kompakten hölzernen Klettergerüst gewichen, über das man bis zur Krone hochsteigen kann.

Luftige Kletterei im Ficus

Als begeisterte Sportkletterin hadere ich kurz bei dem Gedanken, völlig ungesichert wie dieser Märchen-Hans an der Zauberbohne gen Himmel zu kraxeln. Hinter Patrick krabbel ich in den Baum hinein. Na ja, im Grunde isses wie Treppensteigen. Hohe Treppen. Mit viel Luft unterm Hintern. Aber ich habe ja den irischen Schutzpatron dabei, der vor mir bereits hochmotiviert auf dem Weg nach oben ist. Dann mal los. Jeder Kletterer weiß: Runter kommt man immer…

Nach oben raus wird es immer schmaler und enger

Sprachlos kralle ich mich in der Baumkrone des „magic Ficus“ fest, von dem gigantischen Ausblick völlig geflasht. Auch Patrick grinst über beide Ohren und ist mächtig beeindruckt! Das Abklettern stellt sich als Kinderspiel heraus, alle Sorge war umsonst.

Hiking-Tour Cerro tres amigos mit oscarverdächtigem Spinnen-Kopfkino

Wir sind auf dem Weg zum höchsten Gipfel der Gegend, auf 1.840 Metern. Nicht nur wegen der strahlenden Sonne ein schweißtreibendes Unterfangen. Eine verdammt steile Straße zieht sich in die Unendlichkeit rauf und geht dann in einen rotbraunen erdigen Pfad über. Wir werden von drei Hunden begleitet, die uns die kompletten 14 Kilometer des Trails nicht von der Seite weichen.

Steiler als es aussieht, der Trail Cerro tres agimos
Am Gipfelplateau auf 1.840 m

Am Gipfelplateau angekommen, werden wir sogar mit einer ganz passablen Sicht belohnt. Wir möchten nicht den selben Weg zurück latschen und checken über Patrick’s Navigationssystem eine alternative Route aus. Das geht genau so lange gut, bis wir irgendwann im tiefsten Urwald stehen und uns eingestehen müssen, wir kommen hier ohne Machete nicht mehr weiter.

Noch ist der Weg gut erkennbar
Frontman Patrick und die Hunde dringen tiefer in den Urwald

Nach einer kurzen Rast sehen wir ein, es geht nicht weiter. Einstimmig entscheiden wir uns abzubrechen und den ganzen Weg zurück zu latschen.

Die Wanderschuhe schmatzen durch den Schlamm, während wir abwechselnd über dick bemooste Baumstämme krabbeln und unter sperrigen Ästen und Gestrüpp hindurchkriechen. Im dezenten Panikmodus scannen meine Augen die grüne Hölle ab. Der Tarantula-Radar steht auf empfindlichster Alarmbereitschaft. Bei jedem Stamm, über den ich mich hieve, wispert die garstige Stimme im Kopf: „Gar nicht so unwahrscheinlich, dass da gleich ne Vogelspinne rumhüpft. Hier wimmelts doch von den possierlichen Tierchen.“ Parallel dazu spielt das Kopfkino den passenden Trailer ab.

Wir kommen nicht weiter, Zeit umzukehren

Jedes neue Gestrüpp stellt mich vor herausfordernde Überwindungen. „Bitte keine Spinne, bitte keine Spinne“ pienze ich mich Schrittweise weiter. Nach dem Survivalerlebnis durchs Dickicht erreichen wir irgendwann wieder so etwas, das den Anschein eines Weges hat. Mein mimimi wurde erhört. Ich frohlocke und schallmeie vor Erleichterung.

Nach gut 4 Stunden und rund 900 Höhenmetern (einschließlich der Tour zum Ficus) sind wir zurück in der Zivilisation von Santa Elena. Auch den Hunden reicht es mit uns. Sie ziehen wieder von Dannen. Wir feiern unser Überleben mit hochgelegten Füßen bei einem verdienten Kaffee-Kuchen-Kränzchen in der Sonne. PURA VIDA!

Während sich meine Wandergefährten in Richtung Hotel aufmachen, stiefel ich weiter zur Touri-Info. Muss mich um meine Weiterreise (an der noch ein großes Fragezeichen klebt) und den Bustransfer kümmern und brauche qualifizierten Input. Noch ahne ich nicht, dass ich bereits in wenigen Stunden – um 4:15 Uhr, gähn – aufgeregt im Bus zur Landesgrenze sitze, auf dem mühsamen Weg nach Nicaragua. Ein überaus spontaner Kurz(ent)schluss und eigentlich entgegen meines Planes keinesfalls die Grenzen Costa Rica’s zu verlassen.

Ach… Pläne und Schlaf werden ja sowas von überbewertet!

Habt ihr auch schon unerwartete und völlig ungeplante Kurzentschlüsse getroffen? Etwas gemacht, was ihr nie von euch gedacht hättet und womit ihr euch selbst verblüfft habt? Und hat es sich im Nachgang als die richtige Entscheidung herausgestellt? Ich bin gespannt, welche Erfahrungen ihr gemacht habt und freue mich auf eure Erzählungen 🙂

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Camaronal Wildlife Refuge

Schildkröten, Vollmondnächte und animalische Überlebenskämpfe

30. Januar 2018

Schildkröten-Retten in Costa Rica? Will ich machen! Unbedingt!

Auf Costa Ricas Halbinsel Nicoya, in der Provinz Guanacaste, liegt das Camaronal Wildlife Refuge. Die Institution wurde 1994 zum Schutz der Meeresschildkröten ins Leben gerufen. Vier unterschiedliche Schildkröten-Arten leben hier an der Küste. Sie alle sind vom Aussterben bedroht.

Bei meiner Rundreise durch das Pura-Vida-Land, bekam ich die Gelegenheit, in Camaronal 3 Tage zu verbringen. Dieser Besuch und die Möglichkeit mich dort einbringen zu können, war ein großer Herzenswunsch.

Das Wildlife Refuge liegt recht abgelegen und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zu erreichen. Die Anreise von Santa Teresa – erst mit mehreren Bussen (inkl. Getriebeschaden) und final mit dem Taxi – war somit ziemlich ausdauernd.

Umso größer die Freude, als ich mit Rita (einer langjährigen Freundin, die 2 Wochen mit mir reiste) in Camaronal ankam. Der Empfang war herzlich, wir bekamen unser Zimmer und wurden zur Einführungsveranstaltung der Volunteers eingeladen, bei der das Team auf das Projekt und seine Wichtigkeit einging.

Das Refuge besteht aus mehreren Gebäuden. Gegenüber des Haupthauses (in dem wir untergebracht waren) gibt es ein kleines Küchenhaus mit überdachter Lodge, auf der gemeinsam gegessen wurde und die Anlaufstation für Besucher ist. Unser Ansprechpartner Mario („solo habla español“), der sich auch um die Volunteers kümmerte, wohnte in einem wunderschönen Holzhaus. Die Volunteers waren in benachbarten Gebäuden mit Mehrbettzimmern untergebracht.

Als wir beim Abendessen alle zusammen saßen, fragte Mario grinsend, ob Rita und ich später zur Nachtpatrouille mitwollten. Mit großen Augen starrten wir ihn an. Ich dachte erst, ich hätte ihn falsch verstanden. Was für eine Frage?! „Si claro“ nickte ich begeistert und strahlte.

Um 23:15 Uhr ging es los.

Mario gab uns dünnes, rotes Papier, das wir vor unsere Taschenlampe wickelten. Schildkröten folgen nachts dem Mondlicht. Um sie mit dem grellen Licht nicht zu irritieren, darf nur mit rotem Lichtstrahl geleuchtet werden, erklärte er.

Im Dunkeln folgten wir Mario mit einem der Volunteers den kleinen Pfad zum Strand runter. Wir gingen zu dem Hochsitz, auf dem jede Nacht jeweils zwei Volunteers in 3 Schichten Dienst haben und das Hatchery nebenan bewachen. Dabei handelt es sich um eine Art großer abgeschlossener Käfig, der rundum mit engmaschigem Schutznetz umhüllt ist, so dass keine Eindringlinge und Wildtiere hinein können. Im Inneren sind in Sandbahnen eine Vielzahl Vierecke abgesteckt und nummeriert. In diesen Feldern werden alle gefundenen Schildkröten-Eier vergraben, aus denen nach Ende der Brutzeit die Jungen schlüpfen. Da alles in Listen dokumentiert wird, ist genau absehbar, aus welchem unterirdischen Nest sich die nächsten Babys ausbuddeln. Damit sie nicht ausbüxen, werden vor deren Ausschlüpfen die Felder mit kleinen Zäunen abgesteckt. Sobald die Kleinen soweit sind, werden sie zum Meer gebracht und beschützt in die Freiheit entlassen.

Das Hatchery am Strand von Camaronal
Die abgesteckten Felder im Hatchery. In den Zäunchen schlüpfen die nächsten Schildkröten

Am Hatchery startete die Patrouille. Von hier aus ging der Strand jeweils 3 KM nach links und rechts, wir hatten also einiges vor.

Über uns stand der Vollmond, so riesig, wie ich ihn selten in meinem Leben gesehen hatte. Er tauchte den kompletten Strand in einen warmen, hellen Schimmer. Fasziniert schaute ich in den Himmel, dann in das finstere Meer. Der Wind war noch ganz warm, die dunklen Wellen rauschten laut. In mir stieg die Spannung und Freude.

Mit flottem Schritt folgten wir Mario zur linken Strandseite. Überall wuselten hungrige Waschbären herum. Mir war noch nicht ganz klar, wonach wir Ausschau hielten und worauf achten sollten…

Die Frage klärte sich kurzerhand. Mario zeigte auf eine Spur, die sich vom Meer in Richtung Land zog und weiter oben in einer Sandkuhle endete. Schweigend griff er nach einem Stock und stocherte in der Vertiefung herum. Er schüttelte den Kopf. Hier war nichts.

Einige Meter weiter stießen wir auf die nächste breite Spur. Vorsichtig prüfte Mario den Sand, dann begann er emsig zu graben. Gebannt standen wir daneben. Langsam schob er den Sand zur Seite und förderte er ein paar zerbrochene Eier hervor. Ich schluckte. Mario reichte dem Volunteer Einmalhandschuhe und zeigte ihm, wie er vorsichtig buddeln solle. Den Anweisungen folgend, kamen die ersten unversehrten Eier zum Vorschein. Ich hätte nie geahnt, wie tief Schildkröten ihre Eier eingraben. Wir zählten 31 Stück und verstauten sie behutsam in einer Tüte, während Mario in seinen Unterlagen die Anzahl und den Fundort eintrug. Anhand seiner Tabellen erklärte er, dass der Strand in 3 Zonen unterteilt sei: Zone 1, direkt am Meer. Zone 2, im mittleren Strandteil und Zone 3 weiter oben.

Die Eier mussten jetzt zügig ins Hatchery. Dort wurde in dem vorgesehenen Feld ein armlang tiefes Loch gebuddelt, die Ausbeute vorsichtig hineingelegt und wieder mit Sand zugeschüttet. Danach nahmen wir uns die andere Strandseite vor. Auch hier wurden wir fündig. Am Ende der Patrouille hatten wir 40 Eier unter Schutz gestellt. Es war schon fast halb 2, als wir am Hochsitz den Mädels eine gute Nacht wünschten. Sie mussten noch ein paar Stunden ausharren und die gierigen Waschbären vertreiben. Vollgepackt mit Eindrücken legten Rita und ich uns schlafen.

7 Uhr. Der nächste Morgen nach einer kurzen Nacht. In einem hohen Baum vor unserem Fenster tümmelten sich Papageien in allen Farben und Größen, die mächtig Krach machten. Nach dem Frühstück stand der Bau eines weiteren Hatchery auf der Agenda. Rita und ich wollten unbedingt mithelfen und so machten wir uns alle gemeinsam am Strand an die Arbeit. Gut 2 Stunden in der Sonne, hieß es Loch ausheben, schaufeln, Sand sieben, schwitzen. Blasen an den Händen von endlosem Gerüttel mit dem riesigen Sandsieb inklusive.

Bau des neuen Hatchery unter Anleitung von Mario und bewaffnet mit Sieben

Der heiße Mittag stand zur freien Verfügung und wurde mit baden im Meer, chillen, lesen, Jogging und Musik machen vielfältig genutzt.

Über den Tag waren im Hatchery neue Schildkröten geschlüpft. Wir konnten sie uns ansehen und auf die Hand nehmen. Was waren sie winzig und verschrumpelt! Eines war sehr schwach und bewegte sich kaum. Ob es den Start in sein neues Leben schaffen würde, war noch unklar. Darauf hatte leider niemand Einfluss, hier endeten die Möglichkeiten des Teams. Am Abend mussten wir erfahren, dass es das kleine Wesen nicht geschafft hatte. Der traurige Lauf der Natur.

Die anderen Schlüpflinge hingegen waren quirlig und munter. Nach Einbruch der Dunkelheit war es so weit. Sie durften in die Freiheit. Zaghaft hob ich sie aus ihrem umzäunten Nest und legte sie in eine Schüssel.

In Meeresnähe setzten wir die Kleinen im Sand ab. Mit dem roten Lichtschein der Taschenlampen, leuchteten wir ihnen den Weg zum Ozean. Tüchtig schaufelten sie sich mit ihren verhältnismäßig langen Flossen ihre Strecke über den Strand. Ein anstrengender Weg für die kleinen Körper. Immer wieder mussten sie anhalten, Kräfte sammeln, um weiter dem Lichtkegel hinterher zu flitzen. Die erste Welle kam, nahm die kleinen Schildkröten mit sich und spülte sie zurück an den Strand. Erneut hatten sie den ganzen Weg zu bewältigen. Mitfühlend sahen wir zu, wie sie sich abrackerten, bis das Meer sie endlich in seine Obhut nahm. Ich war so stolz, dass sie es geschafft hatten und gleichermaßen zutiefst ergriffen. Ihr weiteres Überleben lag jetzt nicht mehr in unseren Händen.

In derselben Nacht liefen Rita und ich wieder die Patrouille mit. Leider fanden wir keine Spuren. Keine Nester, keine Eier, keine Schildkröten. Bloß hungrige Waschbären lungerten herum, ebenfalls auf der Jagd nach Beute. Offen gestanden, ich war enttäuscht. So sehr hatte ich mir gewünscht, am letzten Abend vor unserer Abreise eine Schildkröte zu sehen. Ich blickte zu Rita und sah, dass ihr die gleichen Gedanken durch den Kopf gingen.

Auf dem Weg zurück zum Hatchery, blinkten plötzlich vom anderen Strandende Lichtsignale auf. Mario griff nach seinem Funkgerät. Ich verstand nur Spanisch. Genau genommen verstand ich leider nicht genug Spanisch. Uns vermittelte Mario dann, dass wohl eine Schildkröte auf dem Weg zum Strand sei. Rita und ich grinsten über beide Backen. Mit Mario und der Truppe legten wir eilig die Strecke zurück, noch immer erhellte der riesige Mond weite Teile des Strandes. Und dann entdeckten wir plötzlich die Spur, die zuvor noch nicht da war. Breit zog sie sich vom Meer hinauf durch den Sand. Unser Blick folgte ihr und traf auf eine große Lora-Schildkröte, die langsam nach oben kroch. Mit gebührendem Abstand folgten wir ihr und versammelten uns still um sie herum, während sie begann, ein Loch auszuheben. Sie buddelte eine viertel Stunde, stoppte und krabbelte einfach weiter. Der Platz behagte ihr nicht. Ein Stück höher fing sie erneut an zu graben. Über 40 Minuten arbeitete sie mit ihren Hinterbeinen und Flossen, um die optimale Tiefe zu erreichen. Während sie begann, ihre Eier zu legen, verfiel sie in einen tranceähnlichen Zustand. Mario erzählte uns, dass Schildkröten während dieses Prozesses völlig wegtreten. Sie würde deshalb gar nicht registrieren, wenn man ihre Eier wegnimmt oder sie berührt. In diesem Zustand könne man sie problemlos wegtragen, sie würde es nicht bemerken.

Eier, in der Größe von Tischtennisbällen, ploppten aus ihrem Körper. Direkt in die behandschuhten Hände von einem der Volunteers. Sachte packte er sie in eine Tüte. 87 Exemplare waren es am Ende. Die bekämen die Waschbären glücklicherweise nicht in ihre Fänge! Wir alle waren mächtig beeindruckt, als wir das fleißige Muttertier zurückließen, um ihre Eier im warmen Sand im geschützen Hatchery einzugraben.

Wie krass ist das bitte?! schoss mir durch den Kopf. Du stehst einfach so mitten in der Nacht irgendwo in Costa Rica am Meer neben einer riesigen Schildkröte, während sie ihre Eier ablegt. Du leuchtest Schildkrötenbabys mit einer Taschenlampe den Weg ins Meer! In deiner Hand hast du ein nur wenige Gramm schweres, frisch Geschlüpftes gehalten! Mir stiegen Tränen in die Augen, bei den Gedanken.

Ich finde nur schwer treffende Worte für das, was besondere Momente mit mir machen. Sie prägen. Sie verändern. Sie berühren mein Herz. Dieses (Er-)Leben, ein Teil davon sein zu können, ist für mich Glück in seiner Reinform.

So oft denke ich, dass ich kein Durchschnittsleben führe. Ich bin für diese vielen, außergewöhnlichen Erlebnisse (auch daheim im Alltag) unendlich dankbar. Ich weiß, dass sie nicht selbstverständlich sind. Solche Reisen wiederum, haben nicht wirklich etwas mit „normalem Urlaub“ zu tun. Sie sind mit einiger Vorbereitung und mit Anstrengungen verbunden. Ich hirne lange und viel vor den Reisen und setze mich intensiv damit auseinander. Um manche der Wege zu gehen, braucht es eine Portion Mut, verbunden mit Ungewissheit, gepaart mit Vertrauen und Zuversicht. Es erstaunt mich immer wieder, welche Türen sich auf unbekannten Pfaden öffnen, wenn man bereit ist, den Schlüssel in ihr Schloss zu stecken und umzudrehen…

Es war schon 1:20 Uhr, bis wir in der Nacht fertig waren. Müde und völlig ergriffen, gingen Rita und ich zu unserer Unterkunft zurück. Wir wollten uns nur noch aufs Ohr hauen. Wir konnten ja nicht ahnen, was uns noch bevorstand.

Auf der Wiese vor dem Haupthaus herrschte nämlich ein Ziegenbock. Bereits seit unserer Ankunft als überaus kontaktfreudig, nein, aufdringlich bekannt, empfand er enorme Freude dabei, sein Umfeld zu malträtieren. Der Begriff Nachtruhe war dem Tier gänzlich fremd. Das kleine Schwänzchen wedelte enthusiastisch, während die Abenteuerlust dem gehörnten Aggro-Bock förmlich aus den Augen schoss. Mein Blick fiel auf die Leine, die zwar am Baum, aber nicht mehr am Hals des Ziegenviehs befestigt war. Das Hirn begann zu kombinieren, die Erkenntnis sickerte durch die geistigen Poren und schon ereilte uns animalisches Unheil.

Bevor ich Rita hinter mir warnen konnte, kam das (Un-)Tier auf uns zu. Ich zückte den Schlüssel der Eingangstür und hechtete auf die Veranda. Die Chance, den Schlüssel zu benutzen, blieb mir verwehrt. Der Bock verfolgte nur eine Mission; mich mit seinen Hörnern auf Trab zu halten. „Rita, mach was!! Ich krieg so die Tür nicht auf“, pienzte ich, mit einer Hand am Schlüsselloch fummelnd und mit der anderen vergeblich das Ungetüm abhaltend.

Rita stand in respektvollem Abstand auf der Wiese, ausgestattet mit Zweigen und Blättern, und wedelte semi-motiviert in Richtung des Sado-Maso-Bocks. Pah! Den interessierte das lächerliche Gestrüpp null. Wer gibt sich schon mit popeligem Geäst ab, wenn er Beute aus Übersee kredenzt bekommt?! Der Dreck-Bock (ich bin tierlieb, ehrlich!) ließ auch nach 10 Minuten nicht locker und mir ging mehr und mehr die Düse. Hinter mir wedelte und lockte Rita freundschaftlich weiter.

Er schenkte ihr irgendwann tatsächlich für Sekunden seine Aufmerksamkeit, ich hatte beide Hände frei und schwupps, war der Schlüssel in der Tür und mit Ziehen und Stoßen der Eingang geöffnet. Rita warf ihr Gebüsch von sich, schoss mir hinterher und (angst-)schweißgebadet verrammelten wir die Schotten der sicheren Burg. Rita begann, sich halb ins Koma zu lachen, während ich noch immer schnappatmend versuchte, meine Nahtod-Erfahrung zu verarbeiten.

Jetzt endlich ins Bett! Was für ein naiver Wunsch…

In unserem Zimmer erwartete uns bereits die nächste zoologische Dschungelprüfung; eine Krabbe hockte zwischen unseren Betten und Rucksäcken auf dem Boden. Das spinnenähnliche Getier, seine Scheren zum Meuchelmord bereits gewetzt, löste bei mir ungeahnte Wogen der Verzweiflung aus. Für mich stand fest, dem Teil nähere ich mich nicht mehr in dieser Nacht. Ich hatte genug. Hier wuchs Rita, offiziell anerkannte Dschungelkönigin, über sich hinaus. In der benachbarten Küche schnappte sie sich zwei Becher und fing damit – nach mehreren Versuchen, die auch ihr alle Überwindung abverlangten – das flinke Scherentier ein. Über einen Hinterausgang der Küche – das Haupttor war wegen des lauernden Geißbocks kontaminierte Sperrzone – entließ sie die Krabbe in die Freiheit. Welche Heldentat und hervorragend, wenn die Arbeitsteilung zwischen einem Reiseduo so funktioniert.

Erschöpft und todmüde krochen wir kurz nach 2 Uhr endlich in unsere Betten. Über meinem Kopf flitzte ein Gecko die Wand entlang. Ha, der konnte mir maximal ein schwaches Grinsen abringen. Diese quirligen Kerlchen liebe ich aber auch ganz arg.

Keine 5 Stunden blieben uns mehr, bis ich den klingenden Wecker gegen die Wand trümmern müsste. Wer hätte im Schildkrötencamp auch mit derartigen Herausforderungen gerechnet?

Aber wenn du denkst, es kommt nichts mehr,
läuft hinter dem Geißbock noch ne Krabbe daher…

Surfer am Strand von Camaronal
Iguano, der ebenfalls vor unserer Unterkunft rumlungerte

Grenzgänge – Von Costa Rica nach Nicaragua

10. Februar 2018

„Ometepe!“

Ome-Was? Noch nie gehört. Klang für mich wie ein afrikanisches Kartoffelgericht.

Backpacker auf meiner Costa Rica Rundreise erzählten von dieser Insel in Nicaragua. Man solle jetzt hin, solange es noch ursprünglich sei und wenig Touristen gebe.

Okay. Und was ist so toll an Ometepe?!

Abgesehen davon, dass es die weltweit größte vulkanische Insel in einem Süßwassersee ist. Ometepe ist berühmt für seine Felskunst, sogenannte Petroglyphen, in Stein gemeißelte Bilder. Außerdem gibt es zwei Vulkane.

Klang reizvoll. Und spannender, als die verbleibende Woche meiner Reise Schirmchengetränk-schlürfend auf der karibischen Seite am Strand von Costa Rica zu verbringen.

Die Entscheidung war getroffen, auf ins Nachbarland!

Ach so, wie komme ich denn dort hin? Ich befand mich im abgelegenen Nebelwaldgebiet Monteverde und bis zur Grenze nach Nicaragua lagen ca. 370 Kilometer, teilweise mit arg üblen Straßen. Doch dank der hilfreichenden Auskünfte einiger Locals war innerhalb eines halben Tages die Weiterreise organisiert.

Nachts lag ich schlaflos im Bett, surfte durchs Internet und landete auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Lass dir gesagt sein: Offizielle Warnungen über dein nächstes Domizil sind keine geeignete Nachtlektüre. Worauf ließ ich mich da ein? Ich wusste nichts über das Land und die Menschen!

Kneifen war jetzt keine Option mehr. Müde trottete ich um 4 Uhr morgens im Nieselregen zur Bushaltestelle. Ich wurde pünktlich eingesammelt und 2 Stunden später irgendwo im Nirgendwo wieder ausgespuckt. Inmitten einheimischer Männer wartete ich am Straßenrand auf den Anschlussbus, der mich von „La Irma“ zur Grenze nach Peňas Blancas bringen sollte.

Ein Bus mit der Aufschrift „Frontera“ hielt einige Meter neben uns an und die Männerherde preschte los. Wie ein Lemming flitzte ich hinterher und konnte glücklicherweise noch einen letzten Stehplatz ergattern.

Wir waren unterwegs auf der Panamericana und mein Blick traf ein vorbeihuschendes Straßenschild. Hämisch verkündete es, bis zur Grenze lägen 180 Kilometer. Im Bus wurde es wärmer und wärmer. Neben mir im Durchgang hing ein männliches Häuflein Elend in meinem Alter, das hustete, als wäre dies seine letzte Fahrt.

Unzählige Gedanken schossen mir durch den Kopf. Begleitet von wachsender Aufregung und einem beklemmenden Gefühl. Was würde mich an der Grenze erwarten? Wie wären die Menschen in Nicaragua? Deren Lebensbedingungen, im Kontrast zu PURA VIDA im touristenverwöhnten Costa Rica? Und hält der Typ neben mir durch bis zur Grenze?

Peňas Blancas erreichten wir gegen 9 Uhr. Es schüttete, als würde jemand eine Badewanne ausleeren. Durchnässt kam ich zum Eingang der Grenzkontrolle. Lange Schlangen hatten sich bereits gebildet und zwischen den Wartenden redeten Geldwechsler in furchtbar schnellen Spanisch auf mich ein. Alles war laut und hektisch.

Angekommen an der Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua

Inmitten des Trubels und der vielen Menschen verließ mich meine Souveränität mit einem schallenden „adios chica!“ Ich hatte keinen Plan, wohin ich musste. Scheinbar wirkte ich sehr bedürftig, denn der hustende Blässling aus dem Bus – er hatte die Fahrt überlebt – nahm sich meiner an und wir kamen ins Gespräch. Er war Italiener und schon seit einer Weile auf Reisen. Auf seinen Zustand angesprochen, erzählte er zähneknirschend, er habe sich in den fürchterlich staubigen Straßen von Santa Teresa in Costa Rica eine Lungenentzündung eingefangen. Als er sich mit „Eros“ vorstellte, hätte ich fast laut losgelacht. Mein Schicksal – sonst eher eine Mischung aus Ironie und Sarkasmus – konnte also auch witzig und sandte mir „Italien-Eros“ zu Hilfe.

Und er war meine Rettung: In perfektem Spanisch beantwortete er die Fragen, die man mir zur Ausreise aus Costa Rica stellte, damit ich meinen Stempel bekam. Dann ging es weiter in ein anderes Gebäude. Wir löhnten 1 Dollar Einreisesteuer und wechselten erneut den Schalter, um eine Stunde im Windkanal einer Hyperklimaanlage anzustehen. Mein südländischer Überlebenskünstler amüsierte sich unterdessen über die weniger zahlreichen Stempel in meinem Reisepass. Ich griff nach seiner italienischen Ausgabe und bestaunte die randvoll bedruckten Seiten. Kleinlaut rechtfertigte ich mich, auch viel gereist zu sein, nur eben oft in Ländern, in denen kein Reisepass erforderlich war.

Umso mehr brannte ich auf den Nicaragua-Aufdruck. Das wurde aber erst mal nix. Ich hatte bei den Geldwechslern zwar Colones (die Währung von Costa Rica) in die nun gültige Währung Córdoba umgetauscht, der Zollbeamte verlangte aber 12 Dollar für die Einreise. Ich hatte nur noch 6 Dollar und Córdoba akzeptierte er nicht. Ich war genervt. Gnädig schlug er vor, meinen Reisepass zu behalten, während ich draußen bei einem der Männer Geld wechseln solle. Verzweifelt sah ich zu Eros, der nickte kurz und ich sprintete los. Tatsächlich durfte ich gleich wieder zu dem Grenzbeamten durch und erhielt das eingedruckte Objekt der Begierde. Sogar Eros hatte extra gewartet.

Tragischerweise war der Formalismus – im Gegensatz zu mir – noch immer nicht an seine Grenzen gestoßen. Ein weiteres Mal anstehen, nochmalige Passkontrolle, Fragen nach dem Wohin und Warum. Mittlerweile war ich so drüber, dass ich auf die Frage nach meinem Beruf in überzeugendem Spanisch „Ich bin Deutsche“ antwortete. Die Beamtin sah mich verstört an, winkte mich aber durch.

Hinter Eros eilte ich aus dem Gebäude raus. Wir waren in Nicaragua.

Die nächste Herausforderung lauerte breits…

Auf dem Weg zur Bushaltestelle wurden unsere Pässe abermals gecheckt. Und dann ging’s rund: Etliche Männer kamen laut rufend angerannt. Jeder schrie uns ein anderes Wort an den Kopf, ich verstand kein Wort. Zwischen qualmenden Essensständen belaberten uns Taxi- und Busfahrer gleichermaßen. Irgendwann brachte ich nicht mal mehr ein „NO“ raus. Mit meinem großen Rucksack sank ich auf den Boden, legte den Kopf in die Arme und ließ mich von der Hitze und dem Redeschwall weich garen. Nach einer Odysee aus 7 Stunden Busfahrt, unzähligen Grenzkontrollen, ultimativem Kaffee-Entzug und ohne einen Bissen im Magen, bereute ich endgültig meinen Reiseplan-Schnellschuss.

Glücklicherweise hatte ich den EROS-Joker! Trotz Lungenentzündung nahm er mit italienischem Temperament und spanischem Hochleistungsvokabular den Kampf gegen die Abzocke der Taxi- und Busfahrer auf und schreckte nicht davor zurück, seinen Unmut verbal und mit Körpersprache kundzutun. Erfolgreich. Für ca. 2 Dollar stiegen wir in einen abgeranzten Chickenbus, der in Deutschland nicht einmal auf einem Schrottplatz stehen würde. Unser Gepäck wurde auf das Dach geschmissen.

Wir fuhren eine Weile, als hinter uns hektisches Gerufe und Gepfeife in Eros Richtung ausbrach. Da war seine Haltestelle. Er sprang auf, rief mir zu „You go to Ometepe. You stay!“ und war weg. Verstört saß ich im Bus, der immer tiefer ins Landesinnere rollte. Eine Mischung aus Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit stieg in mir auf. Ich verstand fast nichts und konnte mich kaum verständigen. Englisch sprach niemand und mein Spanisch war für diese Situation zu schlecht.

Irgendwann kam der Bus in Rivas an. Auf dem Parkplatz herrschte geschäftiges Treiben. Frauen trugen Schüsseln auf dem Kopf, Pferdekutschen fuhren zwischen den Bussen und kaum war ich ausgestiegen, nahmen mich erneut laut krakeelende Männer in Beschlag.

Angekommen in Rivas

Nach Ometepe kam ich an diesem Tag nicht mehr.

An diesem Samstag fuhren keine Busse mehr zur Anlegestelle, nur Taxis. Ich fühlte mich wieder in der üblichen Manier über den Tisch gezogen und lehnte kategorisch ab. Die Männer deuteten auf die Busse – nix Ometepe. Mit Wortwasserfällen wollten sie mich ins Taxi schwemmen.

Ich schaltete in den Stur-Modus: Jetzt erst recht nicht!

Ich sah mir die Busse an. Auf einem las ich die Aufschrift „GRANADA“. Nach Ometepe mein nächstes Vorhaben.

Kurzerhand warf ich meinen Plan über den Haufen, schnappte meinen Rucksack, der schon am Taxi lehnte und sprang unter wildem Gerufe in die bunte Granada-Blechbüchse.

Ein großer Seufzer, es lebe die Flexibilität! Was war ich froh, endlich dem Trubel und Lärm entkommen zu sein. Heute hieß es nur noch; eine Unterkunft suchen, duschen, Kaffee-Defizit ausgleichen und was futtern.

Und morgen würde ich mich um die Weiterreise nach Ometepe kümmern.

Grünes Costa Rica

Stämme von Eukalyptusbäumen in Uvita

Ficcus-Tree in Santa-Elena
Highlight: Der Ficcus-Tree kann bis zur Baumkrone (ca. 20 m hoch) im Inneren beklettert werden, ein ganz besonderes Abenteuer
Stamm eines Kapok-Baumes im Corcovado National Park in Osa
Urlaubsfeeling im Corcovado National Park
Zipliner in den Nebelwäldern von Monteverde
Eine der vielen Hängebrücken in Monteverde – über den Nebelwäldern